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Nein zu Porno und Prostitution!

7. Februar 2002

- Das sibirische Irkutsk soll "sauber" werden

Moskau, 7.2.2002, THE MOSCOW TIMES, engl., Swetlana Korkina

Die Menschen haben die Nase voll. Empörte Bürger im Kern des Landes, die sich darüber beschweren, von allen Seiten mit schmutzigen Texten und Darstellungen nackter Frauen bombardiert zu werden haben beschlossen, etwas dagegen zu tun. Nur, es handelt sich nicht um den American Bible Belt (christlich-konservativ geprägte Staaten der USA - MD). Es handelt sich um Sibirien.

Neuerdings hat sich die Stadt Irkutsk entschlossen, eine Gruppe zur Kontrolle der Moral ins Leben zu rufen, die nach den Worten von Gesetzgebern der Stadt die Kinder und Teenager vor Prostitution, Pornografie, vor Sex- und Gewaltfilmen, ja sogar vor dem Petersburger Balletttänzer und schillernden Popstar Boris Moissejew schützen soll.

"Irkutsk ist nach Moskau und Sankt Petersburg wohl die korrupteste Stadt", sagt Filipp Makarow, Ko-Initiator einer Petition der Irkutsker Stadtduma, die die Bildung eines Komitees zum Schutz der Moral gebilligt hat.

In der von 700 Bewohnern unterzeichneten Petition wird vor "zügelloser Unmoral, Vulgarität und Zynismus" in der ostsibirischen Stadt gewarnt, in der etwa 650 000 Menschen leben. "Nach der Erörterung der Petition waren alle 15 Abgeordneten der Stadtduma der Ansicht, dass das Problem ernst ist und erklärten es für notwendig, ein Komitee zum Schutz der Moral zu gründen", so der Abgeordnete Michail Kornew, ein weiterer Initiator der Petition, in einem telefonischen Interview. Das Komitee werde Ende dieses Monats stehen und seine Tätigkeit aufnehmen, erklärte Kornew am Mittwoch. Obwohl die Stadtduma mit dem Komitee einverstanden gewesen sei, fuhr er fort, habe es den Anschein gehabt, dass nicht alle politischen Parteien seine Ansicht teilten, warum es notwendig sei und ob überhaupt. Witalij Kamyschew, der Leiter des Irkutsker Verbandes der liberalen Partei "Jabloko", erklärte, Kornew sei ein "extremer radikaler Nationalist" mit eigenen Zielen. "Dies ist kein Kampf für die Moral. Der Kampf für die Moral ist für sie lediglich ein Vorwand, ihre Rivalen, das heißt den westlichen Einfluss und die liberale Ideologie, anzugreifen. Es ist ganz einfach ein politischer und religiöser Kampf", sagte er.

In der Petition wird dargelegt, worin die besorgten Bürger einen Mangel an Moral sehen. "Unzählige Händler, Kioske und Geschäfte verkaufen pornografische Zeitungen und Zeitschriften mit buchstäblich teuflischen Inhalten", ist in der Petition zu lesen. "Im Fernsehen werden zunehmend billige westliche und einige Moskauer Filme gezeigt, die voll sind mit Gewalt, Sex, Grausamkeiten, die das Zusammenwirken böser Kräfte, Korrumpierbarkeit, Habgier, sinnliche Begierde, Hass, die Verachtung des eigenen Landes zum Inhalt haben und die amerikanische Lebensweise nach dem Motto "Wie du mir, so ich dir" propagieren. "In vielen Nachtclubs, Diskotheken und anderen Vergnügungsstätten herrscht einfach das Laster. Es wird zum Trinken, zu Drogenkonsum, zu Sex und zu offenen Obszönitäten ermutigt."

Makarow, der die Unterschriften sammelte, sagte, die meisten Unterzeichner seien im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Er selbst bezeichnet sich als Anhänger von Kornews Partei Regionale Patriotische Einheit der Jugend und als Mitglied der orthodoxen Kirche.

Dem Komitee sollen 15 Mitglieder angehören, darunter sechs Abgeordnete der Stadtduma und Vertreter lokaler öffentlicher und kultureller Gruppen wie Lehrer, Ärzte, Anwälte und Repräsentanten der orthodoxen Kirche. Seine Arbeit wird sich nur auf die Stadt Irkutsk erstrecken und nicht auf die gesamte Region. Zu seinen Aufgaben wird es gehören, den Verkauf pornografischer Schriften in der Nähe von Schulen und Kindergärten zu unterbinden und die Sex-Werbung in den lokalen Medien zu beschränken. Es wird sich auch mit Bürgerbeschwerden befassen und auf ein lokales Moral-Gesetz hinarbeiten. Der nächste Schritt wird dann sein, der Staatsduma ein föderales Gesetz zum Schutz der Moral vorzuschlagen, erklärte Kornew. Es werden Expertenräte gebildet werden, die Zeitungen, Zeitschriften und andere Publikationen überprüfen und Empfehlungen unterbreiten, ob deren Verkauf in Irkutsk eingeschränkt werden soll. Als Beispiel für pornografische Publikationen, deren Verkauf eingeschränkt werden sollte, nannten die Initiatoren des Komitees die Zeitschriften INTIM, WNE SAKONA, die Zeitung SCHOLTAJA GASETA sowie SPEED-INFO, eine monatlich erscheinende Sport- und Freizeitzeitung mit einer Auflage von über 3,5 Millionen Exemplaren.

Der Stellvertretende Chefredakteur des Verlagshauses S-Info, der SPEED-INFO herausgibt, erklärte, diese Zeitung, die Fotos spärlich bekleideter Frauen veröffentliche, verstoße gegen keinerlei Gesetz. "Nach dem Gesetz ist SPEED-INFO weder eine erotische noch eine pornografische Zeitung", sagte er. "Die Zeitung gilt als beliebte wissenschaftliche Publikation. Möglicherweise sind einige regionale Behörden anderer Ansicht, aber man sollte sich nach dem Gesetz richten."

Gefordert wird in der Petition auch ein Verbot von Auftritten wie der des Petersburger Männerballetts von Walerij Michajlowskij und von Moissejew, da sie "kranke Leute" seien. Kornew sagte, das Komitee plane keinerlei Proteste gegen derartige Auftritte, es werde jedoch nicht zögern, seinen Standpunkt offen zu äußern. "Nach dem Gesetz haben wir kein Recht, irgendwelche Verbote auszusprechen, aber mit Hilfe des Komitees wollen wir ein Wort mitreden und unseren Standpunkt dazu äußern", sagte er.

Moissejew bezeichnete diese Absichten als "Heuchelei" und als "Beweis für ein krankes Hirn". "Diese Leute akzeptieren nicht die Kunst und Kultur unseres Landes", erklärte er in einem Telefoninterview. "Das ist sehr traurig. Leute, die die Persönlichkeit des Künstlers und seine Art, sich auszudrücken angreifen, tun mir leid."

Ähnliche Komitees und Gesetze zum Schutz der Moral gibt es bereits in Krasnojarsk und im Altaj. Das Komitee zum Schutz der Moral im Altaj, das 1999 ins Leben gerufen wurde, ist das einzige Organ im Altaj, das bei Strafverfahren um fachmännischen Rat über "Erzeugnisse erotischen und pornografischen Inhalts" gebeten wurde, so seine Vorsitzende Nina Danilowa. (...)

"Nach dem Gesetz dürfen Schriften erotischen Inhalts in Kiosken nicht offen ausgelegt werden, so dass sie für jeden sichtbar sind. Sie dürfen sie verkaufen, aber nicht offen auslegen", so Danilowa. "Wir haben die Verkäufer darauf hingewiesen. Es gibt Fälle, da Geldstrafen verhängt worden sind und mit einigen Fällen befassen sich die Gerichte." (...) (TS)