Neonicotinoide sind als "Bienenkiller" verrufen. Fünf der hochwirksamen Pestizide sind ab Samstag für den Freiland-Einsatz in Frankreich verboten. Damit geht das Land einen Schritt weiter als die EU - aber weit genug?
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Ende April hatte die EU bereits ein Neoticontinoid-Verbot beschlossen. Drei Pestizide aus dieser Wirkstoffgruppe wurden für den Einsatz im Freiland auf die schwarze Liste gesetzt: Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam. Diese Stoffe sind in vielen Pflanzenschutzmitteln enthalten. Zum Stichtag 19. Dezember 2018 sind diese Wirkstoffe EU-weit verboten. Frankreich geht allerdings noch einen Schritt weiter: Bereits 2016 hatte das Parlament ein Biodiversitätsgesetz verabschiedet. Dieses verbietet nun ab dem 1. September 2018 auch den Einsatz zweier weiterer Neonicotinoide im Freiland: Thiacloprid und Acetamiprid. Diese beiden Mittel bleiben zum Beispiel in Deutschland vorerst weiter erlaubt.
Neonicotinoide gehören zu den meist genutzten Pestiziden der Welt, sie kommen auf Weinstöcken, Obstbäumen und Feldern zum Einsatz. Die Mittel töten aber nicht nur Blattläuse, Holzwürmer und andere Schädlinge, sondern setzen auch Bienen und Hummeln schwer zu: Sie schwächen ihr Immunsystem, stören die Orientierung und beeinträchtigen die Fortpflanzung, wie Umweltschützer bereits seit Jahren beklagen. In höheren Dosen töten sie die Bienen sogar.
Nach der neuesten Studie entwickeln Hummeln sogar eine Abhängigkeit von Nahrung, die mit Neonicotinoiden behandelt wurde. Durch dieses Suchtverhalten sind die wichtigen Bestäuber wesentlich gefährdeter als bisher angenommen.
Unsere armen Bienen
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Verbot ≠ Verbot
Seit Jahren gehen französischen Imkern im Winter durchschnittlich 30 Prozent ihrer Bienenbestände verloren. Mit dem Verbot der fünf Umstrittenen Wirkstoffe möchte Frankreich dem entgegenwirken. Tier -und Umweltschützer allerdings sind mit diesem Vorgehen nicht ganz zufrieden. Denn von den Verboten sind bis 2020 auf Antrag Ausnahmen möglich. Zudem dürfen die umstrittenen Mittel in Gewächshäusern sowie in Produkten wie Zeckensprays für Katzen weiter eingesetzt werden. Und es wurden neue Insektizide genehmigt, die ebenso schädlich sein sollen.
Von einem "Loch im Schläger" spricht deshalb François Veillerette vom Umweltverband Générations Futures. "Junge Kinder oder schwangere Frauen solchen neurotoxischen Produkten auszusetzen ist keine gute Nachricht für das menschliche Hirn", betont er. Allerdings räumt er ein, dass es keine wissenschaftlichen Belege für die Notwendigkeit eines weiterreichenden Verbotes gibt.
Auch Forscher sehen das Gesetz mit gemischten Gefühlen. "Jedes Insektizid kann Bienen töten", betont Axel Decourtye, wissenschaftlicher Leiter des Bienen-Instituts in Paris. Für Landwirte oder Hobbygärtner müssten deshalb Alternativen zu schädlichen Mitteln gefunden werden. Doch auch deren Unbedenklichkeit ist noch fraglich.
Aber auch gegen andere Feinde der Bienen wie Krankheiten oder Parasiten müsse vorgegangen werden, sagt Decourtye. Mit einem ganz einfachen Mittel könne man allerdings jeder Biene helfen, sagt der Forscher: "Wir müssen wieder mehr Blumen pflanzen."
hf/fs (afp)
Bienen: Was bleibt uns ohne sie?
Eine Welt ohne Bienen? Unvorstellbar. Sie werden sich wundern, wie sehr wir von den fleißigen Insekten abhängig sind und wie leer unsere Supermarktregale ohne ihre Hilfe wären. Eine Bestandsaufnahme zum Weltbienentag.
Bild: picture-alliance/dpa/U. Anspach
Zuckersüße Kristalle
Was hier zu sehen ist, kommt uns allen vermutlich als erstes in den Sinn, wenn wir an Bienen denken: Honig. Hier wurden in 100-facher Vergrößerung und mithilfe von polarisiertem Licht die Zuckerkristalle sichtbar gemacht. Für ein Glas Honig müssen Bienen etwa 450.000 bis drei Millionen Blüten besuchen.
Bild: Imago/Chromorange
Gähnende Leere
Was vielen jedoch nicht so richtig bewusst ist: Der pure, klebrige Honig im Glas ist nur ein winzig kleiner Teil vom Produktionsspektrum der Bienen. Diese symbolische und werbewirksame Aktion eines Supermarkts sollte das kürzlich deutlich machen. Dabei wurden 60 Prozent der Artikel aussortiert. Sämtliche Produkte, die es ohne die fleißigen Insekten nicht geben würde. Es blieben leere Regale.
Bild: Penny/Rewe Group
Bienen Know-how
Und vor allem: Biene nicht gleich Biene. Eine Wildbiene stellt zum Beispiel keinen Honig her, ist aber eine besonders effiziente Bestäuberin - und insbesondere um sie geht es, wenn vom Bienensterben die Rede ist. Auch Hummeln zählen zu den Wildbienen-Arten. Honigbienen haben dagegen weniger Grund zu Sorge, da sie Nutztiere sind - und Bienenstöcke von Menschen gehalten werden.
Bild: picture-alliance/dpa/U. Anspach
(K)ein Apfel pro Tag
Und natürlich gibt es auch noch andere Bestäuber neben Bienen - Schmetterlinge, Fliegen oder Vögel zum Beispiel. Aber rund ein Drittel von unserem Obst und Gemüse sind von der Bestäubung durch Bienen abhängig. Dazu gehören beispielsweise Äpfel, Birnen, Erdbeeren, Gurken. Und darauf würden wir alle nur ungern verzichten, oder?
Bild: picture-alliance/dpa/F.Rumpenhorst
Kleine Warenkunde
Aber zurück in den Supermarkt. Es ist offensichtlich, dass hier ohne Bienen nicht nur die Obst- und Gemüseregale leer bleiben. Darüber hinaus fehlen all die Lebensmittel, die den Zusatzstoff E 901 beinhalten, was der europäischen Zulassungsnummer von Bienenwachs entspricht. Von solchen Produkten gibt es eine ganze Menge.
Bild: Penny/Rewe Group
Multifunktional
Derzeit ist Bienenwachs aus der Lebensmittelindustrie nicht mehr wegzudenken. Es kommt zum Beispiel - wie hier - als Überzugs- und Trennmittel von Fruchtgummi zum Einsatz, damit die Gummibärchen nicht alle aneinanderkleben - ein Glück! Das gleiche gilt für eine ganze Reihe anderer Süß- und Backwaren.
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Hübsch und haltbar
Und warum unsere Schokolade oft so schön aussieht? Nicht, weil wie hier Insekten darauf drapiert sind. Aber auch hier gilt der Dank den fleißigen Bienen oder E 901, das Schokolade hübsch glänzen lässt. Auch Obst und Gemüse ist oft als "gewachst" deklariert, damit es weniger Feuchtigkeit verliert und länger haltbar bleibt - und appetitlich(er) aussieht.
Apropos Schokolade: Ohne Bienen wird es die auch nicht mehr in Hülle und Fülle geben, denn auch hier leisten unsere Bienen bei der Bestäubung ganze Arbeit. Im Notfall bliebe nur die äußerst mühsame und viel ineffizientere Bestäubung per Hand. Das gleiche gilt übrigens für Nüsse.
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Koffeeinkick für alle
Nicht nur wir Menschen, auch Bienen stehen auf Koffein, das hat ein Experiment mit koffeeinfreiem und koffeeinhaltigem Zuckerwasser gezeigt. Dabei suchten die fleißigen Insekten selbst nach dem Versiegen der Quelle noch unentwegt nach einem Koffeeinkick. Gleichzeitig sorgen Bienen durch Bestäubung aber auch für unseren (hoffentlich) nie versiegenden Vorrat an Kaffeebohnen.
Bild: Deutscher Kaffeeverband e.V.
Verlorene Vielfalt
Wie viele Produkte dank der Bemühung der Bienen in unserem Einkaufswagen landen, lässt sich trotzdem nur schwer aufzeigen - da zu den eben genannten Artikeln zum Beispiel diverse Gewürze, Marinaden, Milchprodukte oder sogar Toilettenpapier mit Kamillenblütenduft hinzukommen. Wovon wir zum Teil womöglich weniger abhängig sind als von Obst und Gemüse....
Bild: picture-alliance/dpa/A. Dedert
Ein Hoch auf unsere Bienen!
Dennoch wird deutlich, wie sehr wir von der harten Arbeit der Tiere profitieren und dass wir uns ohne die tatkräftige Unterstützung der Insekten ganz schön umstellen müssten. Nicht nur am Weltbienentag sollten wir ihnen deshalb Tribut zollen.
Bild: picture-alliance/dpa/F. Rumpenhorst
Wie helfen?
Zum Schutz der Bienen geht es nicht nur um eine möglichst zurückhaltende Nutzung von Pestiziden durch die Landwirtschaft. Auch Sie können etwas tun, um die Tiere zu schützen: Insektenhotels dienen Bienen als Nist- und Überwinterungsmöglichkeit, Blumen im Balkonkasten und Obstbäume auf der der Wiese sind eine sichere Nahrungsquelle.