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EU-Pläne: Was kostet der Schmutz?

11. November 2017

In der EU soll die Luft sauberer werden. Dafür will Brüssel den Handel mit Emissionszertifikaten teurer machen. Ob das wirklich hilft, ist umstritten. 5 Fragen und Antworten zum Handel mit den Abgasen.

Oberhausen Kokerei Schwelgern
Bild: Getty Images/L. Schulze

Brüssel riecht nach Abgasen. Die Stadt überschreitet - wie viele andere europäische Metropolen - immer wieder die Grenzwerte bei der Luftverschmutzung. Die Ironie: In Brüssel werden seit vielen Jahren Maßnahmen für den Umweltschutz in der Europäischen Union beschlossen. Nun will die EU nach zweijährigen Verhandlungen den europäischen Emissionshandel reformieren, um dem Klimaabkommen von Paris gerecht zu werden. Mit Emissionszertifikaten wird geregelt, wer wieviele Schadstoffe in die Luft blasen darf. Wird Europa nach dieser Reform sauberer? Hier die 5 wichtigsten Fakten.

1. Was soll sich ändern?

Ab dem Jahr 2021 will die Europäische Union Treibhausgas-Emissionen jährlich um 2,2 Prozent senken - stärker als bisher. Im Jahr 2030 soll der Ausstoß klimaschädlicher Gase um 43 Prozent niedriger sein als im Jahr 2005. Das betrifft mehr als 11.000 Anlagen aus dem Energiesektor und der Industrie. Außerdem soll der Überschuss an Emissionszertifikaten abgebaut werden, um das System effektiver zu machen und die Preise zu steigern, den Schadstoffausstoß also teurer zu machen. Laut dem Abgeordneten im EU-Parlament Peter Liese sollen zwei Milliarden Zertifikate gelöscht oder in einer Reserve geparkt werden. Das würde die Preise auf ungefähr 25 Euro pro Tonne Kohlenstoffdioxid-Ausstoß ansteigen lassen.

Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

2. Was soll Emissionshandel bewirken?

Die Grundidee ist, dass Umweltverschmutzung bezahlt werden soll. Unternehmen müssen sich also die Erlaubnis erkaufen, eine bestimmte Menge an Treibhausgasen ausstoßen zu dürfen. Wer dann weniger Treibhausgase in die Luft pustet, kann seine überschüssigen Zertifikate weiter verkaufen und davon profitieren. Wer mehr Abgas produziert, muss dazu kaufen. Das soll Unternehmen dazu antreiben, vermehrt in klimafreundliche Technologien zu investieren.

3. Was ist das Problem?

Der Emissionshandel soll eigentlich schon länger die Umweltverschmutzung stoppen. Doch bis jetzt funktioniert die Sache nicht so recht. Seitdem die EU im Jahr 2005 das weltweit größte Emissionshandelssystem gestartet hat, hat sich keine große Wirkung gezeigt, obwohl es in 31 Ländern (Norwegen, Island und Lichtenstein inklusive) eingeführt wurde und 45 Prozent der europäischen Treibhausgase abdeckt. Im Jahr 2015 sind die Emissionen beispielsweise nur um 0,37 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken.

Das Problem ist: Es wurden zu viele Zertifikate vergeben. Viele von ihnen, vor allem an die Zement- und Stahlindustrie, wurden sogar verschenkt - aus Angst, die Industrien würden sonst in andere, günstigere Länder abwandern.

Die Folge: Die Preise für die Treibhausgas-Zertifikate sind viel zu niedrig. Dafür sorgt ein Zertifikats-Überschuss auf dem Markt. Gerade liegt der Preis für eine Tonne Kohlendioxid zwischen 5,5 und 8,5 US-Dollar. Um die Erderwärmung zu stoppen, müsste der Ausstoß einer Tonne CO2 mindestens 40 bis 80 US-Dollar kosten, errechnete die "High-Level Commission on Carbon Prices", die von den Wissenschaftlern Joseph Stiglitz und Lord Nicholas Stern angeführt wird.

Ein wirklicher Anreiz, Treibhausgase zu verringern, wurde also nicht geschaffen. Im Gegenteil: die Schwerindustrie in Europa konnte laut Climate Action Network sogar Gewinne aus den Emissionspapieren schlagen: über 25 Milliarden US-Dollar.

Bild: picture-alliance/dpa/U. Anspach

4. Wie wird die Reform umgesetzt?

Bevor die Reform umgesetzt wird, muss sie erst noch vom Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union bestätigt werden. Die genaue Umsetzung danach steht derzeit noch nicht fest.

5. Wie effektiv werden die Reformen gegen Umweltverschmutzung sein?

Viele Kritiker meinen, dass die Reform des europäischen Emissionshandels nicht sehr wirksam sein wird. "Es gibt zwar einige Lichtblicke", schätzt Klaus Röhrig, Koordinator für Klima und Energiepolitik beim Climate Action Network Europa ein, "wie den jährlichen Mechanismus, Zertifikate zu löschen. Das wird dazu führen, dass zumindest ein großer Teil der Überschusszertifikate beseitigt wird. Allerdings geht dieser Schritt nicht weit genug. Der Effekt auf den Kohlenstoffpreis wird marginal bleiben." Auch die angepeilten 25 bis 30 Euro pro Tonne CO2 wären immer noch zu wenig im Vergleich zu den Berechnungen von Experten, die eine wirksame Regulierung im Schnitt erst bei mindestens doppelt so hohen Preisen erwarten.

Auch die Senkung der Emissionen um 2,2 Prozent pro Jahr geht laut dem Climate Action Network nicht weit genug und reicht nicht, um dem Klimaabkommen von Paris gerecht zu werden. Dafür bräuchte man jährlich mindestens 2,4 Prozent weniger Treibhausgase. Denn das Pariser Abkommen fordert eine Reduktion um fast 100 Prozent bis zum Jahr 2050. Mit der Reform des Emissionshandels wäre aber nur eine Reduktion von bis zu 83 Prozent zu schaffen.

Bild: picture-alliance/R4200

Das größte Problem ist allerdings die Kohle, eine der klimaschädlichsten Rohstoffe. In den neuen Bestimmungen wurde laut Klaus Röhrig eine Ausnahmeregelung für Staaten mit geringem Einkommen eingeführt - also vor allem für osteuropäische Mitgliedsländer: Die haben Anspruch auf kostenlose Emissionszertifikate, um ihren Energiesektor zu modernisieren. "Polen war da besonders laut und ist damit durchgekommen", sagt Klaus Röhrig. "So können immer noch Fördermittel in die Kohle fließen." Die freien Emissionszertifikate können also mit diesem Schlupfloch dazu genutzt werden, weiter in Kohleenergie zu investieren - eins der größten Hindernisse für den Umweltschutz. 

Freie Zertifikate werden laut Climate Action Network auch weiterhin an energieintensive Sektoren wie die Aluminiumindustrie vergeben, um sogenanntes "carbon leakage" zu vermeiden - also das Abwandern der Unternehmen in billigere Produktionsländer. "Es wird befürchtet, dass diese Unternehmen ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit verlieren könnten. Das ist aber nicht nachgewiesen", meint Klaus Röhrig. "Wir befürchten, dass die großen Industriebranchen nicht die Kosten der Umweltverschmutzung tragen und zu wenig Anreize erhalten, klimafreundlicher zu arbeiten."

Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Nach der Auffassung seines Netzwerkes hätte die Kohlesubventionierung komplett verhindert und die Vergabe von freien Emissionszertifikaten an energieintensive Industrien zumindest verändert werden müssen - zum Beispiel mit einem stufenweisen Anstieg der Kosten.

Einige Verbesserungen machen also auch die Kritiker aus. Doch die größten Herausforderungen, um das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen, meinen sie, werden nur weiter in die Zukunft verschoben.

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