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Politik

Nazanins verhängnisvolle Reise

2. April 2017

Die Britin Nazanin Zaghari-Ratcliffe wurde vor einem Jahr im Iran festgenommen. Dort ist sie inzwischen zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Ihr Ehemann spricht im DW-Interview von einem Fall politischer Justiz.

Ein Demonstrant hält vor der iranischen Botschaft in London ein Foto der im Iran inhaftierten britisch-iranischen Journalistin Nazanin Zaghari-Ratcliffe in die Luft
Bild: Getty Images/C.J. Ratcliffe

Deutsche Welle: Mister Ratcliffe, an diesem Sonntag ist es ein Jahr her, dass Ihre Frau Nazanin Zaghari-Ratcliffe, die einen britischen und einen iranischen Pass hat, im Iran inhaftiert wurde. Wissen Sie inzwischen, warum sie ins Gefängnis gekommen ist?

Richard Ratcliffe: Nazanin wollte zum iranischen Neujahrsfest Nouruz ihre Familie im Iran besuchen. Am 3. April wollte sie zurückfliegen, aber sie wurde am Flughafen von Revolutionsgarden festgenommen. Unsere zweijährige Tochter Gabriella, die mit ihr unterwegs war, wurde zu ihren Großeltern gebracht. In den Medien wurde behauptet, dass Nazanin wegen angeblicher Gefährdung der nationalen Sicherheit angeklagt wird. Aber die genaue Anklage gegen sie wurde nicht veröffentlicht. Nach monatelanger Ungewissheit wurde Nazanin im September zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt.

Hat die iranische Justiz irgendwelche Beweise vorgelegt?

Ehrlich gesagt, es ist immer noch ein Geheimnis, warum sie verhaftet wurde. Ich glaube, Nazanin selbst hat ihre Anklage auch noch nie gesehen. Ihr Anwalt hat eine Kopie bekommen, die durfte er mir aber nicht zeigen oder erläutern. Ein einziges Mal durfte er diese ihrer Familie zeigen. Nazanin wurde demnach angeklagt, Mitglied einer Organisation zu sein, die sich gegen die nationale Sicherheit des Irans richtet. Dabei arbeitet sie für die Thomson-Reuters-Stiftung, die weltweit Journalisten ausbildet.

Nazanin hatte Revision gegen das Urteil eingelegt. Die aber wurde Anfang des Jahres abgelehnt. Mit welcher Begründung?

Die Revision meiner Frau wurde in einer geheimen Anhörung des iranischen Revolutionsgerichts am 4. Januar abgelehnt und am 22. Januar mitgeteilt. Die genauen Anklagen gegen sie sind ein Geheimnis geblieben. Aber zwei neue Anschuldigungen wurden zu ihrer Akte hinzugefügt. Erstens, dass sie an der Anwerbung von Mitarbeitern für das  Farsi-TV-Programm der BBC beteiligt gewesen sein soll, als es 2009 ins Leben gerufen wurde. Das stimmt aber nicht. Meine Frau hat vor vielen Jahren an einem BBC-Trainingsprojekt für Jugendliche in Afghanistan und Iran mitgearbeitet, aber sie hat noch nie für BBC-Farsi gearbeitet. Und der zweite neue Anklagepunkt war, dass sie mit einem britischen Spion verheiratet ist. Sie meinen mich.

Familienfoto aus glücklicheren Tagen: Richard Ratcliffe mit seiner Ehefrau Nazanin und Tochter GabriellaBild: Iran-Emrooz/HRANA

Ist das ein politischer Fall?

Sie haben der Familie meiner Frau gesagt, dass ihr Fall kein normaler Fall sei. Uns haben sie regelmäßig Signale und Nachrichten übermittelt, die klar und deutlich zeigen: Es ist ein politischer Fall. Wir hatten im Sommer eine Botschaft erhalten mit dem Inhalt: Wenn die britische Regierung bereit wäre, den Revolutionsgarden entgegen zu kommen, würden sie die Anklage fallen lassen.

Ihre Frau hat die doppelte Staatsbürgerschaft: Sie besitzt sowohl die britische als auch die iranische Nationalität. Der Iran erkennt aber die doppelte Staatsangehörigkeit nicht an, was am Ende bedeutet, dass die Inhaftierten keine konsularische Unterstützung erhalten können. Haben sie dennoch Unterstützung von der britischen Regierung bekommen?

Die britische Regierung hat es nicht geschafft, sie zu besuchen. Sie haben Gabriella besucht, unsere Tochter in Teheran. Aber nicht Nazanin. Sie sagen, dass sie immer noch bei der iranischen Regierung anfragen, die ihnen aber keine Erlaubnis gebe, Nazanin zu kontaktieren.

Wann haben Sie zum letzten Mal mit Nazanin gesprochen?

Am 18. Februar, vor etwa sechs Wochen. Damals war sie ziemlich krank, sie wurde kurzzeitig in ein Krankenhaus gebracht. Ihr Gesundheitszustand ist sehr instabil. Sie hat ein Problem mit ihrem Hals, ihrem Rücken, ihrer Schulter - und sie hat Panikattacken. Sie müsste eigentlich komplett ins Krankenhaus verlegt werden. Aber die Staatsanwaltschaft hat das noch nicht genehmigt.

Sie ist jetzt mit einigen prominenten politischen Aktivisten im Gefängnis in Kontakt. Bekommt sie Unterstützung von ihnen?

Einen Tag nach Weihnachten wurde sie aus der Einzelhaft zu den anderen Frauen verlegt. Da gibt es wirklich einige beeindruckende Frauen, die Ähnliches durchmachen wie sie. Es gibt einige Bahai-Frauen, die wegen ihres Glaubens verhaftet wurden, es gibt Menschenrechtsaktivistinnen, Journalistinnen. Und es gibt noch andere Ausländerinnen, eine Amerikanerin und eine Britin. Sie kann jetzt mit anderen Frauen über ihre Hoffnungen, ihre Träume und ihre Familien reden - und sie kann ihre Sorgen teilen.

Welche Art von Hilfe wünschen Sie sich für Ihre Frau?

Aus Anlass des Jahrestags ihrer Verhaftung wollen wir  am 2. April in einem Park nördlich von London zusammenkommen, um mit gelben Bändern die "One-Day-Tree"-Kampagne zu starten. Wir werden gelbe Bänder an Bäume im Park binden und Nachrichten für Nazanin und andere weibliche Gefangene im Evin-Gefängnis. Wir werden Ideen sammeln, was eine Gefangene an ihrem ersten Tag in Freiheit machen könnte. Sie werden eines Tages aus dem Gefängnis heraus kommen. Wir wollen sie mit Ideen unterstützen, damit sie so schnell wie möglich zu einem normalen Leben zurück finden. Die Nachrichten werden unter dem Hashtag #FreeNazanin veröffentlicht. Und wer weiß, vielleicht wird Nazanin morgen schon frei gelassen.

Richard Ratcliffe (41) arbeitet als Buchhalter in Fleet bei London. Er ist seit sieben Jahren mit der Projektmanagerin der Thomson-Reuters-Stiftung, Nazanin Zaghari-Ratcliffe, (38) verheiratet.

Das Gespräch führte Shabnam von Hein.

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