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Politik

Nawalny: Verdacht auf Vergiftung erhärtet sich

24. August 2020

Der russische Oppositionelle Alexej Nawalny, der seit Samstag in der Berliner Charité behandelt wird, schwebt zwar nicht in Lebensgefahr, aber seine Lage ist ernst, so eine Kliniksprecherin.

Moskau | Alexei Nawalny  Boris Nemtsov Gedenkmarsch 2020
Bild: Getty Images/AFP/K. Kudryavtsev

Den ganzen Tag über hatten sich die Gerüchte in Berlin verdichtet, dann teilte eine Sprecherin des Krankenhauses Charité mit: Im Fall des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny weisen klinische Befunde auf eine Vergiftung hin."Sein Gesundheitszustand ist ernst, derzeit besteht jedoch keine akute Lebensgefahr", hieß es in einer Mitteilung. Die klinischen Befunde wiesen auf eine Vergiftung, die konkrete Substanz sei aber bislang nicht bekannt. Nawalny sei ein Gegenmittel verabreicht worden, mögliche Spätfolgen der Erkrankung, insbesondere auf das zentrale Nervensystem, müssten jetzt abgewartet werden, so die Sprecherin. Die Klink stehe mit der Ehefrau Nawalnys im Kontakt , hieß es weiter. Eine zunächst in Aussicht gestellte Pressekonferenz fand nicht statt.

Auch die deutsche Regierung geht von Gift aus

Nawalny war am Samstag in Berlin eingetroffen, im Koma liegend, mit einer von einer privaten Hilfsorganisation gecharterten Maschine aus Sibirien kommend. Seitdem hatte es über seine Gesundheit nur Mutmaßungen gegeben. Vertraute des russischen Oppositionellen hatten seinen Zustand aber als besorgniserregend bezeichnet. Und auch die Bundesregierung ließ erkennen, dass sie im Fall Nawalny nicht von einer simplen Erkrankung ausgeht, wie das russische Ärzte in den letzten Tagen vermuteten, die von einer Stoffwechselkrankheit gesprochen hatten. Regierungssprecher Steffen Seibert hatte im Auftrag von Bundeskanzlerin Angela Merkel von "einer gewissen Wahrscheinlichkeit" für einen Giftanschlag gesprochen.

Am Abend stellte die Kanzlerin dann gemeinsam mit ihrem Außenminister Heiko Maas klar, dass die Behörden in Russland nun "dringlich aufgerufen" seien, "diese Tat bis ins letzte aufzuklären - und das in voller Transparenz". Die Verantwortlichen müssen "ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden", sagten Merkel und Maas weiter.

Nawalny wird im Berliner Krankenhaus Charité behandeltBild: DW/V.Esipov

Der Anschlagsverdacht ist auch der Grund, warum Nawalny in Berlin von Beamten des Bundeskriminalamtes (BKA) bewacht wird. Regierungssprecher Seibert nannte das ein in vergleichbaren Fällen übliches Verfahren. Und er fügte hinzu: Für Vergiftungen habe es in der "jüngsten Vergangenheit leider einige Verdachtsfälle" gegeben. Tatsächlich war etwa vor zwei Jahren Pjotr Wersilow, Mitglied der regierungskritischen Punkband Pussy Riot, ebenfalls in Berlin in der Charité behandelt worden, ebenfalls mit dem Verdacht, vergiftet worden zu sein. Erst vor ein paar Tagen hatte Wersilow im Gespräch mit der DW gesagt, der Fall Nawalny erinnere ihn an seinen eigenen.

Verwirrende Mutmaßungen während des Tages

Wichtig war Regierungssprecher Seibert noch zu erwähnen, dass Nawalny von Merkel nicht offiziell nach Deutschland eingeladen worden sei, sondern dass die Kanzlerin lediglich ihre Bereitschaft erklärt habe, den russischen Oppositionellen aufzunehmen. Die deutsch-russischen Beziehungen sind durch die erneute Zuspitzung durch den Fall Nawalny schon angespannt genug.

Wahrscheinlich auch deswegen hatte sich die Regierung noch am frühen Vormittag wesentlich zurückhaltender geäußert. Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte bei einem Besuch in Kiew gesagt, es fehlten noch viele Fakten, um den Fall wirklich bewerten zu können. Und fast zeitgleich wiesen die Ärzte in der sibirischen Stadt Omsk, die Nawalny zuvor untersucht hatten, den Vorwurf zurück, sie hätten auf Anweisung Moskaus die Ursache von Nawalnys plötzlicher Erkrankung verschleiert und den Patienten so lange bei sich behalten, bis mögliche Giftspuren nicht mehr nachweisbar gewesen seien.

Der Politiker war am Samstag nach Berlin geflogen wordenBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Verwirrend waren während es Tages auch Äußerungen aus dem Umfeld Nawalnys: Der Filmproduzent Jaka Bizilj, der den Transport Nawalnys aus Sibirien nach Berlin zur Behandlung in der Charité mit seiner Organisation"Cinema for Peace" organisiert hatte, äußerte die Hoffnung, Nawalny werde seine Erkrankung überleben. Nawalnys Familie entgegnete, sie werde sich nicht selbst zum Zustand des Patienten äußern.

Durch Tee vergiftet?

Nawalny ist einer der schärfsten Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Land selbst. Immer wieder hat er Fälle von Korruption und Luxus-Lebensstil innerhalb der russischen Elite aufgedeckt. Zuletzt war er auf einer Wahlkampftour durch das Land, um den Sieg von regierungsnahen Kandidaten bei Regionalwahlen im September zu verhindern. Auf einem Inlandsflug brach er dann plötzlich zusammen, es heißt, er habe zuvor einen verdächtigen Tee getrunken. Zunächst wurde er in Omsk in Sibirien versorgt, am Samstag dann in die Berliner Charité geflogen, die in vergleichbaren Fällen schon öfter geholfen hat.

 

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