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Neue Heimat Schweden

Sabrina Pabst6. September 2013

Die Zahlen steigen dramatisch: Über zwei Millionen Syrer sind vor dem Bürgerkrieg auf der Flucht. Schweden handelt: Syrische Flüchtlinge, die bereits dort sind, dürfen dauerhaft bleiben. Werden weitere EU-Länder folgen?

Syrische Flüchtlinge kommen an der Grenze zur Türkei an - Foto: Bulent Kilic (AFP)
Bild: Bulent Kilic/AFP/Getty Images

Schweden sendete als erstes Land der Europäischen Union ein positives Signal an Menschen aus Syrien, die wegen des Bürgerkriegs ihre Heimat verlassen mussten: ein unbefristetes Aufenthaltsrecht für alle syrischen Flüchtlinge, die es bereits nach Schweden geschafft haben. Etwas Ähnliches hat es seit Beginn der Syrien-Krise nicht gegeben. Die Europäische Union habe angesichts der gewaltigen Flüchtlingszahlen lange genug gezögert, sagt der Chef der schwedischen Einwanderungsbehörde Anders Danielsson. "Man darf sagen, um es einmal milde auszudrücken, dass sich der Konflikt in Syrien bedeutend verschärft hat. Und wir gehen davon aus, dass dies in absehbarer Zeit nicht aufhören wird."

Allein seit 2012 sind 14.700 Syrer nach Schweden geflüchtet. Zunächst bekommen 8000 ein unbefristetes Bleiberecht. Den restlichen und nachkommenden Flüchtlingen wird ebenfalls ein uneingeschränktes Aufenthaltsrecht in Aussicht gestellt. Dass jetzt wohl noch mehr Menschen versuchen werden, nach Schweden zu gelangen, dessen ist sich der Leiter der Einwanderungsbehörde bewusst. Auch sie sollen von der neuen Regelung profitieren.

In der Not keine zusätzlichen Hürden schaffen

Die unbefristete Aufenthaltsgenehmigung bietet den Flüchtlingen vor allem eins: Sicherheit. Doch wichtiger für sie ist das gewonnene Recht, auch ihre Familienangehörigen zu sich zu holen. Für Anders Danielsson steht besonders im Vordergrund, dass durch die Kriegswirren zerrissene Familien wieder zusammengeführt werden: "Das ist vielleicht die wichtigste Konsequenz für jeden Einzelnen: dass man mit seiner Familie zusammen sein kann. Dass sich die Familie, die sich in Syrien oder irgendwo in der Region befindet, an eine schwedische Botschaft wenden kann."

Flüchtlingslager im Libanon: 5000 Menschen suchen täglich außerhalb Syriens SchutzBild: World Vision Deutschland.

Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen begrüßen die Entscheidung der schwedischen Einwanderungsbehörde. Karl Kopp, Europareferent von Pro Asyl hofft, dass Schwedens liberale Regelung auch in der Praxis reibungslos umgesetzt werde. Flüchtlinge scheiterten oft daran, notwendige Unterlagen und Papiere vorweisen zu können. Aber wie soll das auch funktionieren, wenn sie tagelang auf der Flucht sind und mit letzter Kraft in Flüchtlingslagern und Notunterkünften ankommen. Hinzu kommt, dass in Bürgerkriegszeiten ausländische Botschaften und andere Behörden in der Heimat kaum geöffnet sind. "Bei dem ganzen Chaos - möglicherweise mit einem zusätzlichen militärischen Eingriff - wissen wir nicht, wie es im Land weitergeht. Es ist durchaus möglich, dass gewisse Anforderungen zu hoch sind und dass Menschen an den bürokratischen Anforderungen scheitern", sagte Karl Kopp der Deutschen Welle.

Mehr als 1600 Flüchtlinge haben seit dem Bekanntwerden der Neuregelung beantragt, ihre Familien nach Schweden holen zu können. Bei üblichen Asylverfahren müssten Flüchtlinge allerdings als Familienangehöriger für den Unterhalt aufkommen. Viele Leute haben nicht die Geldmittel oder eine Wohnung, die groß genug ist, um das zu gewährleisten. Ob die üblichen Auflagen auch für syrische Flüchtlinge gelten sollen, ist bisher ungewiss. "Trotz richtigem Ansatz könnte die Humanität am Geld scheitern", mein Karl Kopp.

Malmström muss den Druck erhöhen

Den Beschluss der schwedischen Einwanderungsbehörde begrüßt auch EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström. Sie fordert weitere Länder der Europäischen Union auf, dem schwedischen Vorbild zu folgen. Gerade weil die Zahl der Flüchtlinge dramatisch ansteige, "müsse die gesamte EU bereit sein, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Solidaritätsmaßnahmen zu antworten", sagte Malmströms Sprecher der Nachrichtenagentur AFP.

Europa-Abgeordnete Lochbihler: "Deutschland sollte mehr Syrer aufnehmen"Bild: picture-alliance/dpa

Barbara Lochbihler von den Grünen sitzt im Auswärtigen Ausschuss des Europäischen Parlaments. Sie war erst im Dezember 2012 in einem Flüchtlingslager nahe der syrischen Grenze. Wegen der katastrophalen und menschenunwürdigen Zustände dort sieht die EU-Innenkommissarin in ihrer Pflicht. "Malmström muss den Druck auf die Mitgliedsländer erhöhen. Wenn sie den richtigen Rahmen setzt, dann müssen sie sich entscheiden." Damit würden die Regierungen der weiteren 26 EU-Staaten unter Druck geraten. Neben Schweden hat auch Deutschland zugesagt, 5000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Auch Österreichs Regierung hat angekündigt, 500 Flüchtlinge zu holen.

Tragödie des Jahrhunderts wird zur humanitären Katastrophe

Menschenrechtler Kopp: "Eine europäische Debatte über die Flüchtlingskrise fehlt"Bild: Pro Asyl Deutschland

Über die Aufnahme von Flüchtlingen entscheiden die Staaten selbst. Eine finanzielle Unterstützung reiche allein nicht aus, meint Barbara Lochbihler. "Wenn ein Militärschlag diskutiert wird, müssen die Regierungen die syrischen Menschen unterstützen. Angesichts der Jahrhunderttragödie kann man nicht nur hoffen und bedauern, da müssen sie konkret helfen." Jetzt wäre es an der Zeit, angesichts des katastrophalen Ausmaßes umzudenken. "Wir haben gesehen, dass die EU-Mitgliedsstaaten keinen politischen Willen zeigen, verbindlich Flüchtlinge aufzunehmen." Dazu wäre ein weiteres Signal hilfreich: Deutschland solle mehr Flüchtlinge aufnehmen, als bisher.

Auch Karl Kopp von Pro Asyl sieht die Notwendigkeit, den Druck auf alle EU-Länder zu erhöhen und einen gefahrenlosen Zugang zur Europäischen Union zu gewähren. "Es ist beschämend und irritierend, dass eine Debatte zur Aufnahme, vor allem in Schweden und in Deutschland stattfindet, aber nicht in der gesamten EU."

Ein positives Beispiel ist Schweden allemal, denn das Vorhaben der Behörden stößt bei den Bürgern auf wenig Widerstand. Kritik der Bevölkerung oder Mahnungen, Schweden sei dem zunehmenden Flüchtlingsstrom nicht gewachsen, ist kaum zu hören.

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