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Politik

Nawalny vermutet Putin hinter Giftanschlag

1. Oktober 2020

Der russische Regierungskritiker Alexej Nawalny erholt sich mehr und mehr von seiner Vergiftung. Der 44-Jährige will wieder zurück nach Russland, obwohl er Präsident Putin als Drahtzieher des Attentats sieht.

Charité entlässt Kremlkritiker Nawalny
Alexej Nawalny auf einer Parkbank in Berlin Bild: Navalny/Instagram/dpa/picture-alliance

Der Kremlgegner Alexej Nawalny sagte in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", nur die unter direktem Befehl von Wladimir Putin stehenden Chefs der Geheimdienste - Inlandsgemeindienst FSB, Militärgeheimdienst GRU und Auslandsgeheimdienst SWR - hätten Zugriff auf das tödliche Nervengift Nowitschok.

Wie der "Spiegel" weiter berichtet, kündigte der 44-Jährige auch an, nach Russland zurückzukehren. Er werde Putin nicht das Geschenk machen, sich aus dem Kampf in Russland zu verabschieden, sagte Nawalny. Er habe die Parlamentswahl im kommenden Jahr fest im Blick. Dann wolle er das Machtmonopol der Kremlpartei Geeintes Russland brechen.

Moskau bestreitet Vergiftung

Russlands Führung bestreitet, dass es eine Vergiftung gegeben habe und spricht von einer Provokation. Der prominenteste Gegner von Kremlchef Putin wurde mit dem Nervengift der Gruppe Nowitschok vergiftet, wie mehrere internationale Laboruntersuchungen ergaben. Der Kampfstoff ist nach dem internationalen Verbot von Chemiewaffen geächtet. Russische Geheimdienstler und Regierungsmitglieder betonten mehrfach, dass alle Vorräte des zu Sowjetzeiten entwickelten Gifts vernichtet worden seien.

Zu Forderungen Russlands, endlich Beweise oder Biomaterial Nawalnys für eigene Untersuchungen vorzulegen, sagte der Kremlgegner, dass in der Klinik in Omsk ausreichend Blut von ihm sein müsse, um die Vergiftung nachzuweisen. In dem Krankenhaus war er nach einer Zwischenlandung notärztlich versorgt worden.

Nawalny, der nach "Spiegel"-Darstellung rund um die Uhr von Personenschützern begleitet wird, hatte sich in den vergangenen Tagen auch immer wieder in den sozialen Netzwerken zu Wort gemeldet. Er sagte, dass es ihm schon viel besser gehe - und sein Überleben auch für die Wissenschaft interessant sein könne.

Deutsch-russische Spannungen

Der Fall hat die Spannungen in den deutsch-russischen Beziehungen noch einmal deutlich verschärft. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Nawalny in der Klinik besucht hatte, forderte Russland zur Aufklärung des Verbrechens auf. Moskau aber verlangt Beweise für eine Vergiftung und lehnt bis dahin Ermittlungen in dem Kriminalfall ab.

Nawalny betonte in dem Interview, dass er bisher keine Verbindung zu Deutschland gehabt habe, aber dem Land, den Menschen, den Ärzten und Merkel dankbar sei. Die Experten der Charité hätten es geschafft, seine Persönlichkeit wieder herzustellen.

Zur Frage von Sanktionen wegen des Verbrechens sagte er, jede Russland-Strategie müsse das Stadium des Wahnsinns in den Blick nehmen, das Putin erreicht habe. In der Debatte um einen Baustopp für die Ostseepipeline Nord Stream 2 überlasse er die Entscheidung aber der deutschen Politik.

Nawalny war am 20. August während eines Inlandsflugs in Russland zusammengebrochen und später zur Behandlung nach Deutschland gebracht worden. Wochenlang lag er dort im künstlichen Koma.

Nach dem Befund eines Bundeswehr-Speziallabors wurde er mit einem Kampfstoff der Nowitschok-Gruppe vergiftet. Das sollen auch Labors in Frankreich und Schweden bestätigt haben. Mit Spannung werden aktuell die Untersuchungsergebnisse der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) erwartet. Danach drohen Russland neue Sanktionen.

Beim EU Sondergipfel: Für Charles Michel ist das Thema nicht vom TischBild: Dursun Aydemir/AA/picture-alliance

Der EU-Sondergipfel hat unterdessen die Vergiftung des Kreml-Kritikers in Russland verurteilt. In der gemeinsamen Abschlusserklärung der 27 EU-Staaten heißt es: "Der Gebrauch einer chemischen Waffe stellt einen ernstzunehmenden
Bruch internationalen Rechts dar." Man rufe die russischen Behörden dazu auf, vollständig mit der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen zusammenzuarbeiten, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen zu können. Beim nächsten EU-Gipfel in zwei Wochen wolle man auf das Thema zurückkommen, sagte EU-Ratschef Charles Michel.

hf/kle/ack (dpa, afp, rtr)

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