Netanjahu: Militäreinsätze auch in Flüchtlingslagern geplant
11. August 2025
Um die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen vollständig zu zerschlagen, plant Israels Regierung auch Militäreinsätze in den Flüchtlingslagern im Zentrum des Küstengebiets. Das Sicherheitskabinett habe in der vergangenen Woche die Streitkräfte angewiesen, gegen "die beiden verbliebenen Hamas-Hochburgen in der Stadt Gaza und in den zentralen Lagern" vorzugehen, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor ausländischen Journalisten. In einer Mitteilung seines Büros war zuvor nur davon die Rede gewesen, dass das Militär die Einnahme der Stadt Gaza vorbereiten werde.
Netanjahu versicherte nochmals: "Unser Ziel ist es nicht, Gaza zu besetzen. Unser Ziel ist es, Gaza zu befreien - von den Hamas-Terroristen." Angesichts der Weigerung der Hamas, ihre Waffen niederzulegen, bleibe Israel keine andere Wahl, "als den Job zu Ende zu bringen und die Niederlage der Hamas abzuschließen". Rund 70 bis 75 Prozent des Gazastreifens stehen laut Netanjahu bereits unter Israels Militärkontrolle.
In den verbliebenen 25 Prozent des abgeriegelten Palästinensergebiets am Mittelmeer werden auch die letzten 50 Geiseln in den Händen der Hamas vermutet. Nach israelischer Einschätzung sollen 20 von ihnen noch am Leben sein. Die Hamas wird von zahlreichen Ländern weltweit als Terrororganisation eingestuft.
Generalstab soll militärisches Konzept in dieser Woche billigen
Das israelische Nachrichtenportal "ynet" meldete, der Generalstab der Armee werde die "Grundideen" für den Einsatz gegen die Stadt Gaza bis Ende der Woche billigen. Armeechef Ejal Zamir steht dem Vorhaben laut Medienberichten skeptisch gegenüber. Kritiker der geplanten Ausweitung des Militäreinsatzes, unter ihnen die meisten Angehörigen der Geiseln, befürchten, dass dieser das Leben der Entführten gefährden wird.
"Was uns Netanjahu heute aufgetischt hat, bedeutet, dass Geiseln und Soldaten sterben werden, dass die Wirtschaft zusammenbrechen wird und dass unser internationales Ansehen ruiniert sein wird", schrieb der israelische Oppositionsführer Jair Lapid auf der Plattform X.
Die Stadt Gaza ist das größte Bevölkerungszentrum im nördlichen Teil des Gazastreifens. Rund eine Million Palästinenser halten sich dort dicht gedrängt auf - rund die Hälfte der Gesamtbevölkerung. Die übrigen Menschen leben notdürftig im Zeltlager Al-Mawasi im Südwesten sowie in Flüchtlingsvierteln im mittleren Gazastreifen.
Das Büro des israelischen Regierungschefs teilte später mit, Netanjahu habe mit US-Präsident Donald Trump über "Israels Pläne zur Kontrolle der verbliebenen Hamas-Hochburgen im Gazastreifen", gesprochen. Der Premier habe Trump für seine "standhafte Unterstützung Israels seit Beginn des Krieges" gedankt.
Heftige Kritik im Weltsicherheitsrat
Unterdessen gab es bei einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats am Sonntag in New York massive Kritik an Israels Vorgehen. Mehrere europäische Staaten lehnten die Absicht, den Krieg auszuweiten, strikt ab. "Wir fordern Israel eindringlich dazu auf, diese Entscheidung zu überdenken und nicht umzusetzen", sagte Sloweniens UN-Botschafter Samuel Zbogar vor Sitzungsbeginn. Die israelische Regierung wies dies zurück.
Zugleich verurteilte die große Mehrheit der im Weltsicherheitsrat vertretenen Länder, dass die islamistische Hamas ihre Geiseln fast verhungern lässt.
Vermittlerländer arbeiten unter Hochdruck an neuem Abkommen
Nach Informationen der US-Nachrichtenseite "Axios" arbeiten die Vermittler Katar und USA an einem neuen Vorschlag für ein umfassendes Abkommen zur Beendigung des Kriegs im Gazastreifen. Er solle den Kriegsparteien innerhalb der nächsten zwei Wochen vorgelegt werden. Der US-Sondergesandte Steve Witkoff habe sich hierzu im spanischen Ibiza mit dem katarischen Regierungschef Mohammed bin Abdulrahman Al Thani getroffen.
Auch das Nachrichtenportal "ynet" berichtete unter Berufung auf Quellen aus dem Umfeld der islamistischen Hamas, es gebe intensive Kontakte mit Israel - vermittelt durch die USA, Ägypten und Katar - mit dem Ziel, eine vollständige Einnahme des Gazastreifens durch die israelische Armee zu verhindern.
Australien will eigenen Palästinenserstaat anerkennen
Nach Frankreich, Großbritannien und Kanada will nun auch Australien Palästina bei der UN-Vollversammlung im September in New York als Staat anerkennen. "Eine Zwei-Staaten-Lösung ist die beste Hoffnung der Menschheit, den Kreislauf der Gewalt im Nahen Osten zu durchbrechen und den Konflikt, das Leid und den Hunger in Gaza zu beenden", sagte der australische Premierminister Anthony Albanese nach einer Kabinettssitzung vor Journalisten in Canberra.
Die Anerkennung sei jedoch an Zusagen der Palästinensischen Autonomiebehörde geknüpft. Dazu gehöre, dass die radikalislamische Hamas an einem künftigen Staat nicht beteiligt werde.
Neuseeland überlegt noch
Auch in Neuseeland wird nach Angaben der konservativen Regierung in Wellington über eine Anerkennung nachgedacht. Mit einer Zwei-Staaten-Lösung ist gemeint, dass Israel und ein unabhängiger Palästinenserstaat friedlich Seite an Seite existieren.
Netanjahu bezeichnete die Absicht Australiens als "beschämend". Der Großteil der jüdischen Öffentlichkeit sei gegen einen palästinensischen Staat, weil die Menschen wüssten, "dass er keinen Frieden bringen wird. Er wird Krieg bringen", so Netanjahu.
se/pgr/pg (dpa, afp, ap, rtr, kna, epd)
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