Seit 2023 ist die Ehe für alle in Nepal möglich. Doch LGBTQ+-Paare stehen weiterhin vor zahlreichen rechtlichen Hürden.
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Nirmala und Milan Bastola feiern dieses Jahr ihr silbernes Jubiläum als gleichgeschlechtliches Paar. Sie kommen aus Mangalpur, einem kleinen Dorf in Chitwan, fast 190 Kilometer südlich der Hauptstadt Kathmandu. Das Paar sah sich mit enormen Herausforderungen und sozialem Druck konfrontiert, als es um die Anerkennung ihrer Beziehung kämpfte. "Es war jede Anstrengung wert. Es gab Entmutigung, aber wir konzentrierten uns mehr auf die Unterstützung, die wir von unseren Freunden und unserer Familie erhielten", sagte Milan, ein Transgender-Mann, gegenüber DW.
Das Paar adoptierte 2009 ein neugeborenes Kind und hatte jahrelang das Gefühl, dass alles nach Plan lief. Doch ihr Leben wurde vor zwei Jahren durcheinandergebracht, als ihre Tochter für die Schule eine Geburtsurkunde brauchte. Diese zu bekommen war ein harter Kampf, und sowohl Nirmala als auch Milan mussten monatelang bei Behörden vorsprechen. Nach einem mühsamen und komplizierten Verfahren stellten die Behörden eine Geburtsurkunde aus. Milan wurde jedoch nur als "Vormund" aufgeführt. Da die Ehe des Paares nicht rechtlich anerkannt war, konnten sie nicht als Eltern ihres Adoptivkindes betrachtet werden, sagten Beamte.
Nepal: Wenn Mama mit die Schulbank drückt
In Nepal können nur 57 Prozent der Frauen lesen und schreiben. Auch Parwati Sunar verließ früh die Schule und bekam mit 16 ihr erstes Kind. Jetzt will sie ihre Ausbildung nachholen - in derselben Schule wie ihr Sohn.
Bild: Navesh Chitrakar/REUTERS
Zwei-Zimmer-Wohnung
Die 27 jährige Parwati Sunar lebt in einem Haus mit Blechdach, das zwei Zimmer hat und aus unverputzen Ziegelsteinen besteht. Die Unterkunft teilt sie sich mit ihren Söhnen Resham (11) und Arjun (7) und ihrer Schwiegermutter. Ihr Ehemann arbeitet als Hilfsarbeiter in der südindischen Stadt Chennai.
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Frei-Bad mit Pumpe
Da ihr Haus weder fließendes Wasser noch eine Toilette besitzt, gehört es zum täglichen Ritual der Familie, sich morgens vor dem Haus an der Wasserpumpe zu waschen. Ihre Notdurft verrichten sie auf einem angrenzenden Feld.
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Gemeinsamer Schulweg
Nach dem Ankleiden und einer einfachen Mahlzeit aus Reis und Linsen macht sich Sunar gemeinsam mit ihrem ältesten Sohn Resham (re.) auf den Weg zur Schule. Sie benötigen ungefähr 20 Minuten für den Weg. Resham hat kein Problem damit, gemeinsam mit seiner Mutter zur Schule zu gehen: "Wir unterhalten uns auf dem Weg und lernen aus unseren Gesprächen", sagt der Elfjährige gegenüber Reuters.
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Die Klassenälteste
Sunar geht in die siebte Klasse der Dorfschule von Punarbas im Südwesten von Nepal. Es mache Spaß, mit ihr in eine Klasse zu gehen, sagt der 14-jährige Bijay. "Didi ist sehr nett", fügt er hinzu, wobei er den nepalesischen Begriff für eine ältere Schwester verwendet. "Ich helfe ihr beim Lernen und sie hilft mir".
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Großes Sitzfleisch auf der Schulbank
"Sie macht das toll", sagt Shruti, die in die zehnte Klasse geht, über Sunar. "Ich denke, mehr Frauen sollten es ihr gleichtun." Offiziellen Angaben zufolge besuchen 94,4 Prozent der Mädchen in Nepal die Grundschule, aber fast die Hälfte von ihnen brechen die Schule wieder ab, weil sie zum Einkommen der Familie beitragen müssen. Sunar aber will durchhalten.
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Bits and bikes
Nach der Schule legen Sunar und ihr Sohn Resham die Schuluniform ab, springen auf ihr Fahrrad und fahren gemeinsam zum New World Vision Computer Institute, wo sie einen Computerkurs besuchen - als Vorbereitung auf einen möglichen zukünftigen Bürojob.
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Neustart ins Arbeitsleben
"Ich genieße das Lernen und bin stolz darauf", sagt Sunar. Heute bereut die 27-Jährige es, als Teenagerin die Schule abgebrochen zu haben. Nun hat sie ihren Job als Hausmädchen im benachbarten Indien bewusst aufgegeben und möchte ihre verpasste Ausbildung nachholen - Computerkenntnisse inklusive.
Bild: Navesh Chitrakar/REUTERS
Fernbeziehung per Mobiltelefon
Sunars Mann arbeitet als Hilfsarbeiter im über 2000 Kilometer entfernten Chennai in Südindien. Er unterstützt die Familie, aber sie sehen sich selten. Oft sind Videoanrufe die einzige Möglichkeit, den Kontakt zu halten. Die Familie gehört der Gemeinschaft der Dalit an - der untersten hinduistischen Kaste der "Unberührbaren".
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Und was kommt nach Schulschluss?
Sunar sitzt abends vor ihrem kleinen Ziegelhaus in Punarbas. Was nach der Schule kommt? Sunar weiß es noch nicht. Im Moment sei ihr einziger Gedanke, die Schule abzuschließen. Aber sie hofft, dass sie nicht die Einzige ist, sondern weitere Frauen im ländlichen Nepal ihrem Beispiel folgen und ihre abgebrochene Schulbildung wieder aufnehmen.
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Diese schmerzliche Erfahrung machte ihnen Angst, in Zukunft mit weiteren Problemen konfrontiert zu werden. "Bis dahin hatten wir gelebt, wie wir wollten. Wir hatten nie das Bedürfnis nach Papierkram. Doch nach diesem Vorfall erkannten wir den Wert eines einzigen offiziellen Dokuments", sagte Milan.
Behörden zögern
Nepal ist das erste Land in Südasien, das gleichgeschlechtliche Ehen rechtlich anerkennt. Dieser Fall zeigt aber, dass das Land noch einen langen Weg vor sich hat, um der LGBTQ+-Gemeinschaft gleiche Rechte zu gewährleisten.
Im Jahr 2007 hatte der Oberste Gerichtshof des Landes die Regierung angewiesen, bestehende gesetzliche Bestimmungen zu ändern, um gleichgeschlechtliche Ehen zuzulassen. Doch aufeinanderfolgende Regierungen haben es versäumt, die erforderlichen Gesetze zu verabschieden.
Im Juni 2023 ordnete das Oberste Gericht dann an, dass die Verwaltung einen "Übergangsmechanismus" und ein "vorläufiges Register" für gleichgeschlechtliche Ehen einrichten solle, bis die bestehenden Ehegesetze geändert werden könnten. Nach dem Urteil reichten Surendra Pandey, ein Cisgender-Mann, und Maya Gurung, eine Transgender-Frau, beim Bezirksgericht Kathmandu eine Petition ein, in der sie die rechtliche Anerkennung ihrer Ehe forderten.
2017 heirateten Pandey und Gurung in einer hinduistischen Hochzeitszeremonie. Das Paar hatte erwartet, dass der Registrierungsprozess reibungslos verlaufen würde. Doch sowohl das Bezirksgericht Kathmandu als auch ein anderes Obergericht lehnten die Registrierung der Ehe mit der Begründung ab, dass das Bundesgesetz nur die Registrierung heterosexueller Paare erlaube. Dies geschah trotz des Urteils des Obersten Gerichtshofs.
Lange und harte Kämpfe um die Anerkennung
Die Gerichte stützten ihre Urteile auf das Zivilgesetzbuch Nepals, das die Ehe als eine Verbindung zwischen Mann und Frau definiert. Das Urteil des Obersten Gerichtshofs hatte versucht, dies zu umgehen, indem es ein vorläufiges Register bis zur Änderung des Gesetzes einführte, aber die lokalen Behörden behaupteten, dass das nationale Gesetz geändert werden müsse, bevor sie die Ehe von Pandey und Gurung anerkennen würden.
Nach einem langen, harten Rechtsstreit registrierten die Behörden ihre Ehe, wodurch Pandey und Gurung das erste gleichgeschlechtliche Paar in Nepal wurden, dessen Ehe offiziell anerkannt wurde. "Niemand wird in der Lage sein, das Maß an Stress auszugleichen, das wir während des Prozesses der offiziellen Anerkennung unserer Ehe ertragen mussten", sagte Pandey gegenüber der DW. "Irgendwann wollten wir aufgeben. Aber wir haben es als Bewegung betrachtet, nicht nur für uns, sondern für die gesamte LGBTQ+-Community. Wir mussten viel Zeit, Geld und Mühe aufwenden, um es zu bekommen, obwohl es ein grundlegendes Recht ist", fügte Pandey hinzu.
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Aufruf zu politischem Handeln
Trotz der juristischen Erfolge sind Rechtsgruppen der LGBTQ+ der Meinung, dass dringend parlamentarische Maßnahmen erforderlich sind, um Gesetze zu erlassen, die verschiedene Aspekte gleichgeschlechtlicher Ehen regeln. Dazu gehören gemeinsames Eigentum, Erbschaft, Kindesadoption, Scheidung und Vormundschaft im Falle einer Trennung.
Sie fordern auch eine Änderung des Zivilgesetzbuchs, das die Ehe derzeit als eine Verbindung zwischen Mann und Frau definiert. Sarita KC, eine LGBTQ+-Aktivistin, sagte, dass diese Definition "eines der größten Hindernisse für die Anerkennung von LGBTQ+-Paaren ist, da sie die Ehe zwischen zwei 'Individuen‘ unabhängig von ihrem Geschlecht und ihrer sexuellen Orientierung nicht behandelt."
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Sujan Panta, ein Anwalt, stimmte dieser Ansicht zu. "Um diese Probleme anzugehen, sollte die nepalesische Regierung entweder separate Gesetze für Geschlechter- und sexuelle Minderheiten erlassen oder der Oberste Gerichtshof sollte die Definition der Ehe und die damit verbundenen Bestimmungen ändern", sagte er. Der Anwalt merkte an, dass das Urteil des Obersten Gerichtshofs im vergangenen Jahr ein ermutigender Schritt war, aber nur den Beginn einer Veränderung markierte.
Gesellschaftlicher Wandel seit dem Gerichtsurteil
Trotzdem sagen Pandey und Gurung, dass sich die gesellschaftliche Einstellung ihnen gegenüber seit der Registrierung ihrer Ehe geändert hat. "Die Gesellschaft, die uns vorher gehasst hat, feiert jetzt unsere Ehe. Das ist die größte Veränderung, die das Gerichtsurteil bewirkt hat", sagte Gurung und fügte hinzu, dass sie froh ist, dass die Leute aufgehört haben, ihre Beziehung in Frage zu stellen und begonnen haben, sie zu akzeptieren.
"Früher war es schwierig, unsere Beziehung zu erklären und Vermieter davon zu überzeugen, uns eine Wohnung zu vermieten. Die Leute haben uns angestarrt und getratscht. Wir mussten sie ignorieren. Jetzt können wir spüren, wie sehr sich die öffentliche Einstellung geändert hat."
Nirmala und Milan Bastola fordern auch ein Gesetz, das die elterlichen Rechte anerkennt. "Wir möchten die gleichen Rechte genießen wie jedes andere heterosexuelle Paar. Am wichtigsten ist uns ein Gesetz, das uns als Eltern anerkennt", sagte Milan.
Aus dem Englischen adaptiert von Shabnam von Hein.
Nepal: Wie der Klimawandel die Tradition der Honigjäger bedroht
Der Klimawandel bedroht weltweit die Bienenpopulation und somit die Honigernte. Besonders deutlich wird die Entwicklung in Nepal bei den Honigjägern des Himalaja.
Bild: Navesh Chitrakar/Reuters
In schwindelnden Höhnen
Aita Prasad Gurung baumelt an einer Felswand nahe der Gemeinde Taap im zentralnepalesischen Bezirk Lamjung. Er schneidet vorsichtig mit einer Klinge, die an einer langen Stange befestigt ist, durch eine große Honigwabe. Doch die Tradition der Honigjäger, wie sie genannt werden, ist in Gefahr.
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Wildbienen auf dem Rückzug
Untersuchungen zeigen, dass der Klimawandel die Populationen der Bienen und Blüten auf der ganzen Welt verändert. In Nepal wird es deutlich: Seit Generationen durchkämmen Mitglieder der Gurung-Gemeinde, ein Volk tibetischer Abstammung, die steilen Himalaya-Felsen nach Honig. Die Ausbeute wird von Jahr zu Jahr geringer.
Bild: Navesh Chitrakar/Reuters
Kollegen genau im Blick
Zum Schutz vor den Kliffhonigbienen tragen die Männer der Gruppe einen Bakhu - eine Art Schal oder Poncho, den die Frauen im Dorf aus Schafwolle herstellen. Einer der Männer sagt. "Vergangenes Jahr gab es etwa 35 Bienenstöcke. Jetzt haben wir kaum noch 15." Wo vor zehn Jahren noch etwa 600 Kilogramm Honig geerntet wurden, kommt man heute nur noch auf 100 Kilo.
Bild: Navesh Chitrakar/Reuters
Handarbeit von Anfang an
Ganz ungefährlich ist der Job nicht. Bambus wird in lange, dünne Streifen geschnitten und zu Hängeleitern verarbeitet, auf denen sich die Honigjäger in gefährliche Höhen hängen. "Es besteht eine große Sturzgefahr", sagt Aita. Die Jäger sind sich auch bewusst, welchen Schaden sie bei den Bienen mit der Ernte anrichten: Immerhin verlieren die Tiere dabei ihr Heim samt Vorräten und Nachwuchs.
Bild: Navesh Chitrakar/Reuters
Opfergabe und Schuldbewusstsein
Vor jedem Jagdausflug führen die Jäger deswegen ein fast einstündiges Ritual durch. Sie bitten darin um göttlichen Segen und entschuldigen sich dafür, dass sie den Bienen etwas nehmen müssen. Zur Wiedergutmachung opfern sie beispielsweise einen Hahn und geben auch Eier oder Reis als Gaben.
Bild: Navesh Chitrakar/Reuters
Bienen vertreiben
Durch Rauch, der durch das Verbrennen von Blättern und kleinen Ästen erzeugt wird, sollen die Bienen von ihrer Wabe (links) vertrieben werden. Auch die Honigjäger, die schon länger dabei sind, können empfindlich auf die Stiche der Felsenbienen reagieren, die in Panik Gebrauch von ihrem Stachel machen.
Bild: Navesh Chitrakar/Reuters
Berufsrisiko
Den 18-jährigen Bashanta Gurung hat es erwischt. Durch Bienenstiche hat sein Kreislauf schlapp gemacht und die Männer bringen ihn an einen sicheren Ort. Berufsrisiko. Zwar schützen sich die Honigjäger notdürftig mit Netzhüten oder auch einfach nur mit grobmaschigen Plastiksäcken über dem Kopf, über eine vollständige Imkerausrüstung verfügen sie aber nicht.
Bild: Navesh Chitrakar/Reuters
Fragiles Leben
Neben den Honigjägern macht vor allem das Klima den Bienen zu schaffen. Wetterkapriolen haben in den vergangenen zehn Jahren die Blütezeit in ganz Nepal unterbrochen. "Honigbienen sind sehr empfindlich und anfällig für hohe und niedrige Temperaturen, sie sterben ziemlich leicht" sagt Sundar Tiwari, Professor für Entomologie an der Land- und Forstwirtschaftsuniversität (AFU) in Chitwan.