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Nervenkrieg

17. Oktober 2006

Wahlkrimi in der UNO: Nach zehn Wahlgängen hat sich in der Vollversammlung keine Mehrheit für den Vertreter Lateinamerikas im Sicherheitsrat abgezeichnet. Das Gezerre ist ein Machtkampf zwischen Venezuela und den USA.

Guatemalas Außenminister Gert Rosenthal wirft einen Stimmzettel in eine Urne, die ihm eine junge Frau hinhält
Und noch einmal: Guatemalas Außenminister Gert Rosenthal beim fünften WahlgangBild: AP
Glückwünsche für Südafrikas Botschafter Dumisani KumaloBild: AP

Venezuela oder Guatemala - die UN-Vollversammlung hat sich tief gespalten darüber gezeigt, wer vom kommenden Jahr an den frei werdenden lateinamerikanischen Sitz im Weltsicherheitsrat erhalten soll. In zehn Wahlrunden gab es am Montag (16.10.) keine Einigung, die Abstimmung wurde auf den heutigen Dienstag vertagt. Reibungsloser ging die Wahl der anderen zur Disposition stehenden Sitze vonstatten: Südafrika, Indonesien, Italien und Belgien ziehen am 1. Januar für zwei Jahre in den Sicherheitsrat ein.

Angst vor einer "Störung" durch Venezuela

Die Neubesetzung des lateinamerikanischen Sitzes gilt als Machtkampf zwischen den USA und dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez. Mit intensiver Lobbyarbeit hatte der amerikanische UN-Botschafter John Bolton zu verhindern versucht, dass Venezuela Nachfolger von Argentinien wird. Zuletzt kam Guatemala auf 110, Venezuela auf 77 Stimmen. Der argentinische UN-Botschafter César Mayoral äußerte "Befremden" darüber, dass die Stimmanteile stark schwankten. Im sechsten Durchgang waren auf Guatemala und Venezuela jeweils 93 Stimmen entfallen.

Guatemala habe eine "klare Mehrheit" erzielt, sagte Bolton nach den Wahlgängen. Die USA unterstützten Guatemala, weil es noch nie im Sicherheitsrat vertreten gewesen sei und weil es sich an mehreren Friedenseinsätzen der UNO beteilige, sagte Bolton. Bolton rechtfertigte die Ablehnung Venezuelas zudem damit, dass die Arbeit des Sicherheitsrats nicht "gestört" werden solle.

"Gegen die Eigentümer des Universums"

Die UN-Vollversammlung bei der Wahl am MontagBild: AP

Venezuelas Präsident Chavez hatte angekündigt, einen Platz im UN-Sicherheitsrat als Gegengewicht zu Washington nutzen zu wollen. Im September bezeichnete er US-Präsident George W. Bush vor der UN-Vollversammlung als "Teufel", "Lügner" und "Tyrannen". "Wir kämpfen gegen die wichtigste Weltmacht, die Eigentümer des Universums", sagte der venezolanische UN-Botschafter Francisco Arias Cardenas am Montag sarkastisch. "Wir sind glücklich, wir sind stark, und wir machen weiter."

Selbst der guatemaltekische Außenminister Gert Rosenthal äußerte Unbehagen über die öffentliche Kampagne der USA gegen Venezuela. Sein Land sei eine unabhängige Stimme, betonte er. "Wir treffen unsere eigenen Entscheidungen."

Kein Kompromiss in Sicht

Aus Diplomatenkreisen verlautete, man sei noch weit davon entfernt, über einen Kompromisskandidaten nachzudenken. Vorläufig schienen weder Venezuela noch Guatemala bereit, ihre Kandidatur zurückzuziehen. "In einigen Fällen hat es schon über hundert Wahlgänge gegeben", sagte der amerikanische UN-Botschafter John Bolton. 1979 war es zu der bislang längsten Wahlprozedur gekommen. Auch damals ging es um einen lateinamerikanischen Sitz: Kuba und Kolumbien lieferten sich in 155 Wahlgängen über zehn Wochen ein hartes Kopf-an-Kopf-Rennen, bis am 7. Januar 1980 schließlich Mexiko als Kompromisskandidat gewählt wurde.

Der UN-Sicherheitsrat besteht aus den fünf ständigen Mitgliedern und Vetomächten USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien sowie aus zehn nichtständigen Mitgliedern, von denen jedes Jahr fünf neu gewählt werden. Ihr Mandat läuft zwei Jahre, sie haben kein Vetorecht. Südafrika, Indonesien, Italien und Belgien ersetzen zur Jahreswende Tansania, Japan, Dänemark und Griechenland. Der noch zu wählende lateinamerikanische Kandidat soll Argentinien nachfolgen. (stu)

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