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Neue alte Freizeitbeschäftigung: Fernsehen

Verena Greb
15. März 2020

In Zeiten von Corona sollen die Menschen am besten zu Hause bleiben, um sich nicht anzustecken. Allein in den vier Wänden schauen offenbar immer mehr Leute fern - das zeigen Daten von Fernsehforschern.

Fernsehen
Zuhause bleiben und Fernsehen schauen: Die TV-Nutzungszahlen sind im Februar gestiegenBild: picture-alliance/dpa/C. Klose

In Zeiten der Corona-Epidemie, in denen die Bundeskanzlerin dazu aufruft, soziale Kontakte einzuschränken, in denen Konzerte, Fußballspiele und andere Veranstaltungen ausfallen, fragt sich der eine oder andere: Was kann man in der Freizeit tun, ohne sich einem Ansteckungsrisiko auszusetzen? Kita- und Schulschließungen sind bislang nicht flächendeckend an der Tagesordnung. Viele Arbeitnehmer gehen auch aus diesem Grund bis dato mehr oder weniger gewohnt ihrer täglichen Beschäftigung nach. Das kann und wird nächste Woche schon anders aussehen, wie sich überhäufende Eilmeldungen vermuten lassen.

Und was tun die Menschen nun aktuell am Abend? Daten von Medienforschern zeigen: In den letzten Wochen schauten sie wieder mehr fern. Laut der AGF Videoforschung entwickeln sich die Zahlen für Februar und März besonders für die Primetime, also die Hauptsendezeit von 20 bis 23 Uhr, im Vergleich zu den Vorjahresmonaten leicht überdurchschnittlich. Die Vorsitzende der Geschäftsführung der AGF Videoforschung Kerstin Niederauer-Kopf sieht dies als Hinweis, "dass sich die Menschen abends aufgrund der aktuellen Situation derzeit mehr Zuhause aufhalten." 

Durch das Programm zappen - Fernsehen als Freizeitbeschäftigung und zur Informationsgewinnung in der CoronakriseBild: picture-alliance/Bildagentur-online/Tetra/J. Peterson

Was sich die Menschen ansehen

Den Aussagen Niederauer-Kopfs zur gestiegenen Mediennutzung war eine dpa-Anfrage vorausgegangen. Den Zahlen nach zu urteilen suchten die Menschen beim abendlichen Fernsehkonsum zweierlei: einerseits Informationen, die vorwiegend in Nachrichtensendungen, aber auch in anderen Informationssendungen und Talkshows vermittelt werden. Top-Thema ist derzeit - nicht verwunderlich - das Coronavirus beziehungsweise seine Verbreitung und seine (möglichen) Auswirkungen. Andererseits gehe es vielen TV-Nutzern auch um Unterhaltung, die sie vorwiegend bei den Privatsendern fänden.

Innerhalb des Dualen Rundfunksystems in Deutschland müssen die öffentlich-rechtlichen Programmanbieter wie die ARD und das ZDF eine umfassende Grundversorgung bieten, während den Privatsendern zugestanden wird, massenattraktive Programmangebote zu machen. Im Gegensatz zu den öffentlich-rechtlichen sind private Sender nicht dazu verpflichtet, einen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. Zu diesem Auftrag gehört unter anderem die umfassende Information der Bevölkerung. Da das Informationsbedürfnis in der aktuellen Lage gestiegen ist, profitierten deshalb "Sender mit gelernt hoher Nachrichtenkompetenz, wie beispielsweise die Sender von ARD und ZDF, daneben Welt und n-tv", so Niederauer-Kopf von der AGF Videoforschung. Gegenüber der dpa zieht sie daraus den Schluss, "dass die Menschen gerade in unsicheren Zeiten Qualitätsjournalismus und saubere Recherche zu schätzen wissen: Nachrichtensendungen werden auf allen Kanälen derzeit sowohl im Jahrestrend als auch im Vorjahresvergleich stärker genutzt."

Wie die Sender auf Corona reagieren

Das sich in vielen Ländern der Welt verbreitende Virus, woran in Deutschland bereits über 3.700 Menschen erkrankt sind (Stand: 14.03.2020, Quelle: RKI), bestimmt im TV nicht nur die Nachrichten. Sender entscheiden sich zu Sonderausgaben, themenbezogenen Talk-Runden und Änderungen in der Umsetzung bekannter Formate. So haben beispielsweise inzwischen einige Sender angekündigt, auf Publikum bei TV-Shows zu verzichten. Betroffen von dieser Maßnahme, wodurch mögliche Ansteckungen vermieden werden sollen, ist beispielsweise das RTL-Castingformat "Deutschland sucht den Superstar" und die Tanzshow "Let's Dance". Es folgte eine ähnlich lautende Ankündigung von ProSieben. Auf Twitter schreibt der Sender zu seiner Entscheidung: "Vorsicht ist der beste Schutz vor #Covid_19." Auch der zu den öffentlich-rechtlichen Anbietern gehörende NDR hat angekündigt, vorerst auf Publikum bei Studiosendungen zu verzichten.

Einige Programmänderungen ergeben sich auch deshalb, weil Großveranstaltungen zur Eindämmung des Virus wegbrechen, die normalerweise Bestandteile oder Schwerpunkt einer Berichterstattung sind.

Beispielsweise sollen künftig sowohl Spiele der Bundesliga als auch der Champions League und der Europa League ausgesetzt werden. Als Reaktion auf die wegen Corona angesetzten Geisterspiele gaben die aktuellen Rechteinhaber für die Übertragung - die Bezahlsender Sky und der Streaminganbieter DAZN - bekannt, die noch stattfindenden Spiele der Fußball-Bundesliga am Wochenende live im Free-TV bzw. kostenlos im Live-Stream zu zeigen. Außerdem sagt die Formel 1 ihren für Sonntag geplanten Saisonstart in Melbourne ab, weil im Team des Teilnehmers McLaren ein Corona-Fall aufgetreten war. Seit Anfang der 1990er Jahre überträgt RTL die Rennen. Noch war unklar, wie es nach dieser Saison weitergehen würde. Möglich schien, dass die Rechte an einen Pay-TV- oder Streamingdienst gehen. 

Das Geisterspiel von Borussia Mönchengladbach gegen den 1. FC Köln Bild: picture-alliance/dpa/R. Weihrauch

Mediennutzung wird insgesamt steigen

Auch Streamingdienste werden stärker genutztBild: picture-alliance/dpa/C. Klose

Egal, ob öffentlich-rechtlicher oder privater Anbieter: In Deutschland hatten die großen TV-Sender zuletzt im linearen Angebot - also im regulären zu einer Zeit verbreiteten Programm - Marktanteile verloren. Dies erklärt sich durch ein insgesamt gestiegenes Medienangebot - etwa durch Streamingdienste und Internetplattformen. Dieser Trend der vergangenen Jahre sei laut der AGF Videoforschung im Frühjahr 2020 zu einem Stillstand gekommen. Zu erwarten ist aber auch, dass Streamingdienste wie Netflix oder Amazon Prime in einer Situation, in der zunehmend Menschen Zuhause bleiben, weiter Zulauf erfahren. Eine Wertneuschöpfung von Börsenanalysten verbreitete jüngst der Spiegel: So sind "Stay at home stocks" - auf Deutsch in etwa "Zuhausebleiben-Aktien" - Aktien von Unternehmen wie Netflix, die als Gewinner aus der Coronakrise hervorgehen könnten. Ein Zustellzentrum für Videos im Netz ist der weltweit größte Internetknoten DE-CIX in Frankfurt am Main. Mit neun Terabit Datendurchsatz pro Sekunde verzeichnet dieser laut Heise Online, einem Nachrichtendienst für die Informations- und Telekommunikationstechnik, dieser Tage einen neuen Weltrekord. Die gestiegene Rolle des Internets zeige sich gerade in dieser außergewöhnlichen Situation der Covid-19-Erkrankungen, heißt es dazu bei Heise.

Den Menschen wird für eine Quarantänezeit oder eine Phase heimischer Kinderbetreuung auch anderes einfallen, als nur Fernsehen zu gucken - linear wie gestreamt. Gewiss werden auch wieder mehr Bücher gelesen und vermutlich auch mehr Spiele gespielt werden, analog und digital. 

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