Cannabis: Vom Rauchen wird abgeraten
3. März 2017Lutz Stroppe braucht nur ein paar Minuten, um auf den Punkt zu kommen. "Es geht hier tatsächlich nicht um Kiffen oder einen Joint auf Rezept", sagt der Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium mit Nachdruck. "Es geht darum, Patienten, die Schmerzen haben, die chronisch erkrankt sind, die leiden, medizinisch hochwertige und standardisierte Cannabissorten zur Verfügung zu stellen."
Wenn es um Drogen geht, dann sind Politiker dünnhäutig. Zu groß ist die Gefahr, in der Öffentlichkeit missverstanden zu werden. Cannabis ist das lateinische Wort für Hanf. Die getrockneten Blüten der weiblichen Hanfpflanze bezeichnet man als Marihuana oder Gras. Auf diesen Blüten sitzt an Drüsenhaaren das "Harz" der Pflanze, mit seinen hohen Konzentrationen von THC, CBD und anderen betäubenden Cannabinoiden.
Linderung für Schwerstkranke
Einigen Substanzen wird eine krampflösende und schmerzlindernde Wirkung zugeschrieben. Sie helfen beispielsweise, um die Symptome von Krankheiten wie Rheuma oder Multiple Sklerose zu lindern. Bei der Augenerkrankung Grüner Star (Glaukom) können sie zur Reduzierung des Augeninnendrucks beitragen. Bei Krebs- und Aidspatienten wirken sie gegen Übelkeit und steigern den Appetit. Auch bei spastischen Schmerzen können die Substanzen helfen sowie bei der Behandlung von chronischen Schmerzen.
Aber Cannabis ist eben auch eine nach wie vor illegale Droge. Daher ist man auch am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vorsichtig. Die Bundesbehörde bereitet sich seit Monaten auf den Tag vor, an dem das Gesetz "Cannabis als Medizin" in Kraft treten wird. Am 19. Januar hat der Bundestag dem Gesetzentwurf zugestimmt, am 20. Februar der Bundesrat. Mit der Unterschrift durch den Bundespräsidenten kann die Regelung nun im März im Gesetzblatt erscheinen und wird damit amtlich sein.
Kein Hanf in der Behörde
Dann wird auch die im BfArM eigens eingerichtete Cannabisagentur ihre Arbeit aufnehmen. Sie soll den Anbau, die Ernte, die Verarbeitung, die Qualitätsprüfung, die Lagerung, die Verpackung und die Abgabe von Cannabis in den Handel steuern und kontrollieren. "Die Cannabisagentur wird Lizenzen für einen geregelten Anbau vergeben. Sie werden aber kein Cannabis bei uns im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte sehen", betont Karl Broich, Präsident des BfArM. "Es wird von uns weder eingekauft noch eingelagert."
Wie genau der Anbau in Deutschland vonstatten gehen soll, darüber schweigt sich Broich aus. Mit seinen Kollegen hat er sich in Kanada, Australien und Israel, wo die Pflanzen bereits kontrolliert gezüchtet werden, ausgiebig informiert, welche Voraussetzungen zu schaffen sind. Dazu kommt, dass der Anbau unter den deutschen betäubungs- und arzneimittelrechtlichen Vorgaben umgesetzt werden muss und die Aufträge EU-weit ausgeschrieben werden müssen. In den Ausschreibungen will sich die Behörde auch festlegen, welche Verbrauchs- und Erntemengen angenommen werden. "Das können wir aber derzeit nur schätzen", sagt Broich.
Seit 2005 gibt es Ausnahmegenehmigungen
Mit ersten eigenen Ernten wird 2019 gerechnet. Die Cannabisagentur wird dann einen Herstellerabgabepreis festlegen und den Verkauf an Hersteller von Cannabisarzneimitteln, Großhändler oder Apotheken organisieren. Dabei darf das BfArM keine Gewinne oder Überschüsse erzielen, jedoch die anfallenden Personal- und Sachkosten berücksichtigen. Auf den tatsächlichen Abgabepreis in der Apotheke habe das BfArM keinen Einfluss, so Präsident Broich.
Bis zur ersten im deutschen Auftrag eingefahrenen Ernte soll das benötigte Cannabis importiert werden. Schon jetzt werden kleinere Mengen in den Niederlanden und Kanada eingekauft. Rund eintausend Patienten in Deutschland haben derzeit eine Ausnahmegenehmigung, um Medizinal-Hanf erwerben zu dürfen. Allerdings mussten sie die Therapie bislang meist selbst zahlen. Pro Tag wird etwa ein Gramm benötigt. Die Kosten werden derzeit auf bis zu 1800 Euro pro Monat geschätzt.
Kein Dammbruch erwartet
"Die Zahl der bedürftigen Patienten ist sicher höher als diese rund tausend Patienten", meint Staatssekretär Stropper. Ein plötzlicher Dammbruch sei aber nicht zu erwarten. "Wir werden sicherlich nicht in eine Größenordnung von zigtausend Patienten kommen." Wichtig sei nun, die Ärzte, die das Cannabis verschreiben müssten, intensiv zu informieren und aufzuklären.
Offiziell darf das Medikament nur als letzte Maßnahme verschrieben werden. "Das bedeutet aber nicht, dass die Patienten zunächst alle denkbaren Therapiemöglichkeiten durchlaufen müssen und starken Schmerzen ausgesetzt sind", erklärt Staatssekretär Stroppe. "Es ist letztlich die Entscheidung des behandelnden Arztes, ob eine Behandlung mit Medizinal-Cannabis in dem ganz konkreten Einzelfall helfen kann und er kann auch zu einem früheren Zeitpunkt auf diese Therapie umstellen."
Der Arzt entscheidet
Verschreibt der Arzt medizinisch verwendbares Cannabis, dann soll die Abgabe durch eine Apotheke innerhalb weniger Tage möglich sein. Die Genehmigungsfrist der Krankenkassen bei ambulanter Palliativversorgung soll sogar innerhalb von drei Tagen möglich sein. In welcher Form der Patient die Droge zu sich nimmt, muss der Arzt entscheiden. Derzeit wird Cannabis in Form getrockneter Blüten oder Extrakte verkauft.
Das sei aber nur ein "Zwischenschritt", betont Broich. Er hoffe, dass in den nächsten Jahren fertige Arzneimittel entwickelt würden. Nur so sei sicherzustellen, dass die Wirkstoffe der Hanfpflanze in immer gleicher Menge vom Körper aufgenommen werden könnten. "Vom Rauchen raten wir ab", heißt es von Behördenseite. Auch die Zubereitung von Tee sei nicht besonders wirksam, da die Cannabis-Bestandteile im optimalen Fall erst bei 160 Grad abgegeben würden.