Neue Heimat USA: Weiße Südafrikaner auf der Flucht?
13. Mai 2025
Sie sind in ihrer neuen Heimat angekommen - als Flüchtlinge verließen 59 weiße Südafrikaner, darunter Familien und Kinder, ihr Land am Kap mit einem privaten Charterflugzeug und landeten auf dem internationalen Flughafen von Dulles außerhalb von Washington.
Im Eilverfahren machte die Trump-Regierung diese Einreise möglich und beschleunigte die Umsiedlung der Angehörigen der weißen Minderheit aus Südafrika in die USA. Schon im Februar kündigte US-Präsident Donald Trump ein neues Programm an, um Flüchtlinge aus Südafrika aufzunehmen, die unter einer seiner Ansicht nach rassistisch orientierten Politik zu leiden hätten.
"Genozid in Südafrika"
Trump reagierte damit auf ein neues Gesetz, das der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa am 20. Januar 2025 unterzeichnet hatte und die Enteignung von privatem Grundbesitz und etwaige Entschädigungen regelt. "Dort findet ein Genozid statt", sagte Trump an diesem Montag im Weißen Haus.
Doch für die Soziologin Tessa Dooms - sie ist Direktorin der Denkfabrik Rivonia Circle in Johannesburg - ist die Tatsache, dass weißen Südafrikanern in den USA der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde, eine sehr beunruhigende Entwicklung: "Denn sie beruht auf Lügen, auf falschen Erzählungen und Propaganda - und ist rein fiktiv", sagt sie zur DW.
Es gebe keinen Landraub in Südafrika, betont die Analystin. "Wenn von weißem Völkermord die Rede ist, wird seit langem ein Narrativ erzählt, das sich in den letzten 15 Jahren in den Afrikaaner-Gemeinschaften herausgebildet hat." Demnach werden Farmer, die mehrheitlich weiß sind, gezielt ermordet. "Das ist nicht wahr", sagt Dooms zur DW.
Afrikaaner, auch Buren genannt, sind weiße Nachkommen niederländischer und anderer europäischer Einwanderer und stellen heute rund sieben Prozent der Bevölkerung Südafrikas.
Der hohen Mordrate in Südafrika könnten auch weiße Südafrikaner als Teil der Gesellschaft zum Opfer fallen, doch schwarze Südafrikaner, meistens junge Männer, würden häufiger ermordet. Bei der hohen geschlechtsspezifischen Gewalt im Land sei die Wahrscheinlichkeit, dass schwarze Frauen ermordet werden, viel höher als bei weißen Farmern.
Keine Verfolgung weißer Farmer
Südafrikas Minister für Internationale Beziehungen, Ronald Lamola, betätigt: "Es gibt keine Verfolgung von weißen Afrikaanern in Südafrika. Dies wird durch eine Reihe von Statistiken in unserem Land bewiesen, einschließlich der Polizeiberichte, die die Behauptung der Verfolgung weißer Südafrikaner aufgrund ihrer Ethnie nicht belegen."
Laut Dooms findet auch keine groß angelegte Landreform statt, obwohl "wir jahrhundertelang durch die rassistische Kolonialpolitik enteignet wurden".
Bis heute gehören rund vier Fünftel des privaten Ackerlandes in Südafrika der weißen Bevölkerung - Ländereien, die ihre Vorfahren vor allem während der Kolonialzeit und dem rassistischen Apartheid-Regimes in Besitz genommen hatten. Trump, wie auch sein enger Berater und gebürtiger Südafrikaner Elon Musk, stellen das Gesetz zur Enteignung von privatem Grundbesitz als Umverteilungsinitiative zu Ungunsten der weißen Bevölkerung Südafrikas dar.
Die Regierung in Pretoria weist das zurück und beharrt darauf, dass es in den meisten Staaten der Welt, einschließlich den USA, ähnliche Gesetze gebe. Es schaffe einen Rechtsrahmen, um Land von Privateigentümern zu enteignen, wenn dies von überragendem Gemeinwohlinteresse ist, also beispielsweise für Straßen benötigt wird.
Landreform: Verfassung schützt vor Willkür
Die Politikwissenschaftler Zainab Usman und Anthony Carroll vom Afrika-Programm des US-Thinktanks Carnegie Endowment sehen das Gesetz durchaus als "Teil der Bemühungen, historische Ungleichheiten zu beseitigen", wie sie in einem Gastbeitrag in der südafrikanischen Zeitung "Daily Maverick" schreiben.
Im Gespräch mit der DW sagte Carroll: "Sie haben die Macht der Regierung ausgeweitet und einige in Südafrika hätten sich gewünscht, dass der ANC andere Regierungsmitglieder stärker am Gesetzgebungsprozess beteiligt hätte." Der Afrikanische Nationalkongress (ANC) regiert seit einem knappen Jahr, erstmals seit Ende der Apartheid 1994, nicht mehr mit absoluter Mehrheit, sondern in einer Koalition mit neun anderen Parteien. "Dennoch", sagt Carroll, "es besteht immer noch ein verfassungsmäßiger Schutz vor willkürlicher Inbesitznahme."
Laut der Südafrikanischen Handelskammer in den USA hatten sich bereits Mitte März mehr als 67.000 Südafrikaner gemeldet, um in die USA auszuwandern. Dass Angst vor Diskriminierung dabei ein wesentlicher Treiber ist, glaubt der amerikanische Migrationsforscher Loren Landau von der Witwatersrand University in Südafrika nicht: "Sie sehen es als Chance, in die USA zu gehen, ihre Kinder dort ausbilden zu lassen und sie ergreifen diese Chance", sagte er der südafrikanischen Zeitung "The Citizen".
Trump - ein "Retter des Christentums"
Einige ausreisewillige Afrikaaner hätten in Interviews sogar zugegeben, dass sie in ihrer Heimat nicht verfolgt werden, so Landau. Trumps Vorwurf gezielter Verfolgung von Weißen in Südafrika habe sehr wenig mit den empirischen Realitäten Südafrikas zu tun, sagte er "South Africa Today". Vielmehr gehe es darum, "dass Trump sich als Retter des weißen Privilegs und des Christentums in der Welt positioniert".
Für den Südafrikaner Freeman Bhengu ist das Ganze ein "Komplott" von Donald Trump, aber auch von Israels Premierminister Benjamin Nethanjahu. "Dies ist ein Racheakt", sagt er und nimmt Bezug auf die Klage Südafrikas gegen Israel wegen Völkermord an den Palästinensern in Gaza vor dem Internationalen Gerichtshof Ende 2023 in Den Haag. "Das ist politisch motiviert und böse, und das ist etwas, das von den USA und Israel gut orchestriert ist", sagt er zur DW. Die Afrikaaner würden nur benutzt, denn sie wüssten selbst, dass es keinen Völkermord in Südafrika gibt, so Bhengu. "Lasst sie gehen, wir können diese Farmer ersetzen, aber das ist ein geopolitischer Krieg, und das hat nichts mit Afrikaanern zu tun."
In der Tat sind die Beziehungen zwischen Pretoria und Washington sind seit Jahren belastet. Die Nähe Südafrikas zu den anderen BRICS-Ländern, insbesondere China und Russland, war schon den letzten beiden US-Regierungen ein Dorn im Auge. Die Beziehungen verschlechterten sich nach der Klage vor dem IGH in Den Haag.
Kurz nach dem erneuten Amtsantritt von Donald Trump haben sie einen weiteren Tiefpunkt erreicht. Per Dekret setzte der US-Präsident sämtliche Hilfen für das Land aus, die vor allem den Kampf gegen Aids gewidmet waren. Mit demselben Dokument schuf er eine Ausnahme von seiner sonst restriktiven Flüchtlingspolitik für Afrikaaner, die "rassistisch motivierter Verfolgung" entfliehen wollten.
Dabei spiele laut Dooms Trumps enger Berater Elon Musk eine Rolle, der aufgrund seiner südafrikanischen Wurzeln beim amerikanischen Präsidenten Gehör findet. "Und zwar auf eine Art und Weise, die dem Ansehen unseres Landes [Südafrika, Anm. d. Red.], aber auch unserer Gesellschaft schadet."
Diskriminierung von Weißen auch in den USA?
Auch in den USA sehen viele in Trumps Vorgehen gegen Südafrika einen Schritt, mit dem er rechts-nationalistische Gruppen in den USA anspricht, die auch in den USA eine Diskriminierung der weißen Bevölkerungsmehrheit durch linke Ideologien ausmachen. Dass dabei gerade Südafrika in Trumps Fokus gerückt ist, wirkt keineswegs wie ein Zufall.
Neben Elon Musk haben auch eine Reihe weiterer einflussreicher Persönlichkeiten eine prägende Beziehung zu dem Land am Kap - wie der in Kapstadt geborene David O. Sacks, der Trumps letzten Wahlkampf wie Musk wortstark unterstützte und der teilweise in Südafrika aufgewachsene Tech-Milliardär Peter Thiel. Auch wenn Thiel sich mittlerweile von der Republikanischen Partei abgewandt hat, war er in Donald Trumps erstem Wahlkampf größter Einzelspender.
"Die zentrale Bedeutung des südlichen Afrikas für die extreme Rechte und die Neoliberalen ist ziemlich außergewöhnlich", sagte der kanadische Zeithistoriker und Kapitalismuskritiker von der Boston University Quinn Slobodian kürzlich in einem Interview mit "Democracy Now!". Für Musk, Thiel und andere hätten ihre Erfahrungen während und nach der Apartheid in Südafrika "die Rolle einer schlechten Zukunft" eingenommen und sie täten alles, um sich davor zu "verstecken und abzuschirmen".
Mitarbeit: Thuso Khumalo, Johannesburg