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PolitikAsien

Neue Ideen für Wiener Atomgespräche gesucht

26. November 2021

Kann das internationale Atomabkommen mit dem Iran gerettet werden? Alle Beteiligten geben vor, das zu wollen. Möglicherweise ist es aber schon überholt.

Östtreich | Kundgebungen bei Wiener Atomverhandlungen
Tagungsort Grand Hotel Wien Bild: Askin Kiyagan/AA/picture alliance

Am kommenden Montag wollen sie sich in Wien nach monatelanger Pause wieder an den Verhandlungstisch setzen: Diplomaten aus Deutschland, Frankreich, China, Russland und Großbritannien sowie iranische Regierungsvertreter. Auf der Tagesordnung dieses Treffens der sogenannten "Gemeinsamen Kommission" des Wiener Atomabkommens von 2015 (JCPOA, "Joint Comprehensive Plan of Action")  stehen "die Aussichten für eine mögliche Rückkehr der USA (zu dem Abkommen) und wie dessen umfassende und effektive Umsetzung durch alle Seiten zu gewährleisten ist", so die Pressemitteilung der EU, die den Vorsitz des Treffens hat.  Die Hauptbeteiligten sind allerdings der Iran und die USA, letztere sitzen sozusagen im Nebenzimmer, weil Teheran direkte Gespräche mit den USA ablehnt.

Kontrollen durch IAEA eingeschränkt

Die Voraussetzungen sind nicht günstig, wie die ergebnislose jüngste Reise von Rafael Grossi in den Iran gezeigt hat. Der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) war am Dienstag nach Teheran gereist, um über die Überwachung  der Umsetzung des Atomabkommens durch den Iran zu sprechen. Bei dieser Aufgabe wird die IAEA vom Iran seit Februar 2021 "in gravierender Weise behindert", wie Grossi kurz nach der Teheran-Reise vor dem Gouverneursrat der Organisation ausführte.

Gestörtes Verhältnis: Iran und die IAEA in Wien Bild: Michael Gruber/Getty Images

Die Atombehörde wirft dem Iran unter anderem unverhältnismäßige Überprüfungen und Schikanierungen seiner Inspektoren vor. Im Zentrum der aktuellen Forderungen der IAEA an den Iran steht die Überwachung einer Werkstatt  der iranischen Gesellschaft für Zentrifugentechnologie (TESA) in Karadsch in der Nähe von Teheran. Man habe inhaltlich keine Fortschritte gemacht, so das Fazit Grossis nach den Gesprächen.

Die Anlage war im Juni Ziel eines Sabotageangriffs, für den der Iran Israel verantwortlich macht. Dabei wurde eine von vier Überwachungskameras zerstört, die übrigen wurden vom Iran entfernt. Seitdem hat die IAEA keine Möglichkeiten der Überwachung der Anlage.

Urananreicherung geht stetig weiter

Die IAEA hatte vergangene Woche mitgeteilt, dass der Iran seinen Bestand an höher angereichertem Uran als erlaubt in den vergangenen Monaten deutlich aufgestockt hat. Nach eigenen Angaben von Anfang November besitzt der Iran rund 25 Kilogramm von auf 60 Prozent angereichertem Uran. Damit hat er sich weit von den Bestimmungen des Atomabkommens entfernt, das dem Land eine auf 300 Kilogramm begrenzte Menge von Uran mit einer Anreicherung von 3,67 Prozent zugesteht.

IAEA-Chef Rafael Grossi und Irans Außenminister Hossein Amirabdollahian vor ihren Gesprächen in Teheran am vergangenen DienstagBild: Vahid Salemi/picture-alliance/AP

Die IAEA geht laut ihrem Bericht von Mitte November von 17,7 Kilogramm Uran aus, das auf 60 Prozent angereichert wurde. Nach Einschätzung von Fachleuten braucht der Iran damit nur noch einen bis mehrere Monate, um über genügend waffenfähiges Uran mit einem Anreicherungsgrad von etwa 90 Prozent für den Bau einer Atombombe zu besitzen.

Sabotagevorwürfe

"Die jüngsten Schritte Irans beim Ausbau seines Atomprogramms und seine mangelnde Zusammenarbeit mit der IAEA sehe ich als Teil einer doppelten Strategie", schreibt Younes Zangiabadi, Executive Vice President des kanadischen Think Tanks "Institute for Peace and Diplomacy" auf Anfrage der DW. "Einerseits ist dies eine Reaktion auf die mutmaßlichen israelischen Sabotageakte gegen die iranische Atomanlage im Juni, die nach iranischen Angaben zur Demontage der von der IAEA installierten Kameras geführt haben. Andererseits ist es ein Ansatz, der dem Land mehr Druckmittel am Verhandlungstisch verschaffen soll."

Die IAEA wirft Iran Behinderung seiner Inspektionstätigkeit vorBild: Imago/UPI Photo

Der Iran behauptet, von der IAEA installierte Kameras und Überwachungstechnik seien für die Sabotage des Atomprogramms genutzt worden. Zangiabadi zufolge will Teheran demonstrieren, dass solche Sabotageakte  nicht nur untauglich sind, um Irans Atomprogramm zurückzuwerfen, sondern dass sie die Kosten und Anstrengungen für das Ausland erhöhen, um sich Zugang und Transparenz in Bezug auf Irans Atomprogramm zu verschaffen.

Unterdessen lässt Washington verlauten, man werde nicht "tatenlos zusehen, wenn der Iran mit seinen Fortschritten zu nahe an den Besitz der Bombe kommt." In einem Interview mit dem US-Sender National Public Radio (NPR) sagte der US-Unterhändler bei den Iran-Gesprächen, Rob Malley: "Wenn sie sich dafür entscheiden, das Abkommen nicht einzuhalten, dann müssen wir natürlich andere Anstrengungen unternehmen, diplomatische und andere, um die nuklearen Ambitionen des Irans zu beantworten."

Interimsabkommen als Weg aus der Sackgasse?

Für eine diplomatische Lösung sollen nach iranischer Vorstellung die USA in Vorleistung gehen, weil sie einseitig aus dem Vertrag ausgestiegen seien. Teheran fordert die Aufhebung der US-Sanktionen und Zusagen, dass die USA langfristig an dem Atomabkommen festhalten werden. Allerdings ist Biden zu solchen Vorleistungen bislang nicht bereit. Hinzu kommt, dass viele US-Sanktionen gegen iranische Organisationen und Personen mit der Begründung "Terrorunterstützung" verhängt wurden und nicht im Zusammenhang mit Irans Atomprogramm. Gegen die Aufhebung solcher Sanktionen würde sich massiver Widerstand der Republikaner im US-Kongress erheben. 

Ungenutzte Wirtschaftskraft: Irans riesige Erdgasvorkommen Bild: Vahid Salemi/AP/picture alliance

Eine Wiederbelebung des JCPOA sei im gegenwärtigen politischen Klima sehr unwahrscheinlich, meint denn auch Younes Zangiabadi. Er sieht einen möglichen Weg aus der Sackgasse, indem der Iran und die USA stufenweisen deeskalieren und sich zunächst auf ein Zwischenabkommen einigen. "Das kann eine praktikable Lösung sein, um kurzfristig die wichtigsten Anliegen beider Seiten zu behandeln und um mehr Zeit für Verhandlungen über eine später zu erzielende und auf lange Sicht tragfähige Version des JCPOA zu gewinnen", sagt Zangiabadi. Biden habe genügend politischen Spielraum, um sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene auf Sanktionserleichterungen für den Iran und die Freigabe seiner eingefrorenen Guthaben  hinzuwirken. Damit könnte kurzfristig ein Interimsabkommen und langfristig ein umfassenderes Abkommen erzielt werden, meint der Nahost-Experte vom kanadischen "Institute for Peace and Diplomacy".

Auch der iranische Ex-Diplomat Kourosh Ahmadi griff unlängst in einem Interview mit der Teheraner Zeitung "Etemad" die Idee von einem Zwischenabkommen auf. Wie das konkret funktionieren solle, müsse am Verhandlungstisch besprochen werden, sagte Ahmadi. "Wenn die Einzelheiten geklärt sind und die Vorteile für den Iran angesichts der aktuellen Wirtschaftslage deutlich werden, könnte das für den Iran interessant sein."

 

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