1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Nawalny fordert gezielte Sanktionen

7. Oktober 2020

Der vergiftete russische Kremlkritiker Alexej Nawalny fordert, hart gegen Kreml-nahe Oligarchen und hohe Beamte vorzugehen. Vom deutschen Ex-Kanzler Gerhard Schröder ist er besonders enttäuscht.

Russland | Oppositionsführer Alexej Nawalny
Alexej Nawalny: "Hätte das selbst dem Kreml nicht zugetraut" (Archivbild)Bild: Pavel Golovkin/dpa/picture-alliance

Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny hat das Einfrieren von Vermögenswerten und Reiseverbote gegen Einzelpersonen verlangt. "Sanktionen gegen das ganze Land funktionieren nicht", sagte Nawalny der "Bild"-Zeitung. Über "Profiteure des Regimes" sagte er: "Sie veruntreuen Geld, stehlen Milliarden und am Wochenende fliegen sie nach Berlin oder London, kaufen teure Wohnungen und sitzen in Cafés."

Namentlich ging es in dem Interview als Zielperson für Sanktionen um den Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker, Waleri Gergijew. Gergijew unterstützt den russischen Präsidenten Wladimir Putin öffentlich und warb für dessen Wiederwahl.

"Schröder ist Laufbursche Putins"

Nawalny übte auch deutliche Kritik an Gerhard Schröder, der von 1998 bis 2005 deutscher Bundeskanzler war und als persönlicher Freund von Putin und Kreml-Lobbyist gilt. Schröder hatte vor einer Woche gesagt, zum Giftanschlag auf Nawalny gebe es "noch keine gesicherten Fakten". "Das ist sehr enttäuschend", kommentiert Nawalny. "Es ist erniedrigend für das deutsche Volk. Und insbesondere für das Bundeswehrlabor. Haben sie etwa das Resultat ihrer Untersuchung gefälscht?"

Ein Labor der Bundeswehr hatte bereits Anfang September nachgewiesen, dass Nawalny mit einem chemischen Nervenkampfstoff der Nowitschok-Gruppe vergiftet worden war.  Mehrere ausländische Labore, darunter auch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW), bestätigten diesen Befund. Der Kremlkritiker war am 20. August auf einem russischen Inlandsflug zusammengebrochen und nach einer Notlandung zunächst im sibirischen Omsk behandelt worden, bevor er auf Druck seiner Unterstützer nach Berlin in das Krankenhaus Charité gebracht wurde.

Ziemlich beste Freunde: Altkanzler Schröder und Präsident Putin bei der Eröffnung der Fußball-WM 2018 in RusslandBild: A. Druzhinin/TASS/dpa/picture-alliance

Nawalny sagte über Schröder weiter: "Er ist immerhin der ehemalige Kanzler des mächtigsten Landes in Europa. Jetzt ist Schröder ein Laufbursche Putins, der Mörder beschützt."

Der frühere SPD-Chef übernahm nach dem Ende seiner politischen Laufbahn Führungsaufgaben in der russischen Energiewirtschaft. Schröder ist Chef des Verwaltungsrats des Pipeline-Projekts Nord Stream 2 sowie Vorsitzender des Aktionärsauschusses  der bereits bestehenden Ostsee-Pipeline Nord Stream. Zusätzlich ist Schröder Aufsichtsratsvorsitzender des staatlichen russischen Öl-Riesen Rosneft.

Keine Aufklärung erwartet

Nawalny selbst glaubt nicht an eine Aufklärung seines Falles durch Russland: Es gebe "nicht mal den Versuch, es so aussehen zu lassen, als würde man ermitteln". In dem Interview machte der Kremlkritiker erneut Putin persönlich für den Anschlag verantwortlich. Dass er "mit einer militärischen Chemiewaffe vergiftet" worden sei, sei "verrückt". "Wir wissen sehr viel über Putin und den Kreml. Aber einen Zivilisten mit Nowitschok zu vergiften, damit er im Flugzeug stirbt, das hätte ich selbst dem Kreml nicht zugetraut." Moskau weist den Verdacht zurück, staatliche russische Stellen könnten Nawalny gezielt vergiftet haben.

Sanktionsdrohung aus Deutschland

Unterstützung bekommt der Kreml-Kritiker vom deutschen Außenminister Heiko Maas. Maas sagte bei der Regierungsbefragung im Bundestag: "Ein derart schwerer Bruch des Völkerrechts kann nicht ohne Konsequenzen bleiben". Wenn Moskau nicht zur Aufklärung des Giftanschlags beitrage, seien "zielgerichtete und verhältnismäßige Sanktionen" gegen Verantwortliche auf russischer Seite unvermeidlich, so der Außenminister. Über die daraus folgenden Konsequenzen will Maas in den kommenden Tagen mit den anderen EU-Staaten sprechen.

ust/kle (dpa, rtr, afp, Bild)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen