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Politik

Die neue Freundschaft von Äthiopien und Eritrea

Gwendolin Hilse
17. Juli 2018

Ausgelassen feiern Äthiopien und Eritrea den Friedensschluss. Am Mittwoch startete auch der erste Flug von Äthiopien nach Eritrea. Doch für nachhaltigen Frieden sei mehr nötig als Feierstimmung, sagen Experten.

Äthiopien Begeisterter Empfang für Präsident Isaias an Adis Abeba
Bild: Reuters/T. Negeri

"Nun sind wir, die Äthiopier und die Eritreer, eins. Wir sind nicht mehr zwei verschiedene Völker und wir werden daran arbeiten, das nachzuholen, was wir in den letzten Jahren verpasst haben", verkündete Eritreas Präsident Isaias Afwerki am Wochenende vor rund 25.000 Menschen in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Zuvor war der eritreische Staatschef mit wehenden Flaggen am Flughafen in Addis Abeba empfangen worden - zum ersten Mal seit 22 Jahren. Auch Äthiopiens Premierminister Abiy Ahmed zeigte sich emotional: "Äthiopien freut sich sehr darüber, dass wir unsere verschollene Schwester wieder gefunden haben."

Tausende Menschen feierten am Wochenende ausgelassen auf den Straßen der Hauptstadt, äthiopische Popstars sangen über den neu geschlossenen Frieden. "Ich freue mich sehr, dass ich nun endlich wieder Kontakt zu meinen Brüdern und alten Freunden in Eritrea aufnehmen kann", sagte ein sichtlich begeisterter junger Mann der DW. "Nun gibt es kein endlos langes Warten mehr auf Facebook-Nachrichten. Ich werde einfach ins Auto steigen können und meine Freunde persönlich treffen."

Die Möglichkeit dazu ist da: Vier Straßen zwischen beiden Ländern sind bereits wieder für den Verkehr freigegeben. Am Mittwochmorgen flog auch zum ersten Mal nach 20 Jahren wieder ein Linienflug von der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba Richtung Eritrea. An Bord der ausgebuchten Maschine von "Ethiopian Airlines" befand sich laut Medienberichten auch der ehemalige Premierminister Äthiopiens, Hailemariam Desalegn. Äthiopiens Regierungssprecher teilte per Twitter mit, dass die Staatslinie einen 20-prozentigen Anteil an der nationalen Fluggesellschaft Eritreas übernehmen wird.

Selfies und gute Stimmung an Bord des ersten Linienflugs zwischen Äthiopien und Eritrea seit 20 JahrenBild: Getty Images/AFP/H. Tadese

Aus Erzfeinden werden Freunde

Dabei wäre noch vor wenigen Monaten an Frieden zwischen den beiden Nachbarländern nicht zu denken gewesen. Eritrea hatte sich 1993 nach einem drei Jahrzehnte langen Bürgerkrieg von Äthiopien abgespalten und für unabhängig erklärt. Von 1998 bis 2000 führten die Staaten einen erbitterten Grenzkrieg, bei dem mehr als 80.000 Menschen getötet wurden. Telefonleitungen wurde gekappt, Grenzübergänge geschlossen und Familien voneinander getrennt. Seitdem herrschte politischer Stillstand zwischen Äthiopien und Eritrea.

Doch dann passierte, was Experten kaum für möglich gehalten hatten: Nach einem wochenlangen Austausch freundschaftlicher Gesten reiste Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed vor knapp einer Woche nach Eritrea. Dort unterzeichneten er und Amtskollege Afwerki einen Friedens- und Freundschaftsvertrag und verkündeten die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen.

Frischer Wind in Äthiopiens Politik

Für den Äthiopien-Experten Solomon Dersso ist klar, wer für den Wandel am Horn von Afrika verantwortlich ist. "Diesen Friedensprozess müssen wir ganz klar dem Mut und der Hingabe des äthiopischen Premierminister Abiy Ahmed zuschreiben", sagt der Sicherheitsberater. Seit langem gebe es den starken Wunsch nach Frieden und dem Ende der Spaltung der zwei Nationen. "Ohne den Willen beider politischer Parteien, aber auch der Bevölkerung wäre es nicht möglich gewesen", so der Experte.

Ein prachtvoll geschmücktes Kamel für den neuen Freund: das Geschenk von Äthiopiens Premierminister Abiy (rechts) an Eritreas Präsidenten AfwerkiBild: Prime Minister Office Ethiopia/F. Arega

Seit April ist Premierminister Abiy Ahmed nun im Amt und krempelt Äthiopien in atemberaubendem Tempo um. Seine Vorgänger hatten das Land durch ihren autokratischen Führungsstil zunehmend in eine politische Krise manövriert. Schwere Unruhen, bei denen mehrere tausend Menschen ums Leben kamen, waren die Folge.

Doch während ein Teil des Landes nun den Frieden mit Nachbar Eritrea euphorisch feiert, halten die inneren Konflikte an. Besonders betroffen war zuletzt der Süden Äthiopiens. Angesichts steigender Flüchtlingszahlen warnen Internationale Hilfsorganisationen vor einer humanitären Krise. "Die Unruhen, die immer wieder gestiftet werden, sind nicht hilfreich für den Reformations- Friedensprozess in dem wir uns gerade befinden", so Premierminister Abiy Ahmed bei der Verabschiedung seines eritreischen Amtskollegen am Montagmorgen.

Neue Chancen auf beiden Seiten

Und auch auf bilateraler Ebene würden Feierstimmung und Freude nicht ausreichen, um langfristig Frieden zu gewähren, meint Sicherheitsexperte Solomon Dersso. Doch grade diesen Frieden bräuchten beide Staaten, um ihre wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. "Wichtig ist nun, wie sie das in Asmara unterschriebene Abkommen umsetzen. Vor allem in Hinblick auf die Grenzfragen, aber auch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Ländern", so Dersso weiter.

Eine Musikkapelle spielt bei der Eröffnung der eritreischen Botschaft in Äthiopien, dem einstigen Kriegsgegner Bild: Reuters/T. Negeri

Denn durch die neuen freundschaftlichen Beziehungen könnten beide Seiten auch wirtschaftlich profitieren. Künftig soll Äthiopien den Hafen Assab in Eritrea wieder nutzen dürfen, der an der strategisch wichtigen Schifffahrtslinie zwischen Europa und Asien liegt. Bisher musste Äthiopien seinen Warenverkehr über den Hafen im benachbarten Dschibuti nutzen. Nicht nur werde Äthiopien besseren Zugang zum Roten Meer haben, auch Eritreas wirtschaftliche Chancen hätten sich verbessert, sagt Experte Dersso. So hat der UN-Vorsitzende Antonio Guterres bereits angekündigt, dass UN-Sanktionen gegen Eritrea möglicherweise aufgehoben werden könnten. Eritrea gilt als eines der repressivsten und isoliertesten Länder der Welt. 

Das neue Friedensabkommen sei ein Stabilisator für die ganze Region, sagt auch Christoph Kannengießer, Geschäftsführer des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft im DW-Interview. "Ich glaube, dass in Äthiopien jetzt schon die Weichen für eine stärkere Liberalisierung und eine stärkere Öffnung der Wirtschaft nach außen und somit auch für mehr Chancen für privates unternehmerisches Engagement gestellt sind." Ob dies auch bald in Eritrea möglich sei, müsse man prüfen, sagt Kannengießer. "Aber alles in allem ergeben sich natürlich schon Chancen: Für mehr Mobilität, für Verkehr und damit für Handel und Investition, auch unter Beteiligung internationale Wirtschaftsakteure." Dazu gehöre auch Deutschland.

Mitarbeit: Yohanes G. Egiziabher und Azeb Tadesse Hahn

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