Auf einer Brachfläche im Herzen Berlins starteten heute die Bauarbeiten des Museums der Moderne. Dass es sehr teuer wird, ist gewiss. Ob es auch gut wird, darüber wird noch gestritten.
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Mit einem ersten Spatenstich starteten heute die Bauarbeiten für Berlins neuesten Kulturtempel. Im Vorfeld hatte es lange, kontroverse und emotionale Diskussionen gegeben - insbesondere hinsichtlich der geschätzten Kosten von bis zu 450 Millionen Euro. Kulturstaatsministerin Monika Grütters würdigte bei der Feier den Standort in der Nähe des Potsdamer Platzes: Im Herzen der Hauptstadt entstehe ein Ort, der das 20. Jahrhundert im Spiegel der Kunst sichtbar machen solle, so Grütters. Bis zur ersten Ausstellung wird es allerdings noch viele Jahre dauern - anvisiert ist das Jahr 2026.
Dass das Museum der Moderne nun endlich gebaut werde, stellt sicherlich auch die Sammler zufrieden. Diese wurden zunehmend ungeduldig, schließlich war eine Eröffnung des Neubaus einst bereits für 2021 angedacht gewesen. Die Leihgaben, etwa aus der Privatsammlung der Familie Pietzsch, sind wesentlicher Bestandteil des Museums für Kunst des 20. Jahrhunderts.
Zurück in die 1. Kunst-Liga
Eines der teuersten Bauvorhaben in der Berliner Kulturlandschaft und ein Prestige-Projekt der Berliner Kulturpolitik: Das Museum der Moderne wird ein Erweiterungsbau der Neuen Nationalgalerie sein. Die Architektur-Ikone von Mies van der Rohe war bislang Ausstellungsort für zeitgenössische Kunst. Das 1968 errichtete Gebäude - das übrigens seit 2015 geschlossen und umfassend saniert wird - ist längst zu klein für die Bestände der Staatlichen Museen Berlins. Und auch der Hamburger Bahnhof, ein weiteres staatliches Museum für moderne Kunst, scheint nicht auszureichen. Es geht also um den großen Wurf: Berlin wird einen neuen, spektakulären Bau erhalten - großzügig, weiträumig und tonangebend. Auch, um mit weiteren Städten und deren renommierten Häusern wie der Tate Modern in London oder dem Museum of Modern Art in New York mithalten zu können.
Jenseits des Atlantiks kommt das neue Vorhaben gut an: "So kann Berlin die Energie wiedererlangen, die es damals zur Hauptstadt der modernen Kunst machte. So kann sich Berlin wieder als eine treibende Kraft im Studium des 20. Jahrhunderts positionieren", schrieb Glenn Lowry, Direktor des MoMA in New York, in einem Gastbeitrag im Tagesspiegel. Er erinnerte an die weltweit führende Rolle Berlins in den 1920er Jahren, die den damaligen Gründungsdirektor Alfred H. Barr Jr. für das MoMA inspiriert haben soll.
Ort für Kunstdiskurse
Dass es sich bei dem geplanten Museum der Moderne nicht um ein weiteres, austauschbares Ausstellungshaus für zeitgenössische Kunst handeln wird, unterstrich Joachim Jäger, Leiter der Neuen Nationalgalerie. So sei die Berliner Sammlung "überaus komplex" und "breit gefächert". Gerade die Konfrontation von Ost und West sei darin in hohem Maße präsent, so Jäger. Es treffen etwa Größen der amerikanischen Malerei (Frank Stella, Barnett Newman, Robert Rauschenberg, George Brecht) auf herausragende Künstler der ehemaligen DDR, wie Harald Metzkes, Werner Tübke und Angela Lampe. Ein Ausstellungsort, der dieser Komplexität gewidmet ist, fehle seit Langem in Berlin. "Es ist eigentlich unfassbar, dass diese Stadt, die so eng verbunden ist mit dem Aufstieg und Fall der Kunst der Moderne, bislang keinen Ort hat, an dem die Kunstdiskurse des 20. Jahrhunderts in umfassender Weise erfahrbar sind", so Jäger in einem Gastbeitrag im Tagesspiegel.
Der Bestand der Nationalgalerie zählt international zu den größten Sammlungen von Kunst des 20. Jahrhunderts - derzeit fast komplett eingelagert. Darunter befinden sich große Konvolute unter anderem von Max Beckmann, Ernst Ludwig Kirchner , Hannah Höch, Nam June Paik, Andy Warhol, Werner Tübke, Wolfgang Mattheuer, Isa Genzken, Otto Piene und Wolfgang Tillmans. Besonders ist die Medienkunstsammlung: Mit rund 800 Audio-, Film- und Video-Arbeiten von den späten 1950er Jahren bis in die Gegenwart ist sie eine der größten weltweit.
Neubauten: Museen zeitgenössischer Kunst in Deutschland
Hitzig wird der Bau eines Museums der Moderne in Berlin diskutiert. Andere Städte waren da schon schneller. Wir geben einen deutschlandweiten Überblick über moderne Kunst in neuen Bauten.
Bild: picture-alliance/imagebroker/T. Robbin
Folkwang Museum, Essen, 2010
Impressionismus, Expressionismus, Surrealismus: 1902 war das Folkwang Museum Vorreiter moderner Kunst. Während des Dritten Reichs wurden 1400 Werke als "Entartete Kunst" entfernt, die später teilweise zurückgekauft wurden. Zu den Gegenwarts-Künstlern der Sammlung zählen Jackson Pollock, Günther Uecker und Georg Baselitz. 2010 eröffnete der Neubau - entworfen von David Chipperfield.
Bild: picture-alliance/imagebroker/T. Robbin
Kunstmuseum Stuttgart, 2005
Dieser gläserne Kubus liegt direkt am Schlossplatz und ist damit seit 2005 prägender Bestandteil der Stuttgarter Innenstadt. Tagsüber spiegelt die Fassade die Umgebung wider, nachts wird das beleuchtete Innenleben mit Wänden aus Kalkstein lebendig. Neben zeitgenössischer Kunst ist hier eine bedeutende Sammlung des Künstlers Otto Dix zu sehen.
Bild: Kunstmuseum Stuttgart/Dirk Wilhelmy
Pinakothek der Moderne, München, 2002
Vier Disziplinen unter einem Neubau-Dach: Kunst, Grafik, Architektur und Design. Im Bereich zeitgenössischer Kunst bekommt der Museumsbesucher einen guten Überblick - alle Richtungen werden hier gezeigt. Darunter auch die beiden Künstlergruppen Brücke und Blauer Reiter, vollständig vertreten. Die Sammlung mit rund 20.000 Werken wurde seit 1945 dank Schenkungen, Zukäufen und Stiftungen aufgebaut.
Bild: picture-alliance/J. Thomandl
Galerie der Moderne, Hamburg, 1997
Dieser Bau ist Teil der Hamburger Kunsthalle, die in insgesamt drei Gebäuden Sammlungen ab dem Mittelalter präsentiert. Das Besondere bei dem Museums-Neubau: Künstler gestalteten das Innenleben des fünfgeschössigen Kubus mit. So leuchtet unter anderem "Ceiling Snake" von Jenny Holzer über einer Treppe, eine Tropfsteinmaschine von Bogomir Eckers erstreckt sich über alle Stockwerke.
Bild: Hamburger Kunsthalle/Wolfgang Neeb
Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart, 1996, Berlin
Richtig gelesen: Es gibt bereits ein Museum für moderne Kunst in der Hauptstadt. Startpunkt war hier die Sammlung des Bauunternehmers Erich Marx, unter anderem mit Werken von Joseph Beuys, Anselm Kiefer und Andy Warhol. Die Trägerschaft übernahm die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Untergebracht ist das Museum im ehemaligen Empfangsgebäude eines Bahnhofs, das hierfür umfassend saniert wurde.
Alles begann 1949 mit dem Ankauf von zwei August Macke-Bildern. Heute besteht die Sammlung aus rund 9.000 Werken. Dabei konzentrierte man sich auf eine überschaubare Zahl an herausragenden Künstlern. Präsentiert werden diese Arbeiten in großzügigen Räumen - dank des Neubaus 1992, entworfen von Axel Schultes. Das fließende Raumkonzept setzte damals neue Maßstäbe im Museumsbau.
Den Start machte 1961 der Ankauf von 88 Paul Klee-Werken. Es folgte ein gut durchdachter Ankauf moderner Kunst bis in die heutige Gegenwart. Da der einzigartige Bestand bald aus allen Nähten platzte, eröffnete 1986 der Museumsneubau K20 am Düsseldorfer Grabbeplatz. Auch hier wurde es auf Dauer eng - mit K21 folgte 2002 ein zweites Standbein im ehemaligen, eigens umgebauten NRW-Landtag.
Bild: picture-alliance/Arco Images
Museum Ludwig, Köln, 1986
In Köln locken gleich mehrere Superlativen: Hier finden sich unter anderem die drittgrößte Picasso-Werkschau sowie die größte Pop-Art-Sammlung Europas - vieles davon Schenkungen des Sammler-Ehepaars Ludwig. Anfangs beheimatete der Neubau auch das Wallraf-Richartz-Museum, eine klassische Gemäldegalerie. Seit 2001 gehören die rund 8.000 Quadratmeter einzig der zeitgenössischen Kunst.
Bild: picture-alliance/dpa/O.Berg
Schirn Kunsthalle Frankfurt, 1986
Die Schirn hat keine eigene Sammlung - stattdessen überzeugt sie mit wechselnden Ausstellungen von internationalem Ruf. Zum Beispiel mit thematischen Schauen zu politischer Kunst, Wildnis oder Künstler-Selbstporträts. "Schirn" kommt aus dem Althochdeutschen und heißt "offener Verkaufsstand". Das Museum wurde in einem Teil der Frankfurter Altstadt errichtet, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde.
Bild: imago images/imagebroker
Sprengel Museum Hannover, 1979
Dieses Museum geht auf den Kunstmäzen Bernhard Sprengel zurück. Der Schokoladenfabrikant hatte sich dem deutschen Expressionismus und der französischen Moderne verschrieben. Diese umfangreiche Sammlung schenkte er seiner Heimatstadt Hannover. Das Museum eröffnete 1979 und wurde seitdem umfassend erweitert. Seit 2015 begrüßt "Another Twister" der US-Amerikanerin Alice Aycock die Besucher.
Bild: picture-alliance/dpa/H. Hollemann
Neue Nationalgalerie, Berlin, 1968
Moment mal, noch ein Museum für moderne Kunst in Berlin? Richtig! Diese Architektur-Ikone stammt von Mies van der Rohe, die allerdings seit 2015 saniert wird. Dennoch wird der Bau für die zeitgenössischen Bestände der Staatlichen Museen zu klein sein. Daher soll ein weiteres Gebäude her, sprich kein Neu-, sondern Erweiterungsbau, unterirdisch verbunden mit der Neuen Nationalgalerie.
Bild: picture-alliance/chromorange
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Unbeliebter Siegerentwurf
Umstritten ist daher meist nicht die Notwendigkeit eines neuen Ortes. Im Zentrum der Kritik steht eher das kostspielige Bauvorhaben: Einst mit 200 Millionen Euro veranschlagt, soll der Erweiterungsbau nun 450 Millionen Euro kosten - mehr als das Doppelte. Bitter sind diese vom Bundestag bereits bewilligten Ausgaben vor allem für all jene staatlichen Museen in Berlin, die knapp wirtschaften und auf Personal oder Umbauten verzichten müssen.
Entworfen wurde das künftige Museum der Moderne von dem Schweizer Büro Herzog & de Meuron, das zuvor schon unter das Tate Modern in London, das Miami Art Museum oder das noch im Bau befindliche M+ in Hong Kong konzipierte. Deren Vision für den Erweiterungsbau fiel allerdings in der öffentlichen Diskussion optisch durch: Als Kunstscheine, Discounter oder Bierzelt verpönt, überzeugte der Entwurf viele Berliner bisher nicht. Anders als beim Meisterentwurf der Architekten: die Elbphilharmonie. Mit 800 Millionen Euro verschlang dieses Projekt allerdings ein Vielfaches der geplanten Kosten, was die Berliner nicht besonders zuversichtlich stimmt.