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Netzgemeinde! Ich komme!

Silke Wünsch11. April 2013

Mehr als 2 Milliarden Menschen weltweit sind online. Sie googlen, bespaßen sich, kaufen ein, kommunizieren, teilen und lernen. Aber wer davon gehört eigentlich zu dieser ominösen "Netzgemeinde"?

Frau an einer Schreibmaschine, 1951; Copyright: cc-by-sa/Deutsche Fotothek
Bild: cc-by-sa/Deutsche Fotothek

Viele, die sich ins Internet werfen, stoßen hier und da mal auf dieses Wort: "Netzgemeinde". Oder "Internetcommunity". Klingt hip, klingt nach State of the Art, klingt danach, dass man gerne dazu gehören möchte. Aber zu wem eigentlich? Zu denjenigen, die bloggen und twittern, oder gehört man schon dazu, wenn man bei Zalando Schuhe kauft? Man weiß es nicht. Vielleicht muss man erst mal bekannt werden. Zum Beispiel in allen angesagten Blogs verlinkt werden, einen Vortrag auf der re:publica halten, berühmtes Shitstorm-Opfer werden oder mit Sascha Lobo einen trinken gehen.

Dann gehört man vielleicht zu diesen hippen Leuten, die mit geschmeidigen Gerätschaften aus aalglattem Alu (danke, Herr Bösch!) in angesagten Szenecafés in Berlin Mitte hocken und Chai Latte trinken. Sie haben große Nerdbrillen an, durch die sie auf die Bildschirme ihrer mobilen Endgeräte schauen, sie tippen und wischen mit sanftem Fingerdruck auf Trackpads und Retina-Displays herum, lesen die angesagten TecBlogs und senden kryptische Tweets in die Welt hinaus. Mit Starbloggern sind sie auf Du, nutzen Google+ und sind nur deswegen noch auf Facebook, weil bei Google+ nicht so viele sind.

Floppy Disk

Nanana, das sind jetzt etwas zu viele Klischees auf einmal, sagen Sie. Nun, das stimmt. Es ist auch schon fast eine Ironie, dass gerade diese, zugegebenermaßen etwas zugespitzt beschriebene Gruppe den Begriff "Netzgemeinde" aus ihrem Wortschatz gestrichen hat. Das Wort ist für diese Menschen in etwa so unhip und altertümlich wie "Cyberspace" oder auch "Floppy Disk".

Bild: picture-alliance/dpa

Dennoch hat diese diffuse Gruppe für manche Menschen eine große Faszination. Vor etwas mehr als einem Jahr wurde die "Netzgemeinde" vom CDU-Politiker Ansgar Heveling im Handelsblatt mit folgenden Worten gewarnt: "Netzgemeinde, ihr werdet den Kampf verlieren! Das Web 2.0 ist bald Geschichte."

Straßenkampf

Was war passiert? Nun, jene "Gemeinde", also eine nicht unbeträchtliche Menge von Leuten, die das Netz als Lebensraum für sich erkannt haben und dessen Freiheit schätzen, hatte sich gegen das Internationale Abkommen gegen Internetpiraterie, kurz ACTA, gewehrt, weil sie gerade diese so wertvolle Freiheit in Gefahr sah. Dabei sind sogar – und das sieht man nicht mehr allzu oft hierzulande – Zehntausende auf die Straßen gegangen.

Und das waren nicht nur die Nerds und die Piraten und die Leute mit den Guy Fawkes-Masken. Nicht nur Hacker und diese unheimlichen Anonymous-Freaks. Dabei waren auch alle anderen, denen Meinungsfreiheit sowie die uneingeschränkte Möglichkeit, das Netz mit all seinen Vor- und Nachteilen zu nutzen, wichtig ist:

Schuhe bei Zalando kaufen, Bücher bei Amazon bestellen, Schnickschnack bei eBay versteigern, Musik bei iTunes laden, Facebook und Google+ und Tumblr und Picasa und Instagram nutzen, twittern, bloggen, Artikel schreiben, Infos bei Wikipedia sammeln, Infos zur Wikipedia beisteuern, Webmagazine lesen, Wissen teilen, Online spielen und lernen, kommunizieren, aufklären, Systeme knacken, allerlei Verbrechen begehen – und Politiker stürzen.

Wenn man so will, dann sind wir alle, die irgendwo auf der Welt einen Internetanschluss haben, Mitglied einer riesengroßen Netzgemeinde. Auch Sie, Herr Heveling, und Sie, liebe Leser, gehören dazu – und ich bin auch dabei.


Nachdem der geschätzte Kollege Marcus Bösch an dieser Stelle 27 "Digitalitäten" gepostet hat und sich nun anderen Herausforderungen stellt, übernimmt die Redakteurin dieser Website den harten Job des Beobachters, Kommentators, Internet(volk)studierers, Techniknerds und Zeitgeistkritikers. Auch die zweite Staffel der "Digitalitäten" kommt jede Woche mit einer neuen Folge.

Bild: DW / Christel Becker-Rau
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