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Nazi-Monument oder Denkmal?

1. Juli 2010

Bald beginnt die 12. Architektur-Biennale in Venedig. Am deutschen Pavillon scheiden sich mal wieder die Geister. Nicht wegen seines Inhalts, sondern wegen seiner Fassade. Soll der Nazibau einem Neubau weichen?

Pavillon Biennale Venedig 2008 (Foto: Sigrid Hoff)
Bild: Sigrid Hoff

In deutschen Feuilletons rauscht es wegen dieser Frage ordentlich. Kann es wirklich angehen, dass man unliebsame Geschichte mit der Abrissbirne einfach entsorgt - oder muss man das alles viel pragmatischer sehen: der Pavillon ist für Ausstellungen einfach nicht so gut, wie er sein sollte? Einfache Antworten gibt es nicht. Tatsache ist: egal ob Architektur- oder Kunstbiennale, kein anderer Pavillon erregt dabei so oft die Gemüter wie der deutsche.

Er gilt als Dokument nationalsozialistischer Herrschaft. Errichtet wurde er jedoch bereits 1909 in Gestalt eines antiken Tempels nach Entwürfen des venezianischen Architekten Daniele Donghi. 1938 ließen die Nationalsozialisten das Gebäude im neoklassizistischen Stil umbauen. Der Architekt Ernst Haiger schuf einen Monumentalbau, der dem Geschmack der Zeit wie dem Selbstverständnis des NS-Regimes entsprach. Mancher stört sich daran heute, anderen ist es egal. Das wird auch Ende August wieder so sein, wenn in Venedig zum zwölften Mal die Architekturbiennale eröffnet, die größte Leistungsschau der internationalen Baukunst.

Hans Haackes ZerstörungsversuchBild: picture alliance/dpa

Der deutsche Pavillon steht am südlichen Zipfel der Giardini, den Parkanlagen Venedigs, in denen die verschiedenen Pavillons der Länder stehen, die an der Biennale teilnehmen. Von hier kann man über die Lagune bis zum Markusplatz blicken und hinüber zur Inselkirche San Giorgo mit ihrer beeindruckenden Kuppel. Der deutsche Pavillon schottet sich jedoch von Stadt und Lagune ab. Den Eingang markieren vier mächtige Rechteckpfeiler unter einem schweren Gesims. Dahinter liegt ein hoher Raum, nur durch eine Reihe Oberlichter beleuchtet. 1993 zerschlug der Konzeptkünstler Hans Haacke den Travertinboden der Halle, auf dem sich einst Hitler und Mussolini die Hand reichten. Die Bruchstücke blieben über einander geschoben liegen, "Gescheiterte Hoffnung" nannte Haacke sein Werk.

Herausforderung für Künstler

Nun fordert der Präsident der Bundesarchitektenkammer, Arno Sighart Schmid, gleich den ganzen Pavillon zu beseitigen. Der Bau sei für Ausstellungen, egal ob Kunst oder Architektur, wenig geeignet und in seiner Monumentalität kein Aushängeschild für die demokratische Bundesrepublik. Auch die Kuratorin der kommenden Kunst-Biennale, Susanne Gaensheimer, findet das Gebäude schwierig. Die Direktorin des Frankfurter Museums für Moderne Kunst glaubt jedoch, die Nazi-Ästhetik sei kein Hinderungsgrund, hier zeitgenössische Kunst zu zeigen. "Man muss zwischen der Architektur und dem, was in ihr passiert, differenzieren. Es gab hervorragende Beispiele von sehr guten Kunstwerken in diesem Pavillon", betont die Kunstwissenschaftlerin.

Bild: Sigrid Hoff

Für die Architekturbiennale 2006 gab das Berliner Büro Grüntuch und Ernst aus Berlin Anregungen, wie man das Haus neu interpretieren könne. Sie errichteten eine signalrote provisorische Treppe, die vom Innenraum durch ein Fenster aus dem Gebäude heraus bis auf das Dach führte. Erstmals konnte man die Terrasse betreten und den Blick auf Venedig genießen. "Das war ein Versuch, das Image dieses Gebäudes positiv zu überlagern, und zu erweitern", erklärt Architektin Almut Ernst. Ein gutes Beispiel, stimmt der Kammerpräsident zu, doch keines, das sich seiner Meinung nach wiederholen lässt: "Unsere heutige Republik als Bauherr sollte sich in ihrem Selbstverständnis anders präsentieren als mit diesem Pavillon", bekräftigt er seine Forderung nach einem Neubau.

Phantasielos und Geschichtsvergessen

Bild: Sigrid Hoff

Susanne Gaensheimer hat den Performance-Künstler Christoph Schlingensief eingeladen, den Pavillon 2011 zu gestalten. Er wird dieser Tage als Abriss-Befürworter mit der Bemerkung zitiert, er wolle das Nazi-Monument mit einem Knopfdruck wegklicken. Doch liest man seinen Blog, entsteht ein anderes Bild: Schlingensief mokiert sich über die Abrissforderung, die er als ähnlich geschichtsvergessen bezeichnet wie die Rekonstruktion des Berliner Schlosses. Die Idee der Planierraupe sei phantasielos und zeuge von dem Wunsch nach schnellen Lösungen. Tatsache. wollte man alle mit faschistischer Ästhetik kontaminierte Bauten abtragen, gäbe es sowohl in Italien wie auch in Deutschland viel zu tun. Die Geschichtsferne der Bundesarchitektenkammer ist erstaunlich. Schließlich gab es erst vor zwei Jahren eine Biennale, die sich mit "Bauen im Bestand" beschäftigte. Sie trug den vielversprechenden Titel: Updating Germany. Das gilt auch für den Deutschen Pavillon in Venedig.

Autorin: Sigrid Hoff

Redaktion: Marlis Schaum