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Politik

Neue Furcht vor Eskalation in Nordirland

19. April 2019

Am Rande von Ausschreitungen in der nordirischen Stadt Londonderry ist eine Journalistin erschossen worden. Die Polizei sprach von einem terroristischen Akt. Die Tat wird auch international einhellig verurteilt.

Nordirland Londonderry Ausschreitungen
Bild: picture-alliance/dpa/N. Carson

Die EU-Kommission ist besorgt angesichts der tödlichen Schüsse auf eine junge Frau im nordirischen Londonderry. "Wir verurteilen solche Gewalt und sind zuversichtlich, dass die britischen Behörden die genauen Umstände dieses tragischen Vorfalls aufklären werden", erklärte ein Sprecher der Brüsseler Behörde.

Bei der Toten handelt es sich um die Journalistin Lyra McKee. Die Polizei von Londonderry hatte in der Nacht auf Twitter mitgeteilt, dass die 29-Jährige am Rande von Ausschreitungen von Schüssen getroffen worden und später im Krankenhaus gestorben sei. Die Attacke werde als terroristischer Akt angesehen, sagte der stellvertretende Polizeichef von Nordirland, Mark Hamilton. Es seien Mordermittlungen eingeleitet worden. Man vermute, dass der Angriff von irischen Nationalisten ausgegangen sei, wahrscheinlich von der militanten Organisation New IRA, fügte er hinzu. Zuvor war es in einem Stadtteil, der als Hochburg irischer Nationalisten gilt, zu gewaltsamen Ausschreitungen gekommen.

Weber: "Warnung an uns"

Der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei für die Europawahl, Manfred Weber, erklärte auf Twitter: "Dieser besorgniserregende Anstieg der Gewalt in Nordirland ist auch eine Warnung an uns: Wir müssen alles tun, um den Frieden in Nordirland und das Karfreitagsabkommen trotz des Brexits zu sichern."

Vom IRA-Kämpfer zum Sozialarbeiter

03:49

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Die britische Premierministerin Theresa May bezeichnete den Tod der jungen Frau als "schockierend und wirklich sinnlos". Irlands Premierminister Leo Varadkar sagte, man dürfe denen, die Gewalt, Angst und Hass verbreiteten, nicht erlauben, die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen. Die Vorsitzende der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP), Arlene Foster, verurteilte die "sinnlose" Gewalt. "Diejenigen, die in den 70er, 80er und 90er Jahren Schusswaffen in unsere Straßen gebracht haben, lagen falsch. 2019 ist es genauso falsch", erklärte sie. Auch die Vize-Chefin der irisch-republikanischen Partei Sinn Fein, Michelle O'Neill, verurteilte den Tod der jungen Frau. "Das war ein Angriff auf die Gemeinschaft, ein Angriff auf den Friedensprozess und auf das Karteifreitagsabkommen."

In der britischen Provinz Nordirland hatten sich jahrzehntelang irisch-katholische Nationalisten und protestantische Loyalisten bekämpft. Seit den 1960er Jahren kamen dabei 3500 Menschen ums Leben, viele wurden von der Untergrundorganisation IRA getötet. Der Konflikt wurde erst durch das Karfreitagsabkommen von 1998 beigelegt.

Angespannte Lage

Der Vorfall in Londonderry macht die angespannte Lage in Nordirland deutlich, die im Brexit-Drama eine entscheidende Rolle spielt. Zuletzt wuchs die Sorge, dass beim geplanten EU-Austritt Großbritanniens wieder eine feste Grenze zur Republik Irland entstehen und der alte Konflikt in der britischen Provinz wieder aufflammen könnte. In den vergangenen Monaten war es ohnehin schon zu einem Anstieg der Gewalt in Nordirland gekommen. Die Polizei macht dafür die paramilitärische Gruppe "New IRA" verantwortlich. Im Januar detonierte in Derry eine Autobombe.

Auslöser der nächtlichen Auseinandersetzungen war eine Hausdurchsuchung der Polizei, die nach eigenen Angaben gewalttätige Angriffe verhindern wollte, die angeblich für das Wochenende geplant waren. Mindestens 50 Brandbomben wurden danach gezündet und zwei Autos in Brand gesetzt. Auf Fotos und Videos in sozialen Medien sind brennende Fahrzeuge und Vermummte zu sehen, die Molotowcocktails und Sprengkörper auf Polizeifahrzeuge werfen. Die Ausschreitungen ereigneten sich 21 Jahre nach dem Karfreitagsabkommen und zu einem Zeitpunkt, zu dem irisch-katholische Nationalisten an den Aufstand gegen die Briten in Dublin im Jahr 1916 erinnern.

Letztes Foto auf Twitter

Nach Angaben der Polizei war die Frau zur Zeit der Attacke nicht als Journalistin im Dienst. McKee hat viel über den Nordirland-Konflikt und seine Folgen geschrieben und war unter anderem für das Magazin "The Atlantic" und Buzzfeed News tätig. Sie hatte noch am Donnerstagabend ein Foto auf Twitter veröffentlicht, das die Unruhen in Creggan zeigte. "Derry heute Abend. Völlig verrückt", schrieb sie dazu. Ihr Twitter-Account ist mittlerweile geblockt, eine befreundete Kollegin veröffentlichte die letzte Nachricht der Journalistin.

McKee war auch Autorin eines Buches über das Verschwinden junger Menschen während der Jahrzehnte andauernden Auseinandersetzungen zwischen irischen Nationalisten und pro-britischen Loyalisten in Nordirland.

Die Stadt Derry, die von den Protestanten Londonderry genannt wird, war 1972 Schauplatz des "Bloody Sunday". Damals schossen britische Soldaten auf unbewaffnete Teilnehmer einer nicht genehmigten Demonstration. 14 Menschen wurden getötet.

kle/sti (rtr, dpa, afp)

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