Neue Lotsen für Fachkräfte aus dem Ausland
17. Februar 2020Zwar sind die großen Flüchtlingsströme der letzten Jahre abgeebbt, trotzdem träumen immer noch viele Menschen davon, nach Deutschland zu kommen. Aber nicht jeder ist hier gleichermaßen willkommen. Während Deutschland auf der einen Seite in einigen Ländern Kampagnen startet, um Menschen davon abzuhalten, sich auf den Weg zu machen, wird auf der anderen Seite ganz gezielt umMenschen aus Nicht-EU-Ländern geworben, genauer: um Fachkräfte, die einen Studienabschluss oder eine abgeschlossene Berufsausbildung haben.
"Ohne ausländische Fachkräfte werden wir unseren Wohlstand in Deutschland nicht erhalten können", erklärt Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). "Wir brauchen die Menschen von außerhalb. Wir können nicht einfach nur auf sie warten, sondern wir müssen auch um sie werben."
Dafür wird inzwischen einiges getan: Gesundheitsminister Jens Spahn reiste nach Südostasien, Mexiko und Kosovo, um dort Pflegekräfte anzuwerben und Arbeitsminister Heil hat mit seinen Kabinettskollegen um ein neues Einwanderungsgesetz für Fachkräfte gerungen, das am 1. März in Kraft tritt.
Fachkräfte-Einwanderungsgesetz
Durch dieses Gesetz sollen Visaverfahren beschleunigt und Möglichkeiten verbessert werden, dass Fachkräfte Deutsch lernen. Begleitend dazu wurde am Montag in Bonn die "Zentrale Servicestelle Berufsanerkennung" (ZSBA) eröffnet, die an die Bundesagentur für Arbeit angegliedert ist. Denn in der Regel gilt: Wer auf dem deutschen Arbeitsmarkt erfolgreich sein will, der muss einen Berufsabschluss oder einen Hochschulabschluss vorweisen können.
Zu dieser Gelegenheit kamen Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und seine Amtskollegin vom Bildungsressort, Anja Karliczek, nach Bonn und eröffneten das Forum.
Wer sich dafür interessiert, nach Deutschland zu kommen, der hat zuerst einmal viele Fragen, so Anja Karliczek. "Wo gibt es in Deutschland für mich gute Arbeitsmöglichkeiten? Kann mein Abschluss überhaupt anerkannt werden? Wo muss ich den Antrag stellen? Welche Unterlagen brauche ich? Wie finde ich einen Arbeitsplatz?"
Für solche Fragen stehen seit Anfang Februar die Mitarbeiter der neuen Servicestelle bereit. An sie können sich Fachkräfte, die sich im Ausland befinden, per Mail, Telefon oder über einen Chat wenden. Die Mitarbeiter der ZSBA helfen zudem bei der Zusammenstellung der erforderlichen Unterlagen für die zuständige Anerkennungsstelle, sie informieren, welche regionale Beratungs- und Qualifizierungsangebote in Frage kommen und helfen auch bei der Suche nach einem Arbeitgeber.
Wer ist für was zuständig - kaum zu durchschauen
Keine einfache Aufgabe für die derzeit rund 20 Mitarbeiter, denn es gibt in Deutschland über 1400 Stellen, die für die Anerkennung von Berufsabschlüssen zuständig sind. Teilweise sind die Regelungen noch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Für jemanden aus dem Ausland, der zudem unter Umständen noch über holprige Deutschkenntnisse verfügt, ein nahezu undurchdringliches Dickicht der Bürokratie.
Solche unübersichtlichen Regelungen kann sich Deutschland aber nicht länger leisten. Mittlerweile sei der Fachkräftemangel wirklich zur Wachstumsbremse für einige Branchen geworden, sagt Karliczek. "Mit den Menschen, die hier leben, werden wir den Fachkräftemangel nicht in den Griff bekommen", mahnt die Bildungsministerin. Schon allein aufgrund der demografischen Entwicklung. "Wir brauchen Fachkräfte aus dem Ausland." Zudem stehe Deutschland auch noch im internationalen Wettbewerb um Talente, denn nicht nur hier altert die Gesellschaft und es fehlen frische Arbeitskräfte.
Einwanderung bisher nicht so wie gewünscht
In der Geschichte Deutschlands gab es immer wieder Wellen, in denen Arbeitskräfte aus den Ausland willkommen waren. Schon in den 1950er und 60er Jahren wurden Gastarbeiter aus Südeuropa angeheuert. Viele der Menschen, die zum Arbeiten kamen, blieben.
Um die Jahrtausendwende initiierte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder eine deutsche Greencard für IT-Fachleute. Damals herrschte große Angst davor, dass ausländische Arbeitnehmer den Deutschen die Türen einrennen würden. Gewerkschaften warnten vor der Gefahr, dass die Löhne durch den Zustrom von Fachleuten sinken könnten. Im Endeffekt kamen nicht so viele Menschen wie erwartet und auch die Unternehmen sprangen nicht so wie gedacht auf die Maßnahme an.
2012 wurde die Greencard durch die sogenannte Blue Card abgelöst, um so Fachkräften außerhalb des IT-Bereichs den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Einen "Run auf Deutschland" löste auch die Blue Card nicht aus.
Arbeitsminister Heil warnt auch jetzt vor überzogenen Erwartungen. " Wir müssen uns anstrengen, um die richtigen Leute, die wir nach Deutschland holen wollen, auch zu bekommen. Die werden uns nicht die Bude einlaufen", so der Minister.
Auch inländische Ressourcen müssen angezapft werden
Gegenüber anderen Einwanderungsländern wie den USA, Kanada, Großbritannien oder Australien hat Deutschland den Nachteil, dass die deutsche Sprache für potentielle Arbeitnehmer ein Hindernis ist. Damit nicht auch noch die deutsche Bürokratie Menschen aus dem Ausland abschreckt, soll die neue Servicestelle dafür sorgen, dass die Verfahren schneller, transparenter und einheitlicher werden, so Karliczek.
Dem Fachkräftemangel in Deutschland will Arbeitsminister Heil außerdem nicht nur mit dem Zuzug ausländischer Arbeitskräfte begegnen. Es gibt schon jetzt in Deutschland viel ungenutztes Potential. Jedes Jahr würden 50.000 junge Menschen die Schule verlassen ohne Abschluss, so Heil. Außerdem gebe es rund 1,6 Millionen Menschen zwischen 20 und 30, die über keinerlei berufliche Erstausbildung verfügen. Ein weiteres Thema sei der Anteil der Frauen auf dem Arbeitsmarkt.
Die größten Engpässe bestehen laut der Fachkräftestrategie der Bundesregierung bei Elektrotechnikern, Metallbauern, Mechatronikern, Köchen, Alten- und Krankenpflegern, Informatikern sowie Softwareentwicklern. Für die Wirtschaft bleibt der Fachkräftemangel das größte Geschäftsrisiko, wie aus einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags hervorgeht.