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Politik

Neue Ausschreitungen an der Grenze zu Polen

16. November 2021

Polnische Sicherheitskräfte haben an der Grenze zu Belarus Wasserwerfer und Tränengas gegen Migranten eingesetzt, die am Übergang Kuznica-Brusgi Steine auf polnische Beamte warfen. Drei Polen wurden verletzt.

Belarus Polen Mirgranten im Grenzgebiet
Ein Mann flüchtet vor einem polnischen Wasserwerfer am Grenzübergang Kuznica-BruzgiBild: Leonid Shcheglov/BELTA/AFP/Getty Images

Die gewalttätigen Konfrontationen zwischen polnischen Sicherheitskräften und Flüchtlingen an der Grenze zu Belarus sind eskaliert. Migranten schleuderten in der Nähe des Grenzübergangs Kuznica-Bruzgi Steine, Blendgranaten und Tränengaskanister auf die Sicherheitskräfte, wie die polnische Polizei und das Verteidigungsministerium in Warschau mitteilten. Auch hätten sie versucht, den Grenzzaun zu zerstören. Eine Grenzschutzbeamtin, ein Soldat und ein Polizist wurden demnach verletzt. Die polnischen Kräfte gingen mit Tränengas und Wasserwerfern gegen die Menge vor.

Nach Angaben des russischen Außenministers Sergej Lawrow feuerten die polnischen Sicherheitskräfte auch "Schüsse über die Köpfe von Migranten hinweg in Richtung Belarus". Lawrow verurteilte das Vorgehen der Polen als "absolut inakzeptabel".

Das Bild einer belarussischen Drohne zeigt den Wasserwerfereinsatz gegen Migranten an der GrenzeBild: Leonid Shcheglov/BelTA/AP/dpa/picture alliance

Das Verteidigungsministerium in Warschau sprach von einem "Angriff der Migranten" an dem Grenzübergang. Die Menschen seien von der belarussischen Seite mit Knallgranaten und Tränengas ausgestattet worden, sagte ein Sprecher der polnischen Polizei.

Am Abend meldete der polnische Grenzschutz, die Lage habe sich wieder beruhigt. "Momentan kehren die Ausländer vom Grenzübergang Kuznica-Brusgi auf das Gelände des früheren Zeltlagers zurück, das sich ein paar hundert Meter weiter an der Grenzlinie befindet", teilten die Grenzschützer via Twitter mit.

Rund 4000 Migranten an der Grenze

Nach Angaben des polnischen Grenzschutzes campieren derzeit rund 4000 Migranten bei eisigen Temperaturen auf der belarussischen Seite der Grenze. Die vor allem aus dem Nahen Osten kommenden Menschen wollen nach Polen und damit in die EU gelangen. Viele von ihnen nennen Deutschland als ihr Ziel. Die EU wirft dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, als Vergeltung für Sanktionen Flüchtlinge gezielt an die EU-Außengrenze zu schleusen.

Lukaschenko versicherte inzwischen, er wolle eine "Konfrontation" an der Grenze vermeiden. "Wir können nicht zulassen, dass dieses sogenannte Problem zu einer hitzigen Konfrontation führt", sagte er nach einer Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur Belta in einer Kabinettssitzung. Später ordnete Lukaschenko die Errichtung eines Nachtlagers für einen Teil der Migranten nahe der polnischen Grenze an. In der Region Grodno werde ein Logistikzentrum so umfunktioniert, dass Frauen und Kinder dort übernachten könnten, meldet die Staatsagentur Belta. Auf Fotos ist zu sehen, wie Menschen in einer Halle Matten und Decken ausbreiten. 

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich am Montag in einem Telefonat mit Lukaschenko für eine Deeskalation der Lage eingesetzt. Regierungssprechers Steffen Seibert sagte, angesichts der "schwierigen Situation an der Grenze zwischen Belarus und der Europäischen Union" sei es vor allem um "die Notwendigkeit humanitärer Hilfe" gegangen.

Merkel war die erste westliche Regierungschefin, die seit der umstrittenen Wiederwahl Lukaschenkos im vergangenen Jahr mit diesem telefonierte. Die Grünen kritisierten das Telefonat heftig. Es handle sich um ein "verheerendes Signal", sagte der Außenpolitiker Omid Nouripour im Deutschlandfunk. Er wies darauf hin, dass die EU Lukaschenkos Wiederwahl nicht anerkenne. Mit ihrem Telefonat habe Merkel de facto jedoch genau diese Anerkennung vollzogen.

"Makabre Inszenierung"

Die französische Regierung warf Lukaschenko und seiner Regierung derweil eine "unmenschliche und makabre Inszenierung" vor. "Sie benutzen Tausende verzweifelter Migranten, sammeln sie an der Grenze (...) mit dem Ziel, uns in Europa zu spalten", sagte Regierungssprecher Gabriel Attal. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte am Montag mit Russlands Staatschef Wladimir Putin zu der Flüchtlingskrise telefoniert. Beide hätten sich darauf geeinigt, die Routen der Menschenhändler zu sperren und das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR einzuschalten, sagte Attal.

Die Europäische Union hat in den vergangenen Tagen Druck auf die Herkunfts- und Transitländer der Flüchtlinge ausgeübt, um Flüge nach Minsk zu unterbinden. Teilweise zeigte dies bereits Erfolg. Turkish Airlines sperrte alle Flüge nach Minsk für Menschen aus Syrien, dem Irak und dem Jemen, die syrische Fluggesellschaft Cham Wings stellte ihre Verbindung in die belarussische Hauptstadt ein. Die irakische Botschaft in Moskau kündigte nun an, mit der freiwilligen Rückführung von Irakern aus Belarus zu beginnen. Am Donnerstag sollen demnach 200 Menschen in den Irak zurückgeflogen werden.

Stoltenberg bekräftigt Solidarität

An diesem Dienstag berieten die EU-Verteidigungsminister mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg über die Flüchtlingskrise. Stoltenberg warf Lukaschenko vor, er setze "das Leben der Migranten aufs Spiel", und bekräftigte die Solidarität der Allianz mit Polen wie auch Lettland und Litauen in der Krise.

Die EU bereitet derzeit neue Sanktionen gegen Belarus vor. Die EU-Außenminister hatten am Montag die Weichen für weitere Strafmaßnahmen gestellt. Sie zielen auf jene ab, die verantwortlich seien "für die Ausbeutung von schutzbedürftigen Migranten und für die Ermöglichung illegaler Grenzübertritte", wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte. Er betonte zugleich, dass die europäischen Grenzen "nicht uneingeschränkt offen" seien. Zutritt zur EU gebe es nur über offizielle Grenzübergänge, mit einem Visum oder einem Asylgesuch. Auch das US-Außenministerium kündigte neue Strafmaßnahmen gegen Minsk an.

kle/gri (afp, dpa, rtr, kna)    

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