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Politik

Neue EU-Strategie für Behinderte

2. März 2021

Die EU-Kommission will an diesem Mittwoch eine neue Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen vorstellen. Handlungsbedarf gibt es gerade in Zeiten der Corona-Krise genug und die Erwartungen sind zahlreich.

Rockfestival-Besucher in Viveiro in Spanien heben einen Rollstuhlfahrer in die Höhe
Rockfestival-Besucher in Viveiro in Spanien (2019): Einfach das Leben im Bereich der EU genießenBild: picture-alliance/dpa/Resurrection Fest Estrella Galicia/D. Cruz

"Jemand mit einer sichtbaren Behinderung? Hab das lieber im Hinterkopf, so etwas möchten die Menschen sicherlich nicht sehen." Solche Reaktionen erntete Katrin Langensiepen als Kind, wenn sie über ihren Berufswunsch Journalistin sprach. Heute sitzt Langensiepen, die mit einer seltenen Erbkrankheit geboren wurde, für die Grünen im Europa-Parlament und setzt sich dort unter anderem für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in der EU ein.

Die 41-Jährige bezeichnet sich selbst als einzige weibliche Europa-Abgeordnete mit sichtbarer Behinderung: "Es ist eine Ehre, dass man hier in diesem Haus arbeiten darf und ja, vielleicht auch manchmal der kleine Moment, dass man sagt: Siehste!"

Grünen-Abgeordnete Langensiepen: "Einfachste Menschenrechte verwehrt"Bild: Lucia Schulten/DW

Wenn es um die Rechte von Menschen mit Behinderung geht, dann hat das aus Sicht des Präsidenten des Europäischen Behindertenforums, Yannis Vardakastanis, nicht nur mit Barrierefreiheit zu tun: "Unser oberstes Ziel ist und wird immer die Antidiskriminierung sein." Es geht also um Gleichbehandlung, zum Beispiel auch beim Thema Mobilität innerhalb der EU.

Mehr als nur Barrierefreiheit

Menschen mit Handicap, sagt Vardakastanis, könnten nicht ungehindert von einem Mitgliedsstaat in den andere reisen, eine Arbeit oder ein Studium aufnehmen oder einfach ihr Leben im Bereich der EU genießen. Der Grund: Innerhalb der Europäischen Union hätten Menschen mit Behinderung keinen gleichen Zugang zu den gleichen Rechten.

Diese Erfahrung hat auch Katrin Langensiepen gemacht. Wenn ein Mensch mit Behinderungen etwa von Deutschland nach Frankreich umzieht, muss er sich von den französischen Behörden den Behindertenstatus neu attestieren lassen, berichtet die Grünen-Politikerin. 

Die Lösung: ein Europäischer Behindertenausweis

Abhilfe könnte ein Europäischer Behindertenausweis bringen. Die Chancen, dass er kommt, stehen Yannis Vardakastanis zufolge gut. An diesem Mittwoch will die EU-Kommission eine neue Agenda für Behindertenrechte annehmen. Die zuständige Kommissarin Helena Dalli zeigt auf ihrem Twitter-Account eine virtuelle Ausstellung zu Behindertenrechten. Eines der Exponate ist auch der Europäische Behindertenausweis.

Seit 2016 gibt es diesen Ausweis als freiwilliges Pilotprojekt in acht von 27 EU-Ländern. Neben der gegenseitigen Anerkennung des Behindertenstatus ermöglicht er gleichberechtigten Zugang in den Bereichen Kultur, Freizeit, Sport und Verkehr. 

Der Ausweis sei ein "wichtiges Mittel für Freizügigkeit, für Teilhabe am Arbeitsleben, am Studium, der Ausbildung. Genau das fordern wir ja auch", betont Grünenpolitikerin Langensiepen. Damit das Projekt nun auch EU-weit vorankomme, brauche es allerdings einen "echten Schub", sagt Yannis Vardakastanis.

Corona-Pandemie und Behinderung

Menschen mit Behinderung hatten während der Corona-Pandemie dringendere Probleme. Langensiepen und Vardakastanis erzählen von fehlendem Zugang zum Gesundheitssystem, Triage und Problemen in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen.

Die Erwartungen Vardakastanis an die neue Strategie sind etwas gedämpft im Angesicht der Pandemie, die er für ein "eine Art wirtschaftliches, sanitäres und soziales Erdbeben" hält. Ganz konkret erwartet Behindertenforum-Präsident Vardakastanis, dass sich die Strategie mit der Frage beschäftigt, wann Menschen mit Behinderung dran sind, eine Corona-Impfung zu bekommen. Auch andere Bereiche, wie die Situation in Behinderteneinrichtungen und der soziale Schutz von Menschen mit Behinderung, sind ihm wichtig für die Strategie.

Behindertenforum-Präsident Vardakastanis: "Oberstes Ziel ist Antidiskriminierung"Bild: European Disability Forum

Katrin Langensiepen betont, dass es nicht sein könne, dass die "einfachsten Menschenrechte verwehrt werden" und man Menschen sterben lasse und sie keinen Zugang zur Klinik hätten. Das müsse man der Kommission mit Blick auf die neue Strategie noch einmal „ganz klar und deutlich" mitgeben.

Was soll die Strategie leisten?

Es ist Aufgabe der EU Kommission eine neue Strategie für Menschen mit Behinderungen zu verabschieden, da das Vorgängerprojekt Ende 2020 ausgelaufen wird. Die neue Zehn-Jahres-Strategie wird noch in dieser Woche erwartet.

Die neue Strategie solle Gesetzgebungsvorhaben auf der europäischen Ebene koordinieren und dafür sorgen, dass die Rechte von Menschen mit Behinderungen in allen Politikbereichen der EU mitbedacht werden, sagt Yannis Vardakastanis.

Die Abgeordnete Langensiepen hofft, dass die neue Strategie dafür sorgt, dass die Kommission stärkeren Druck auf die Mitgliedsstaaten ausübt, die UN-Behindertenrechtskonvention einzuhalten. Die UN-Konvention aus dem Jahr 2006 haben alle 27 EU-Mitglieder unterschrieben.

Dennoch dürften zum Beispiel immer noch nicht alle Menschen mit Behinderung in der Europäischen Union wählen, sagt Katrin Langensiepen. Ein Recht, das ihnen laut UN-Konvention zusteht.

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