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Neue EU-Kommission: Anfang ohne Trara

Bernd Riegert1. November 2014

Die neuen EU-Kommissare und ihr Präsident Jean-Claude Juncker treten ihre Ämter in Brüssel an. Ein Festakt ist aber nicht geplant. Bernd Riegert berichtet aus Brüssel.

Amtsübergabe Jose Manuel Barroso und Jean-Claude Juncker (Foto: AFP)
Der neue und der alte Präsident: Juncker (l.) übernimmt von BarrosoBild: Getty/J. Thys

Am Ende floss eine Träne der Rührung. Als der der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker das fotografische Porträt des scheidenden Präsidenten José Manuel Barroso unter dem Beifall vieler Mitarbeiter enthüllte, konnte der sonst eher robuste Portugiese Barroso seine Rührung nicht verbergen. Der Luxemburger Juncker - seit Jahrzehnten auf der europäischen Politik-Bühne unterwegs - und Barroso sind gute Freunde. Deshalb fiel Junckers Zeugnis bei der schlichten Zeremonie für Barroso entsprechend wohlwollend aus. "Er war immer sehr aufmerksam und sehr respektvoll gegenüber den entscheidenden Dingen. Er hat Ziele ambitioniert verfolgt, die über unsere Lebenszeit hinausgehen, weil es eben wichtigere Dinge gibt als unsere eigenen Biografien", sagte Juncker.

Barroso hat in seinen zehn Jahren als Chef der Brüsseler EU-Behörde über den Beitritt von 13 neuen Mitgliedsstaaten und die Bewältigung der Euro-Krise gewacht. Trotzdem werfen viele Kritiker ihm vor, viele Dinge zu zögerlich angegangen zu haben. Gerüchte, er wolle UN-Generalsekretär werden, dementierte Barroso nicht. Jetzt will er aber erst einmal ausspannen. Er strebe im Moment kein Amt an, sagte der 58-Jährige. "Nach dreißig Jahren in der nationalen und internationalen Politik, davon zehn Jahre als Kommissionspräsident, habe ich wenigstens eine Pause verdient."

Durch und durch Europäer: Jean-Claude JunckerBild: Reuters/Christian Hartmann

Junckers Rezept: Arbeitsplätze durch Investitionen

Jean-Claude Juncker, der bald seinen 60. Geburtstag feiert, startet nach dem überraschenden Abgang als Regierungschef von Luxemburg im vergangenen Jahr jetzt als EU-Kommissionschef noch einmal durch. Er will mehr Distanz zu den Staats- und Regierungschefs wahren und die Kommission als Hüterin der EU-Verträge und als Impulsgeberin für politische Entscheidungen in der Union stärken, deutete Juncker in verschiedenen Interviews vor seiner Wahl an. Genauso wie sein großes Vorbild Jacques Delors. Der Franzose Delors hatte die EU Ende der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts aus einer politischen Lähmung befreit und die Grundlagen für den Binnenmarkt und die Gemeinschaftswährung Euro gelegt. "Wir brauchen jetzt eine Reform-Kommission", hatte der Chef der größten Fraktion im Europäischen Parlament, der Konservative Manfred Weber, dem neuen Präsidenten Juncker mit auf den Weg gegeben.

Juncker will reformieren und sein oberstes Ziel ist dabei die Schaffung von Arbeitsplätzen in der europäischen Wirtschaftskrise. Dazu will er noch vor Weihnachten ein Investitionsprogramm in Höhe von 300 Milliarden Euro vorlegen. Die Investitionen dürften aber nicht durch neue Schulden finanziert werden, sagte Juncker im EU-Parlament bei seiner Wahl vor eineinhalb Wochen an die Adresse Frankreichs und Italiens. Andererseits müssten die Fiskalregeln "flexibler" ausgelegt werden, ohne sie zu ändern. Reine Sparpolitik helfe auch nicht weiter. "Volkswirtschaften, in denen nicht investiert wird, können nicht wachsen. Volkswirtschaften, die nicht wachsen, können keine Beschäftigung sicherstellen. Dieses Investitionsprogramm liegt mir sehr am Herzen und ich möchte hier in aller Deutlichkeit sagen, dass die Versuche, mich von diesem Vorhaben abzubringen, nicht fruchten werden. Ich werde dies tun", kündigte Juncker an.

Die Staats- und Regierungschefs der EU haben bei ihrem Gipfeltreffen vergangene Woche Junckers Paket gutgeheißen, ohne genau zu wissen, wie die gewaltige Investitionssumme finanziert werden soll. Junckers Idee, Geld aus dem Euro-Rettungsfonds ESM zu entnehmen, lehnt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel strikt ab.

Die neue EU-Kommission

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Erster Vizepräsident soll Gesetzesflut bremsen

Jean-Claude Juncker und sein engster Mitarbeiter Martin Selmayr, ein deutscher EU-Beamter, haben sich eine neue Struktur für die EU-Kommission ausgedacht, um die Behörde ihrer Meinung nach effizienter zu machen. Sieben Vize-Präsidenten sollen die 20 übrigen Kommissare mit ihren Ressorts in ständig wechselnden Arbeitsgruppen koordinieren. Der "Erste Vizepräsident", der ehemalige niederländische Außenminister Frans Timmermans, soll eine Art Veto gegen Gesetzesvorschläge einlegen können, die nicht auf der EU-Ebene, sondern in den Nationalstaaten besser geregelt werden könnten. "Ich habe entschieden, Frans Timmermans als Vizepräsident mit der Wahrung des Subsidiaritätsprinzips zu beauftragen. Es geht um bessere Gesetzgebung. Das haben wir alle den europäischen Bürgern versprochen", sagt Juncker über die neue Arbeitsweise.

Die neue EU-Kommission, die im Parlament von einer breiten Mehrheit aus Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen getragen wird, soll sich mehr um soziale Belange kümmern, so Juncker. Wegen der Schuldenkrise hätten nur noch zwei Staaten, nämlich Deutschland und Luxemburg, die höchste Bewertung durch die Ratingagenturen, das dreifache A. Natürlich sei es gut, wenn mehr Länder wieder auf ein AAA-Urteil der Finanzmärkte kommen würden, aber noch wichtiger sei, dass die sozialen Standards in ganz Europa ein AAA in den Augen der Bürger erreichten. Arbeit zu guten Bedingungen und zu guten Löhnen sei sein Ziel.

Berlaymont-Gebäude in Brüssel: Arbeitsplatz der KommissareBild: cc-by-sa/Cha già José

Freihandel mit den USA ohne Schiedsgerichte

Die neue EU-Kommission wird weiter das Freihandels- und Investitionsabkommen (TTIP) mit den USA aushandeln. Juncker bekennt sich ausdrücklich zu diesem Abkommen, aber er lehnt, anders als sein Vorgänger José Barroso, privatrechtlich organisierte Schiedsgerichte zum Schutz von Investoren in ihrer heutigen Form ab. "Ich werden nicht akzeptieren, dass die Rechtsprechung von Gerichten in der EU durch irgendwelche Schiedsgerichte für Investorenschutz eingeschränkt wird. Die Herrschaft des Rechts und die Gleichheit vor dem Gesetz muss auch in diesem Bereich gelten." Juncker sagte, bei diesem Punkt müsse bei den TTIP-Verhandlungen nachgebessert werden. Das hatten viele TTIP-Kritiker und auch der sozialdemokratische Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel gefordert.

Juncker bleibt ein Mann, vorerst

Jean-Claude Juncker, den selbst die linke Opposition als "schlauen Fuchs" bezeichnet, lieferte im Parlament einen Beweis für seinen Witz und seine Schlagfertigkeit. Als er sich beklagte, dass die Mitgliedsstaaten zu wenige Frauen, nur neun von 28 Kandidaten, in die EU-Kommission entsandt hätten, rief ein Abgeordneter: "Der Kommissar aus Luxemburg, also Juncker selbst, ist ja auch ein Mann!" Juncker antwortete unter dem Gelächter des Saals: "Auf kurze Sicht werde ich nicht in der Lage sein, mein Geschlecht zu ändern. Auf lange Sicht vielleicht, aber nicht kurzfristig."

Eine formale Amtseinführung für die neuen EU-Kommissare gibt es in Brüssel nicht. Büros werden in aller Stille eingeräumt, so eine Sprecherin. Der notwendige Amtseid vor dem Europäischen Gerichtshof werde schriftlich abgelegt. "Und dann fängt man einfach an zu arbeiten."

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