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GesellschaftDeutschland

Einsamkeit: Junge und Alte leiden besonders

28. Mai 2025

Einsamkeit macht krank und schadet der Demokratie - das ist das Ergebnis einer neuen Untersuchung. Vor allem junge und alte Menschen in Deutschland sind betroffen. Die Bundesregierung will gegensteuern.

Junge, einsame Frau sitzt nachdenklich und traurig vor einer Wand.
Junge Menschen fühlen sich besonders häufig einsamBild: Vyacheslav Chistyakov/Imago

Es ist dieses nagende Gefühl, dass man auf der Welt allein ist, nicht verstanden, isoliert, leer, nicht gebraucht; einfach nur traurig und verzweifelt: Einsamkeit.

Rund 60 Prozent der Deutschen leiden unter diesem Gefühl. Das belegen Studien wie der Einsamkeitsreport der Techniker Krankenkasse aus dem vergangenen Jahr.

Besonders betroffen sind Jugendliche. Das zeigte schon die Studie der Techniker Krankenkasse, aber auch eine gerade veröffentliche Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung.

Junge Menschen sind oft einsam

Demnach fühlt sich fast die Hälfte der befragten jungen Menschen stark oder moderat einsam. Für die Umfrage "Jung, einsam - und engagiert?" hat das Meinungsforschungsinstitut Verian im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung 2.532 Personen aus Deutschland befragt, im Alter zwischen 16 und 30 Jahren. 

Insgesamt gaben davon 10 Prozent an, sich stark einsam zu fühlen, 35 Prozent fühlen sich moderat einsam. Besonders betroffen sind arbeitslose junge Menschen mit niedrigem Bildungsniveau, junge Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund. 

Für die Politik ein alarmierendes Ergebnis. Denn die Untersuchung hat auch das zu Tage gefördert: Einsame junge Menschen haben wenig Vertrauen in die Politik. Das Misstrauen gegenüber Politik und Demokratie ist in der Gruppe der stark Einsamen deutlich stärker ausgeprägt, als bei den weniger einsamen Gleichaltrigen. 76 Prozent der stark Einsamen vertreten die Meinung, dass die Politik die Sorgen der jungen Generation nicht ernst nimmt.

Politikverdrossenheit wächst durch Einsamkeit

Bei den nicht einsamen 16- bis 30-Jährigen sind es mit 61 Prozent deutlich weniger. Mehr als die Hälfte der einsamen jungen Menschen (60 Prozent) gaben zudem an, dass sie selbst das Gefühl hätten, politisch und gesellschaftlich keine Veränderungen bewirken zu können.

Jennifer aus Berlin - ihren Nachnamen will sie nicht nennen - ist eher selten einsam, wie sie der DW sagt; enttäuscht von der Politik aber allemal. "Die Politiker achten viel zu viel auf die Älteren. Wir Jungen werden kaum beachtet", sagt die Jobsuchende 20-Jährige. Es sei so etwas wie eine "Ohnmacht", eine "tiefe Enttäuschung". Das Gefühl, nichts ändern zu können.

Prien: Kindern und Jugendlichen besser zuhören

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Dass bei einsamen jungen Menschen der Frust so tief sitzt, sorgt die neue Familienministerin Karin Prien (CDU). Im DW-Interview sagt sie: "Es hat auch etwas mit Demokratiezufriedenheit zu tun. Junge Menschen, die einsam sind, sind auch mit der Demokratie weniger zufrieden und sind auch anfälliger für extremistische Zugänge." Langfristig bestehe die Gefahr, dass sich diese Menschen von politischen Prozessen abwenden würden, heißt es in der Bertelsmann-Studie.

Einsamkeit kann die Demokratie gefährden

Familienministerin Prien und die Bundesregierung haben sich politisch verpflichtet, das Thema Einsamkeit und seine gesellschaftlichen Folgen in den Fokus zu rücken. Zum dritten Mal läuft derzeit eine bundesweite Aktionswoche gegen Einsamkeit. Prien kündigte an, die sogenannte Einsamkeitsstrategie weiterzuentwickeln. Sie wolle, sagte sie bei der Eröffnungsveranstaltung zur Aktionswoche, eine "Allianz schmieden, die gemeinsam hilft, gesellschaftliches Miteinander in unserem Land stärker zu machen".

Christa Seeger: "Am besten hilft mir gegen Einsamkeit, wenn ich einfach vor die Tür gehe."Bild: DW

Auch ältere Menschen sind häufig vom Gefühl der Einsamkeit betroffen. Der Einsamkeitsreport 2024 der Techniker Krankenkasse hat ergeben, dass sich rund 52 Prozent der Menschen über 60 häufig, manchmal oder selten einsam fühlt.

Christa Seeger aus Berlin kennt das Gefühl: "Die Einsamkeit überfällt mich manchmal ganz plötzlich", sagt sie der DW beim Seniorentreff "Herbstlaube" in Berlin. "Man rechnet überhaupt nicht damit. Dann bist du allein." Hier treffen sie sich, um eben nicht allein zu sein, das bohrende Gefühl, "unnütz" zu sein, wie Christa Seeger es sagt, erst gar nicht aufkommen zu lassen.

In der "Herbstlaube" reden sie miteinander, lauschen Vorträgen oder spielen zusammen Indoor-Minigolf, wie an diesem Nachmittag. Rezepte gegen Einsamkeit. Doch manchmal überkommt sie sogar in der "Herbstlaube" das Gefühl der Einsamkeit, sagt Christa Seeger: "Wenn du da vor dich hinsitzt, ist das deprimierend hoch sieben. Das passiert mir hier, aber auch zuhause." Depression, nein das sei es nicht. Die kenne sie nur aus der Zeit der Wende, als sie arbeitslos wurde.

Einsamkeit kann krank machen

Bei der Eröffnungsveranstaltung zur Woche gegen Einsamkeit sagt Ministerin Karin Prien: "Einsamkeit kann krank machen. Laut Weltgesundheitsorganisation ist das Risiko vorzeitig zu sterben für einsame Menschen so hoch, wie das Risiko durch Fettleibigkeit, Luftverschmutzung oder eben durch Rauchen - manchmal sogar noch höher." Die Untersuchung der Techniker Krankenkasse belegt: Einsamkeit kann ein Stressfaktor sein, zu Müdigkeit, Schlafstörungen, Angstzuständen und Depressionen führen, möglicherweise sogar zu früher Demenz.

Museum auf Rezept

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Die Autoren der Bertelsmann-Studie empfehlen der Politik als Gegenstrategie, junge Menschen mehr und gezielt in politische Prozesse einzubinden. Helfen könnten auch kostenlose Angebote im Freizeitbereich wie Stadtteil-Treffpunkte, Jugendzentren, mehr Sportplätze. Orte, an denen sich Jugendliche wohl fühlen und Gemeinschaft erleben.

Großbritannien als Beispiel im Kampf gegen Einsamkeit

Großbritannien könnte auch für die deutsche Politik Vorbild sein. Bereits seit 2018 gibt es dort ein eigenes Staatssekretariat für das Thema Einsamkeit. Ein zentrales Instrument ist das sogenannte "Social Prescribing": Ärzte oder Therapeuten können soziale Aktivitäten wie Kochkurse oder Wanderungen auf Rezept verschreiben. Studien belegen, dass solche Angebote helfen können.

Für junge Menschen werden in Großbritannien zudem Online-Communitys aufgebaut, die soziale Kontakte in einem positiven und unterstützenden Umfeld fördern. Seit 2024 setzt die Regierung zusätzlich auf Influencer, um gezielt Jugendliche anzusprechen - mit dem Ziel, sie aus der Einsamkeit zu holen und zur politischen Teilhabe zu motivieren.

Jung und alt zusammenBild: Eibner-Pressefoto/picture alliance

Eine Gesellschaft, die sich umeinander kümmert

Familienministerin Prien sagt gegenüber der DW: "Ich glaube, wir müssen etwas dafür tun, dass sich Ältere wieder mehr Gedanken machen, was sie für die Jüngeren tun können. Und Jüngere mehr Gedanken darüber machen, was sie für Ältere tun können. So das wir zu einer Gesellschaft wieder werden, die sich umeinander kümmert."

Eine ganz persönliche Empfehlung gegen Einsamkeit gibt Jennifer aus Berlin: "Sucht euch jemanden, der euch liebt!"

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