Neue NSU-Akten aufgetaucht
15. Juli 2012Laut einem Bericht der "Bild"-Zeitung bereitet Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) eine Neuordnung an der Spitze der Sicherheitsbehörden vor. Nach Verfassungsschutz-Chef Heinz Fromm solle auch der Chef des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, ausgetauscht werden, berichtet das Blatt. Demnach soll Ziercke als Konsequenz aus den Pannen bei der Aufklärung des rechtsextremen "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) zum Jahresende in den Ruhestand gehen.
Ersetzen solle ihn der Chef des Leitungsstabes im Bundesverteidigungsministerium, Helmut Teichmann, der früher im Innenministerium die Polizeiabteilung geleitet habe. Ziercke, obwohl schon im Pensionsalter, wollte seine Amtszeit demnach eigentlich zum zweiten Mal um ein halbes Jahr verlängern.
Maaßen soll neuer BfV-Chef werden
Auch einen Nachfolger für den zurückgetretenen Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) Heinz Fromm hat Friedrich offenbar gefunden. Laut "Bild" soll es der Ministerialdirigent im Bundesinnenministerium Hans-Georg Maaßen sein, der derzeit die Abteilung Terrorismus-Bekämpfung leitet. Ein Sprecher des Innenministeriums wollte die Angaben weder bestätigen noch dementieren. Er bezeichnete sie als "Personalspekulationen". Einem Bericht des "Spiegel" zufolge zog Friedrich durch die interne Versetzung mehrerer leitender Beamter beim Bundesverfassungsschutz weitere personelle Konsequenzen aus der Affäre um die Vernichtung von Akten mit Angaben zu Rechtsextremen.
NSU-Akten in Thüringen aufgetaucht
Unterdessen sind nach einem Bericht des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) in Thüringen neue Akten zum NSU aufgetaucht. In Archiven der Kriminalpolizei seien tausende Dokumente gefunden worden, die 20 Ordner füllen, meldete der Sender. Zuvor waren in Sachsen beim Landes-Verfassungsschutz Papiere entdeckt worden, die mit möglichen NSU-Unterstützern zu tun haben sollen. Dort wird über die Vernichtung brisanter Akten beim Verfassungsschutz spekuliert.
Die neuen Unterlagen in Thüringen enthalten laut MDR Ermittlungsergebnisse gegen die rechtsextreme Vereinigung "Thüringer Heimatschutz". Dieser gehörten früher die Neonazis Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe an. Mundlos und Böhnhardt sind tot, Zschäpe sitzt in Untersuchungshaft. Laut MDR lagen die nun gefundenen Akten in diesem Umfang weder dem Bundeskriminalamt noch den Untersuchungsausschüssen von Bund und Land vor.
Wegen der neuen Erkenntnisse will der Untersuchungsausschuss des Bundestags am Donnerstag zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Dabei solle der Sonderermittler aus seinem Ministerium Rede und Antwort stehen, kündigte Friedrich an. Er selbst werde nur kommen, wenn ihn der Ausschuss mit einem Beweisbeschluss vorlade.
Bisher drei Rücktritte
Das Puzzle um die Mordserie und Aufdeckung der Zwickauer Terrorgruppe wird Woche für Woche erweitert. Jüngst kam ans Licht, dass die Verfassungsschützer nicht nur am 11. November, sondern auch zwei Tage später wichtige Akten vernichteten. Der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) werden zehn Morde angelastet, neun Opfer waren türkischer und griechischer Abstammung sowie eine Polizistin.
In der letzten Sitzung des Untersuchungsausschusses ging es um die Vernichtung der Akten. BfV-Chef Fromm wusste nach eigenem Bekunden zunächst nichts von der Schredder-Aktion. Er habe "keine überzeugende Erklärung" für die Aktenlöschung, gab Fromm bei seiner Befragung im Ausschuss zu Protokoll. Als Konsequenz aus dem "schweren Ansehensverlust" seiner Behörde lässt Fromm sich Ende Juli vorzeitig in den Ruhestand versetzen. Auch die Verfassungsschutzpräsidenten von Thüringen und Sachsen sind aufgrund von Fehlern in ihren Landesbehörden zurückgetreten.
Friedrich lehnt Verkleinerung der Behörden ab
In der Bundesregierung werden derweil unterschiedliche Vorstellungen zu einer Reform des Verfassungsschutzes deutlich. Innenminister Friedrich widersprach am Samstag der Forderung seiner Kabinettskollegin aus dem Justizressort, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), nach einer Verkleinerung der Behördenstruktur im Verfassungsschutz. Der Verfassungsschutz müsse nicht kleiner, sondern effizienter werden, sagte Friedrich im Deutschlandradio Kultur.
Leutheusser-Schnarrenberger hatte zuvor eine stärkere Konzentration der Behörden und eine Zusammenlegung von Landesämtern für Verfassungsschutz gefordert. "Die Zahl der Behörden muss deutlich reduziert werden", sagte sie dem "Tagesspiegel". Nötig sei eine tiefgreifende Reform. "Behördenstruktur und Aufgabenverteilung der Verfassungsschutzämter müssen bis in jeden Blickwinkel ausgeleuchtet werden."
GD/pg (dpa, afp, Archiv)