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Politik

Russland und Türkei gegen IS

Roman Goncharenko
19. Januar 2017

Moskau und Ankara gehen gemeinsam militärisch gegen die Terrormiliz IS vor. In entscheidenden Punkten jedoch haben Putin und Erdoğan Differenzen - ihre Zusammenarbeit im Syrienkrieg dürfte begrenzt bleiben.

Symbolbild Russland Türkei Flaggen
Bild: picture-alliance/dpa/A. Nikolsky

Während die Welt nach Washington schaut, wo am Freitag Donald Trump als neuer US-Präsidenten vereidigt wird, gibt es im Syrien-Krieg eine neue Entwicklung. Der russische Generalstab meldete am Mittwoch den ersten gemeinsamen Einsatz der russischen und türkischen Luftwaffe gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). An der Operation in der syrischen Provinz Aleppo seien neun russische und acht türkische Kampfflugzeuge beteiligt gewesen, hieß es.

Diese Nachricht ist aus vielen Gründen bemerkenswert. Zum einen ist es der erste gemeinsame Militäreinsatz Russlands und der Türkei, die noch vor weniger als einem Jahr wegen eines von der Türkei abgeschossenen russischen Kampfjets bitter zerstritten waren. "Das ist schon eine Leistung", sagt Alexander Golz. "Man muss bedenken, dass man den Weg von einer direkten Konfrontation in Syrien zur militärischen Zusammenarbeit gegangen ist", so der russische Militärexperte im DW-Gespräch. Zum anderen ist es der erste gemeinsame Kampfeinsatz Russlands mit einem NATO-Mitglied seit langem, ausgerechnet dann, wenn die NATO zur Abschreckung gegenüber Russland ihre militärische Präsenz in Osteuropa ausbaut.

Am 25. November 2015 schoss die Türkei einen russischen Kampfjet ab, der den türkischen Luftraum verletzt haben sollBild: picture-alliance/dpa/Haberturk Tv Channel

Strategische Zusammenarbeit

In Russland wird das gemeinsame Vorgehen russischer und türkischer Kampfflugzeuge als großer Erfolg gepriesen. "Es handelt sich nicht um einen einmaligen Einsatz, sondern um eine strategische militärische Zusammenarbeit", sagte Franz Klinzewitsch, stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im Föderationsrat, der Nachrichtenagentur Interfax. Weitere Einsätze würden folgen. "Das ist ein Beispiel für die Zusammenarbeit außerhalb von Bündnissen, so etwas hat es in der jüngsten Geschichte noch nicht gegeben."

Die Türkei tut genau das, was die von den USA angeführte Anti-IS-Koalition bisher verweigert hat: Hand in Hand mit Russland den IS bekämpfen. Das ist die zentrale Botschaft, die Russlands Präsident Wladimir Putin immer wieder an den Westen richtet. Klinzewitsch hofft, dass das Beispiel Schule macht. "Wenn Russland und die Türkei angesichts des gemeinsamen Feindes Differenzen überwinden konnten, warum können das dann nicht auch andere Länder?"

Keine gemeinsame Linie zu Assad

Der Militärexperte Golz glaubt, dass Russland durch die gemeinsame Aktion mit der Türkei vor allem sein Image als Kämpfer gegen den IS verbessern wolle. Bisher gab es im Westen Zweifel daran. Außerdem schaffe Moskau eine Grundlage für Verhandlungen in Astana. In der kasachischen Hauptstadt wollen am 23. Januar Vertreter Russlands, der Türkei, Irans, der syrischen Regierung und der Opposition über einen Waffenstillstand sprechen. Golz glaubt allerdings, dass die Allianz Russlands und der Türkei begrenzt sein werde. "Die erklärten Ziele in Syrien sind unterschiedlich, vor allem in Bezug auf den Präsidenten Baschar al-Assad", sagt der russische Experte. Moskau wolle ihn stützen, Ankara forderte seinen Abgang.

Differenzen im Verhältnis zu Assad: Russischer Soldat in der syrischen Stadt AleppoBild: Reuters/O. Sanadiki

Auf unterschiedliche Positionen zur syrischen Führung verweist auch der türkische Militärexperte Can Kasapoğlu gegenüber der DW. Hinter Ankaras Zusammenarbeit mit Moskau stünde zweierlei: Zum einen Meinungsverschiedenheiten innerhalb der von den USA geführten Koalition gegen den IS, zum anderen eine unzureichende Unterstützung der Türkei in ihrem Kampf gegen den Terror im benachbarten Syrien. Die gemeinsamen türkisch-russischen Luftschläge seien wichtig, weil sie "zusätzlichen Druck auf den IS" ausüben. "Auf der strategischen Ebene öffnet die türkisch-russische Zusammenarbeit eine neue Seite im syrischen Bürgerkrieg", so Kasapoğlu. "Eine solche Perspektive könnte sehr hilfreich sein, besonders kurz vor den Gesprächen in Astana."

Rätseln über russische Bodenoffensive

Steht nun möglicherweise eine Ausweitung des russischen Einsatzes in Syrien bevor? Will Putin Trump einen Anlass geben, die Sanktionen zu lockern, die wegen des russischen Vorgehens in der Ukraine verhängt wurden? Schließlich begann der russisch-türkische Einsatz in Syrien wenige Tage, nachdem der US-Wahlgewinner Trump in einem Interview eine Lockerung der Sanktionen gegen Russland mit dem Kampf gegen Terrorismus in Verbindung brachte.

Heimwärts? Der russische Flugzeugträger "Admiral Kusnezow" im MittelmeerBild: picture-alliance/AP/Russian Defe

Vor wenigen Tagen verkündete das Verteidigungsministerium in Moskau, es werde die russische Militärpräsenz in der Region reduzieren. Russlands einziger Flugzeugträger "Admiral Kusnezow" verlasse bereits das Mittelmeer. Ausgeschlossen scheint eine Offensive dennoch nicht. Denn Putin hatte schon Anfang 2016 angekündigt, das russische Engagement in Syrien herunterzufahren. Kurze Zeit später begann die russische Luftwaffe, Ost-Aleppo intensiver zu bombardieren.

Die renommierte Moskauer Zeitung "Nowaja Gaseta" berichtete Mitte Januar, Russland bereite möglicherweise einen Bodeneinsatz in Syrien vor. Unter Militärs eines Bataillons in der Teilrepublik Tschetschenien würden Broschüren mit Tipps für Soldaten und Hintergrundinformationen zu Syrien verteilt. Alexander Golz vermutet, dass es sich um einen Einzelfall handelt. Hinweise auf einen bevorstehenden Großeinsatz in Syrien gebe es nicht. "Das wäre ein tragischer Fehler Russlands", so der Experte. "Dieser Krieg ist nicht zu gewinnen."

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