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PolitikEuropa

Neue Militärallianzen auf dem Westbalkan

8. April 2025

Mitte März schlossen Kroatien, Albanien und Kosovo ein Militärbündnis. Serbien und Ungarn antworteten ihrerseits mit einem militärischen Zusammenschluss. Bedrohen die neuen Bündnisse die Sicherheitslage in Südosteuropa?

Soldaten in Flecktarnuniform mit Abzeichen in den Farben der ungarischen Fahne an den Schultern
Soldaten einer ungarischen Grenzschutzeinheit an der ungarisch-serbischen Grenze Bild: Arpad Kurucz/AA/picture alliance

Die staatlich gelenkten Medien in Serbien waren sich einig in ihrem Lob für die verabredete Militärkooperation zwischen Serbien und Ungarn: "Eine Bombe, die die Region erschüttert", titelte das Boulevardblatt Informer. Das Regierungssprachrohr Kurir sah einen "historischen Moment". Novosti sprach von einem "neuen Beweis eiserner Freundschaft" und das Portal Republika wollte wissen, dass "Kroaten und Albaner in Panik vor dem serbisch-ungarischen Militärbündnis" seien.

Ob Zeitungen, TV-Sender oder Internet-Portale: Alle streng staatlich kontrollierten Medien schwärmten unisono von dem angeblichen Militärbündnis, das die Verteidigungsminister Ungarns und Serbiens, Kristof Szalay-Bobrovniczky und Bratislav Gasic, Anfang April in Belgrad unterzeichneten. Wenige Tage später kündigte der Präsident der Republika Srpska, des serbischen Landesteils von Bosnien und Herzegowina, Milorad Dodik, an, seine Entität werde sich dem "neuen Militärbündnis" anschließen.

Der serbische Präsident Aleksandar Vucic schaut zu, während die Verteidigungsminister Ungarns und Serbiens das Militärabkommen unterzeichnenBild: Darko Vojinovic/AP Photo/picture alliance

Die serbischen Medien diesseits und jenseits des Drina-Flusses stellten den neuen "Militärpakt" als Reaktion auf das kurz zuvor beschlossene Militärbündnis zwischen den NATO-Partnern Kroatien und Albanien sowie Kosovos dar, dessen Unabhängigkeit von Serbien auch nach Jahrzehnten von Belgrad nicht anerkannt wird. 

"Besonders besorgniserregend" sei, "dass dieses Militärbündnis ohne Konsultationen mit Belgrad gebildet wurde", kritisierte das serbische Außenministerium. Das Abkommen habe das Ziel, Serbien zu isolieren und in Kosovo "paramilitärische Strukturen" zu schaffen und sei eine "grobe Provokation", hieß es weiter.

Militärabkommen zwischen Zagreb, Tirana und Pristina

Doch was steht wirklich drin in der Vereinbarung zwischen den Regierungen in Zagreb, Tirana und Pristina? Das am 18.03.2025 von den Verteidigungsministern Kroatiens, Albaniens und Kosovos in Tirana unterzeichnete Abkommen sieht eine Zusammenarbeit im Rahmen des Strategischen NATO-Konzepts und der Sicherheitspolitik der Europäischen Union vor. Verstärkt werden sollen die Kooperation der Rüstungsindustrien und die Schulung von Soldaten und Führungsoffizieren. Auch gemeinsame Militärübungen sind vorgesehen. Im Rahmen der euro-atlantischen Integration liegt ein Schwerpunkt auf Maßnahmen zur Abwehr ausländischer Cyberangriffe und Desinformationskampagnen. Obwohl Serbien sich nach eigener Darstellung von diesem neuen Militärbündnis bedroht sieht, versicherte Kroatiens Regierungschef Andrej Plenkovic: "Dieses Memorandum über die Zusammenarbeit besitzt keinerlei feindlichen Charakter."

Die Verteidigungsminister von Kroatien (Ivan Anusic, links), Albanien (Pirru Vengu, Mitte) und Kosovo (Ejup Maqedonci, rechts) haben ein Militärbündnis zwischen ihren Staaten unterzeichnetBild: Ministry of the Kosovo Security Force

Die jahrzehntelangen nationalen Rivalitäten und Animositäten zwischen Serbien und Kroatien wurden aber dennoch von dem trilateralen Abkommen angeheizt. Zumal der kroatische Verteidigungsminister Ivan Anusic frohlockte: "Die Zeiten sind vorbei, als Kroatien Belgrad fragen musste, was es darf und wie es handeln muss - und das wird sich niemals wiederholen".

Die Zagreber Zeitung Jutarnji list wollte erfahren haben, dass der alles beherrschende serbische Präsident Aleksandar Vucic als Reaktion auf den Zusammenschluss einen Nervenzusammenbruch erlitten habe. Daher waren die triumphalen Schlagzeilen der serbischen Presse nur folgerichtig: "Kroatien und Albanien haben eine Express-Antwort bekommen: Militärbündnis Ungarns und Serbiens unterschrieben."

Was verabredeten Belgrad und Budapest?

Das als historisch bezeichnete "Militärbündnis" zwischen Belgrad und Budapest entpuppt sich bei näherem Hinsehen jedoch als politischer Spin der von Vucic gesteuerten Medienlandschaft. "Das steht in einer Reihe mit anderen von Vucics Marketingtricks", sagte der Oppositionspolitiker Petar Boskovic der regierungskritischen Belgrader Zeitung Danas.

Der ungarische Premier Viktor Orban und Serbiens Staatschef Aleksandar Vucic sind enge Verbündete. Am 16.09.2022 erhielt Orban von Vucic den Serbischen OrdenBild: Darko Vojinovic/AP//picture alliance

Der serbische Militärexperte Aleksandar Radic erklärte in mehreren Portalen, worum es bei dem angeblichen Militärbündnis wirklich geht: "Es gibt keine Elemente eines Militärbündnisses", lautet seine Analyse. Das pompös angekündigte Abkommen beinhalte nur konkrete Projekte militärischer Zusammenarbeit, die jährlich auf der Basis eines Rahmenabkommens aus dem Jahr 2023 verabredet worden waren. Auch Vucic selbst ruderte zurück: "Ziel ist ein Militärbündnis", für das jetzt erst die Weichen gestellt worden seien.

Erhöhte Kriegsgefahr auf dem westlichen Balkan?

Doch unabhängig von den verabredeten Militärkooperationen - so vage sie auch sein mögen - ist in der Westbalkan-Region seit Jahren eine drastische Aufrüstung zu sehen. So hat Kroatien, das gerade wieder den Wehrdienst eingeführt hat, von Frankreich Rafale-Kampfflugzeuge gekauft und verhandelt über die Lieferung von Leopard-Panzern. Serbien seinerseits schloss mit Paris ebenfalls einen Vertrag über den Bezug solcher Mehrzweckkampfflugzeuge und kauft Waffensysteme von Russland und China. "Auf dem Balkan ist die Zündschnur immer noch kurz", überschrieb der Deutsche Bundeswehrverband noch im letzten Januar seinen Bericht über die Lage in Bosnien-Herzegowina. Doch wie brisant ist die Lage wirklich?

Am 25.04.2024 sind die ersten sechs von zwölf in Frankreich gekauften Rafale-Kampfjets in Kroatien eingetroffenBild: Igor Kralj/PIXSELL/picture alliance

Zwar gilt weiter das Bonmot der Sarajevoer Zeitung Klix: "Der Feind meines Feindes ist mein Freund." Doch wenn man tiefer hinter die militärischen Machtverhältnisse schaut, ist ein Krieg in unmittelbarer Zukunft wenig wahrscheinlich. Noch Anfang April sagte NATO-Generalsekretär Mark Rutte, es sei nicht notwendig, die Lage in der Region auf die Tagesordnung des NATO-Außenministertreffens in Brüssel zu setzen. Schon vor gut einem Jahr hatte sein Vorgänger Jens Stoltenberg versichert, es bestehe keine direkte militärische Bedrohung.

"Es gibt nur geringe Chancen, dass ein echter Krieg ausbricht", ist sich auch Vuk Vukasanovic vom Belgrade Centre for Security Policy sicher. Trotz Aufrüstung hätten die Länder zu geringe Ressourcen für einen solchen Konflikt und vor allem: Die lokalen Eliten müssten im Kriegsfall um ihre Machtpositionen fürchten.

Die NATO hat das Heft in der Hand

Außerdem ist die NATO in der Region stark vertreten. Abgesehen von Kosovo sind alle Nachbarländer Serbiens und Bosnien und Herzegowinas Mitglieder des Bündnisses. Die USA betreiben im Kosovo mit Camp Bondsteel eine große Militärbasis. Der rumänische Luftwaffenstützpunkt Mihail Kogalniceanu bei Constanta wird zurzeit mit Kosten von wenigstens 2,5 Milliarden Euro für 10.000 Soldaten zum flächenmäßig größten NATO-Stützpunkt in Europa ausgebaut. Im Hafen Durres an der albanischen Adriaküste ist seit langem ein großer Marinestützpunkt geplant. Gegen diese Militärmacht Krieg zu führen, käme wohl einem Harakiri gleich.