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25 Jahre Schirn Kunsthalle

23. Februar 2011

Die Schirn Kunsthalle feiert Geburtstag. Sie hat keine eigene Sammlung und schafft es dennoch immer wieder, neue Perspektiven auf die Kunst zeigen. Wie das geht, erzählt ihr Chef Max Hollein im DW-Gespräch.

Max Hollein (Foto: SCHIRN KUNSTHALLE)
Max HolleinBild: SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT

Der Wiener Max Hollein leitet seit 2001 die Schirn Kunsthalle in Frankfurt am Main. Mitte der 1990er Jahre ging er nach New York und wurde persönlicher Assistent des Chefs des Guggenheimmuseums. Später betreute er den Aufbau des Guggenheimmuseums in Berlin. Seit 2006 leitet er, zusätzlich zu seinen Aufgaben an der Schirn, das Städel Museum und die Liebighaus Skulpturensammlung in Frankfurt.

DW-WORLD.DE: Herr Hollein, die Schirn Kunsthalle feiert 25-jährigen Geburtstag. Was ist das Besondere an der Schirn?

Max Hollein: Sie zeigt ein eigenständiges Programm, das überrascht, neue Perspektiven zeigt und Vorschläge macht, wie Dinge gesehen werden können. Das ist ein besonderes Merkmal der Schirn. Damit hat sie eine führende Rolle in Deutschland eingenommen.

Ist das ein Vorteil, dass die Schirn keine eigene Sammlung hat?

Die Schirn als Institution ohne Sammlung ist ein Körper, den es erst zu füllen gilt, insofern bedeutet das eine gewisse Freiheit. Wir haben zum Ziel gesetzt, Ausstellungen zu zeigen zur Kunst des 19. Jahrhunderts, zur Klassischen Moderne und zur zeitgenössischen Kunst. Um die Ausstellungen im Bereich Klassische Moderne zu machen, brauchen sie eine hohe Leihgabe, um die Leihgaben zu bekommen. Wir können für einen Monet nicht im Austausch einen Picasso anbieten.

Was sind die Trümpfe, die Sie aus der Tasche ziehen, um trotzdem an solche Exponate ranzukommen, die jetzt in der Ausstellung "Surreale Dinge" zu sehen sind?

Leihgebern präsentieren, ein frischeres Rangehen an Grundfragen zeigen, das interessiert Leihgeber wie Museen oder Privatsammler. Dann geht es um Vertrauen in die Institution und ihre Mitarbeiter und hin und wieder reichen auch Gesten der Anerkennung, die man verschickt, um Überzeugungsarbeit zu leisten. Ich verstehe jeden Sammler, sich für dreieinhalb Monate von einem Werk zu trennen. Da muss man sich natürlich überlegen, ob man das auf sich nehmen will. Die Sammler sehen natürlich auch ihre Verantwortung, die Werke öffentlich zu zeigen.

Einmal konnten Sie auch mit einer Sacher-Torte eine bedeutende Sammlerin überzeugen.

Als wir die Matisse-Ausstellung vorbereiteten, hatte ich mit Maria-Gaetana Matisse zu tun, die mit Pierre Matisse verheiratet war, und das Matisse-Erbe verwaltet hat, sie ist österreichischer Herkunft und beim zweiten Gespräch, das wir in New York geführt haben, bin ich mit einer Sacher-Torte aufgetreten und das hat das Eis gebrochen und dazu geführt, dass wir mit einer Reihe von ganz wichtigen Scherenschnitten von Henri Matisse in der Matisse-Ausstellung zeigen konnten.

Sie sind Kunsthistoriker und Betriebswirt. Welches Know-How ist in Ihrer Arbeit in der Schirn Kunsthalle mehr gefragt?

Es geht um ein Verständnis für Kunst aber auch für die Anliegen der Künstler zu haben. Insofern sind das Leben und die Kenntnis von Kunst sehr relevant. Es stimmt, dass auch betriebswirtschaftliches Wissen nützlich ist, aber es geht eher um eine Form von Analytik und eine Form von Organisationstalent, wie man an Problemstellungen herangeht, die man vielleicht über die Betriebswirtschaft erlernen kann und die ich hier umsetze. Ich habe beide Fächer parallel studiert, weil ich hoffte, dass sich daraus etwas Interessantes ergeben würde, von der Betriebswirtschaft her bin ich ein Konzernrechnungsleger, insofern etwas ganz anderes als ich jetzt tue. Aber wenn man die zwei Sprachen der zwei Felder verbinden kann, dann ist doch sehr zweckdienlich.

Sie sind berühmt für ihr Guerilla-Marketing. In einer Ausstellung haben Sie mal in den Frankfurter Bäckereien ein Städel-Brot verkaufen lassen, um auf eine Ausstellung im Städel-Museum aufmerksam zu machen. Welche Strategien wenden Sie an, um möglichst viele Besucher für die Ausstellung "Surreale Ding"“ zu erreichen?

Natürlich sind unsere Werbeaktionen immer so angelegt, dass wir nicht nur klassische Werbeflächen nutzen, sondern auch andere Plattformen "kannibalisieren". Zum Beispiel machen wir an anderen Orten auf die Ausstellung aufmerksam, mit Hilfe anderer. Geplant ist eine dauerhafte Aktion rund um unser schulpädagogisches Programm mit einem Einkaufszentrum, über die ich noch nicht reden möchte. Natürlich arbeiten wir auch mit modernen Technologien. Es gibt eine App für die Ausstellung. Für uns ist wichtig, dass wir Ausstellungen machen, die wir für relevant halten, die nicht unbedingt a priori ein breites Publikum anziehen, aber wir tun dann alles, um die Ausstellungen vielen Menschen zu vermitteln.

Ohne Kunstsponsoring läuft bei Ihnen gar nichts. Wie schaffen Sie es, nicht in Abhängigkeit zu gelangen?

Die Abhängigkeit wäre gegeben, wenn die Sponsoren nicht da wären, weil wir das Programm dann nicht so realisieren könnten. Ich sehe das umgekehrt. Wir bemühen uns um Mittel neben denen, die uns die Stadt Frankfurt zur Verfügung stellt, sonst könnten wir das nicht realisieren. Es gab noch nie eine Abhängigkeit zum Sponsor. Im Gegenteil: Würden wir die Sponsoren nicht finden, sähe unser Programm nicht so umfangreich und nicht so ambitioniert aus. Den Freiraum, den schafft uns die Unterstützung durch Stiftungen, Firmen und Privatpersonen.

Wie steht die Schirn Kunsthalle in Zukunft da?

Die Schirn hat sich etabliert als eine führende Kunsthalle in Europa. Wir spielen auf einem guten Instrument gut auf. Die Schirn ist mit weitem Abstand best besuchte Ausstellungshalle der ganzen Region. Aber trotzdem muss man sehen, dass sich das Umfeld verändert. Mittlerweile machen viele Museen große Ausstellungen. Jetzt sind unsere Ausstellungen noch pointierter. Sie sind ein Vorschlag, anders zu denken über eine Kunstrichtung oder einen Künstler. Das tun wir, um uns abzusetzen. Diese wagemutigere und subjektive Form der Präsentation und der Überraschung, das ist der Weg, den wir weitergehen wollen. Wenn Sie zum Beispiel "Rodin und Beuys" sehen oder "Darwin und die Kunst", das waren ganz neue Perspektiven auf Künstler und Personen. Auch bei "Courbert" ging es um das Träumerische, den Aspekt hat bisher keine Ausstellung hervorgehoben. Diese Form des Innovativen und des um die Ecke Denkens, das macht die Schirn aus und das erkennt unser Publikum auch an.

Das Gespräch führte Sabine Oelze

Redaktion: Conny Paul