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Politik

Chinas brutale Unterdrückung der Uiguren

24. Mai 2022

Fotos aus staatlichen Umerziehungslagern, vertrauliche Anweisungen und andere Papiere zeigen die Internierung Hunderttausender Uiguren in Xinjiang im Nordwesten Chinas. Internationale Medien werteten die Dokumente aus.

Mutmaßliches Internierungslager für Uiguren
Ein mutmaßliches Internierungslager für Uiguren nördlich von Kashgar in der Region Xinjiang Bild: GREG BAKER/AFP/Getty Images

Die Dokumente sind Teil des bisher umfassendsten Datenlecks aus dem Innern staatlicher Umerziehungslager in der Region Xinjiang im Nordwesten Chinas. Sie veranschaulichen das Ausmaß der Verfolgung und Masseninternierung zahlloser Menschen. Die "Xingjiang Police Files", über die ein internationaler Medienverbund jetzt berichtet, enthalten Informationen über etwa 300.000 durch die Behörden registrierte Chinesen, überwiegend Angehörige der muslimischen Minderheit der Uiguren. Fotos, Reden und Behördenanweisungen bewiesen, dass es sich bei den Lagern nicht wie von der chinesischen Regierung behauptet um "berufliche Fortbildungseinrichtungen" handele, sondern um hochgradig gesicherte Lager, machten Journalistinnen und Journalisten von 14 Medienhäusern aus aller Welt deutlich. In Deutschland waren der Bayerische Rundfunk und das Magazin "Der Spiegel" an den Recherchen beteiligt.

Sicherheitskräfte mit Sturmgewehren, Folterstühle ...

An die Öffentlichkeit gelangte Bilder zeigen Sicherheitskräfte mit Sturmgewehren. Andere Fotos dokumentieren, wie mit Holzknüppeln bewaffnete Männer einen Inhaftierten in Hand- und Fußfesseln abführen. Er trägt einen schwarzen Sack über dem Kopf und sitzt am Ende der Fotoserie in einem sogenannten Tiger Chair - einem speziellen Stuhl, der nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in chinesischen Gefängnissen zur Folter verwendet wird. In dem Datensatz findet sich auch eine bislang unbekannte Rede aus dem Jahr 2017 des damaligen KP-Parteichefs der Region Xinjiang. Darin heißt es, jeder Gefangene, der auch nur versuche, ein paar Schritte weit zu entkommen, sei "zu erschießen".

Hohe Haftstrafen

Für zahlreiche Personen haben die Behörden den Grund der Inhaftierung festgehalten. Ein Mann soll gemeinsam mit seiner Mutter eine Stunde lang eine Audiodatei gehört haben, in der es unter anderem um "religiöse Steuern" ging: Sie bekamen 20 Jahre Haft wegen Vorbereitung einer terroristischen Handlung. Für das Studium religiöser Schriften kam eine andere Person 34 Jahre nach dieser Aktivität ins Gefängnis – für zehn Jahre, wegen Bekehrung und Vorbereitung terroristischer Aktivitäten. 15 Tage in einem Fitness-Center zu trainieren, werteten die Sicherheitsbehörden als Vorbereitung einer terroristischen Handlung: zwölf Jahre Gefängnis.

Die "Xinjiang Police Files” wurden dem deutschen Anthropologen Adrian Zenz von einer anonymen Quelle zugespielt. Nach Angaben des Forschers stammen die Dateien von Computersystemen des Büros für Öffentliche Sicherheit in den Regierungsbezirken Ili und Kashgar in der Region Xinjiang. Die Quelle, die ihre Identität aus Sicherheitsgründen nicht preisgeben wolle, habe sich in die Systeme gehackt und sich danach an ihn gewandt.

"Es war ein Hackerangriff direkt auf Polizeicomputer und sogar auf Computer in Internierungslagern, um in die chinesischen Systeme einzudringen und die Beweise direkt aus erster Hand zu bekommen", sagte Zenz der Deutschen Welle. Nach eigenen Angaben stellte ihm die Person die Daten ohne Bedingungen zur Verfügung; es sei auch kein Geld gezahlt worden. Der Deutsche leitete die Unterlagen an die Medien weiter.

"Schuld durch Verwandtschaft"

Zenz betonte, das Material belege die Masseninternierung eindeutig unschuldiger Menschen, darunter Teenager und alte Frauen. "In den Akten steht nicht einmal, dass sie etwas getan haben. Das ist lediglich Schuld durch Verwandtschaft. Diese Menschen haben einfach einen Elternteil oder einen Verwandten in Haft, und das ist wirklich alles", sagte er.

Zenz war in der Vergangenheit maßgeblich an der Aufdeckung des Lagersystems in Xinjiang beteiligt. Für den China-Experten, der an der Victims of Communism Memorial Foundation in Washington forscht, stellen die "Xinjiang Police Files" eine "neue Dimension" dar. Das Bildmaterial sei "einzigartig" und widerlege "die chinesische Staatspropaganda", dass es sich um "normale Schulen" handele.

Adrian Zenz (Archivfoto von 2019) Bild: Martial Trezzini/KEYSTONE/picture alliance

Eine ausführliche Anfrage zu den Fotos und Dokumenten ließ Chinas Regierung bislang unbeantwortet. In einer Stellungnahme ging die chinesische Botschaft in Washington nicht auf konkrete Fragen ein, sondern erklärte sinngemäß, die Maßnahmen in Xinjiang richteten sich gegen terroristische Bestrebungen, nicht jedoch gegen "Menschenrechte oder eine Religion".

Baerbock verlangt Aufklärung

Außenministerin Annalena Baerbock fordert von Peking Aufklärung zu den Enthüllungen über das gezielte Vorgehen gegen die muslimische Minderheit der Uiguren. Nach einer einstündigen Videokonferenz mit dem chinesischen Außenminister Wang Yi sprach Baerbock in Berlin von "schockierenden Berichten". Die Vorwürfe "schwerster Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang" müssten jetzt transparent aufgeklärt werden. 

Bütikofer plädiert für neue Sanktionen gegen China 

Der Vorsitzende der Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zur Volksrepublik China, Reinhard Bütikofer, ruft angesichts der "Xinjiang Police Files" zu neuen Sanktionen gegen China auf. Die Fotos aus dem Leak zeigten "mit dramatischer Deutlichkeit", womit man es hier zu tun habe, sagte der Grünen-Politiker im Interview des Bayerischen Rundfunks und des "Spiegels". Diese "Bilder des Grauens" müssten dazu führen, dass die Europäische Union klar Stellung beziehe.

"Ich wünsche mir mehr Druck auf China"

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Die Publikation der "Xinjiang Police Files" fällt mit dem Aufenthalt von UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet in China zusammen. Bachelet wird voraussichtlich an diesem Dienstag und Mittwoch die Städte Urumqi und Kashgar in Xinjiang besuchen. Der Regierung in Peking war bereits in der Vergangenheit vorgeworfen worden, mehr als eine Million Uiguren und andere muslimische Minderheiten in der Region im äußersten Westen des Landes in "Umerziehungslagern" interniert zu haben. 

Außerdem sollen kulturelle Stätten dem Erdboden gleichgemacht worden sein. Die gesamte Region wird streng überwacht. Die USA sprechen von einem Genozid. Sie haben auch Zweifel daran geäußert, dass Bachelet ein "unmanipuliertes" Bild der Lage erhalten werde. China bestreitet die Vorwürfe vehement.

se/kle (afp, dpa, rtr, ard, br24)

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