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Politik

Neue EU-Spitze: Präsidentin trifft Kanzlerin

2. Juli 2020

Die wichtigsten EU-Kommissare und die wichtigsten Bundesminister haben über das Arbeitsprogramm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft beraten. Es ging um viel Geld und geeintes Auftreten. Bernd Riegert aus Brüssel.

Pressekonferenz zu Beginn der Ratspräsidentschaft in Brüssel und Berlin per Video
Kommunikation mit Abstand: Treffen der EU-Kommission in Brüssel mit der Bundesregierung in BerlinBild: DW/B. Riegert

So viel Harmonie war selten bei einer Pressekonferenz von Spitzenpolitikern der Europäischen Union. "Ich grüße ganz herzlich nach Brüssel", säuselte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Kanzleramt in Berlin. "Viele Grüße nach Berlin. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit", flötete die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen aus dem Berlaymont-Gebäude der EU-Kommission in Brüssel zurück.

Die beiden deutschen Politikerinnen, die bis 2019 jahrelang im Bundeskabinett zusammengearbeitet haben, führen für die nächsten sechs Monate die EU durch ihre schwerste Wirtschaftskrise: Angela Merkel als zeitweilige Vorsitzende des Rates der EU und Ursula von der Leyen als Chefin der EU-Behörde. Ständig redeten sich die beiden bei ihrem Auftritt vor der Presse als "liebe Ursula" und "liebe Angela" an. "Wir kennen einander lange und wir vertrauen einander tief", sagte Ursula von der Leyen auf eine Frage der DW. "Wenn man sich gut kennt, kann man auch Klartext sprechen, in die Tiefe gehen und der viel schaffen."

"Ich werde natürlich meine deutschen Interessen nicht vergessen, die wir auch in die Verhandlungen einzubringen haben", sagte die Bundeskanzlerin in Berlin, die bis zum vergangenen Sommer noch die Chefin von der Leyens war. Sie sei aber wie von der Leyen eine überzeugte Europäerin und wisse, dass sie als Ratspräsidentin auch vermitteln müsse.

"Dass es zwei Frauen sind, das erfreut mich sehr", sagte Angela Merkel. "Früher haben das zwei Männer immer geschafft, jetzt müssen wir das als zwei Frauen schaffen. Und wir sind da ganz selbstbewusst, dass wir das auch hinkriegen, nicht wahr, Ursula?", fragte Merkel per Video-Schaltung nach Brüssel. Die Antwort kam von der ehemaligen Verteidigungsministerin militärisch kurz. "Jawoll, das ist so", sagte von der Leyen mit einem Lächeln. Sie gehe davon aus, dass man auch mit den übrigen 26 Mitgliedsstaaten vertrauensvoll zusammenarbeiten werde.

Vorrangig: Geld für den Wiederaufbau nach Corona

Die beiden Politikerinnen ziehen offenbar nicht nur persönlich, sondern auch bei den allermeisten Sachfragen an einem Strang. Bis Ende Juli wollen beide den Aufbaufonds gegen die Wirtschaftskrise und den sieben Jahre währenden Haushaltsrahmen in Höhe von 1,8 Billionen Euro aushandeln. Angesichts der Corona-Krise wäre das ein Rekordvolumen in Rekordzeit. "Wir müssen dafür sorgen, dass wir am 1. Januar nicht vor dem Nichts stehen", fasste Angela Merkel das Ziel zusammen. "Die EU wird in den nächsten sechs Monaten entscheiden, wie wir aus der Krise herauskommen", so Ursula von der Leyen. Gleichzeitig werde sie mit den beispiellosen Maßnahmen die Weichen für die nächsten Jahrzehnte stellen. Die Antwort auf die Corona-Krise müsse "wuchtig" sein, ergänzte die Kanzlerin.

Am 17. und 18. Juli wird Angela Merkel zusammen mit dem permanenten Vorsitzenden des Europäischen Rates, Charles Michel, den ersten Sondergipfel zum Haushalt und zum Konjunkturprogramm leiten. Bereits am 8. Juli wird sie erstmals seit Ausbruch der Pandemie persönlich nach Brüssel reisen, um vor dem Europäischen Parlament zu sprechen und die EU-Spitzen zu Vorgesprächen zu treffen.

Die Corona-Pandemie sei noch nicht überwunden, so Angela Merkel. Man beobachte die Situation jeden Tag sehr genau. In Deutschland habe man auch einige Hotspots beim Infektionsgeschehen, die man aber unter Kontrolle habe. "So muss es bleiben", sagte die Kanzlerin. Natürlich seien Reisen im Sommer ein Risiko. Trotzdem riet sie nicht davon ab, denn die Zielländer täten alles, um Hygienekonzepte einzuhalten.

Nachgeordnet: Klima, Digitalisierung, China, Migration

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erinnerte daran, dass die Herausforderungen, denen sich die EU vor Corona stellen musste, natürlich auch nach der Krise bleiben. Klimaschutz, Digitalisierung der Wirtschaft und die Stellung der EU in der Welt stehen deshalb in den nächsten sechs Monaten auch auf der Tagesordnung.

Der wirtschaftliche Wiederaufbau nach der Corona-Krise sei auch eine Chance in der Klimapolitik. Eine kohlenstoffarme Wirtschaftsweise könne große Fortschritte machen. Bis zum Jahresende will die EU-Kommission ein Klimagesetz vorlegen, dass den Weg zu einer klimaneutralen EU im Jahr 2050 weisen soll.

Nach dem Corona-Schock: Globalisierung neu denken!

26:06

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Das verschobene Gipfeltreffen mit der chinesischen Führung wollen beide Politikerinnen möglichst nachholen. Es hatte ursprünglich im September in Leipzig stattfinden sollen. Der Dialog mit China, das als Partner und systemischer Rivale angesehen werde, müsse weitergehen, sagte Ursula von der Leyen.

Der Druck der Führung in Peking auf die Demokratiebewegung in Hongkong müsse "ernsthafte" Konsequenzen haben. Eine Verschlechterung der Wirtschaftsbeziehungen ist damit aber nicht gemeint. Bundeskanzlerin Merkel sagte, das deutsche Asylrecht sei ausreichend, um Hongkong-Chinesen, die Schutz suchten, zu helfen. Sie sieht keinen Grund für Zusagen, wie sie etwa Großbritannien gemacht hat, dass potenziell Tausende Menschen aus Hongkong aufnehmen könnte.

Bewegung nur mit Maske: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Bild: DW/B. Riegert

Hoffnungen darauf, dass sie die EU nach jahrelangem Streit unter deutscher Führung auf ein neues Asylrecht und eine Lösung für die Migrationsfragen einigen könnte, schob Angela Merkel beiseite. "Wir können das nicht abschließen", sagte sie. Allerdings könne man Fortschritte erleben.

Bundesinnenminister Horst Seehofer will dafür eintreten, dass ein gemeinsames europäisches Asylrecht und Lager für Asylbewerber direkt an den EU-Außengrenzen geschaffen werden. Einen konkreten Vorschlag dazu soll die EU-Kommission aber erst vorlegen, wenn die Haushaltsfragen gelöst sind. "Wir brauchen erst die Fonds", sagte die Kanzlerin pragmatisch. Ansonsten brauche man sich über andere Fragen, wie zum Beispiel die Rechtsstaatlichkeit in Polen oder Ungarn, erst gar nicht den Kopf zu zerbrechen.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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