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"Für einen Neustart der Rüstungskontrolle"

Christoph Strack26. August 2016

Außenminister Steinmeier warnt vor einer neuen Spirale des Wettrüstens in Europa. Dem will er mit besserer Rüstungskontrolle entgegentreten. In Zeiten der Krise geht er damit ein politisches Mega-Thema an.

Russland Deutschland Gazprom Steinmeier bei Putin in Moskau (Foto: dpa - Report)
Bild: picture-alliance/dpa/S. Chirikov

Eigentlich ist er noch im Urlaub, und doch ist er schon wieder da. Frank-Walter Steinmeier drängt auf eine Neuaufstellung der europäischen Rüstungskontrolle - und das auf sehr grundsätzliche Art: "Europas Sicherheit ist bedroht", schreibt der deutsche Außenminister in der FAZ.

Gelegentlich sind die Gastbeiträge, die die Frankfurter Allgemeine Zeitung in ihrer Rubrik "Fremde Federn" veröffentlicht, politisch eher wenig ergiebig. Steinmeiers Beitrag "Mit Rüstungskontrolle Vertrauen schaffen" dagegen ist politisch hochspannend. Dafür spricht, dass Markus Ederer, Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, am Donnerstagnachmittag den russischen Botschafter in Berlin zu Austausch und Information ins Ministerium bat. Nachdem, wie es hieß, vorher schon eine Reihe befreundeter Regierungen informiert waren. Und es fiel auch auf, wie betont am Freitag der Sprecher des Auswärtigen Amtes und die stellvertretende Regierungssprecherin erläuterten, dass das Bundeskanzleramt in die Initiative Steinmeiers eingebunden sei.

Der Ukraine-Konflikt: Steinmeier will keine weitere EskalationBild: picture-alliance/AP Photo/A. Shulman

"Neue Konfrontation der Blöcke"

Nachdrücklich warnt Steinmeier in seinem Text vor einer "neuartigen, gefährlichen Rüstungsspirale" und wirbt für einen "Neustart der Rüstungskontrolle". Bereits vor dem Ukraine-Konflikt habe sich eine "lange für überwunden gehaltene Blockkonfrontation neu erspüren" lassen. Mit der "völkerrechtswidrigen Annexion der Krim" habe Russland die "Grundprinzipien der europäischen Friedensarchitektur in Frage gestellt". Nun müssten alle daran interessiert sein, "jede weitere Drehung der Eskalationsspirale zu vermeiden". Es brauche mehr konkrete Sicherheitsinitiativen.

Derzeit gibt es keine wirksame Rüstungskontrolle in Europa. Den 1990 abgeschlossenen Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE), nach dem zehntausende Panzer in Europa vernichtet wurden, setzte Russland 2007 aus. Der Vertrag legte Obergrenzen für schwere Waffensysteme fest, die in Europa stationiert werden durften. Weitere vergleichbare Abkommen, erläutert Steinmeier, liefen ins Leere, es brauche Neuregelungen. Und er fordert Russland auf mitzutun.

Fünf Bereiche für Neustart

Für einen Neustart der konventionellen Rüstungskontrolle nennt Steinmeier fünf Bereiche, die geregelt sein müssten: So müssten regionale Obergrenzen, Mindestabstände und Transparenz definiert sein, gerade in sensiblen Regionen wie dem Baltikum, es sollten neue militärische Fähigkeiten und Strategien berücksichtigt werden (an anderer Stelle des Beitrags nennt er ausdrücklich "hybride Formen der Konfrontation"), als dritten Punkt nennt er die Notwendigkeit, neue Waffensysteme, wie zum Beispiel Drohnen, einzubeziehen, dann müsse eine echte Überprüfung, zum Beispiel durch die OSZE sichergestellt sein, und das müsse auch in Gebieten funktionieren, deren territorialer Status umstritten ist. Dieser Punkt lässt an die Krim, aber auch an den Kaukasus denken.

Steinmeier lässt klar erkennen, dass er nicht weiß, ob sein Vorstoß zu Gesprächen über Rüstungskontrolle Erfolg haben wird, ja, dass er auch Zweifel hat. Ausdrücklich erinnert er daran, dass Russland im Ukrainekonflikt grundlegende Friedensprinzipien gebrochen habe. Diese Prinzipien, territoriale Unversehrtheit, freie Bündniswahl, Akzeptanz des Völkerrechts, seien nicht verhandelbar.

Warum kommt dieser Beitrag Steinmeiers gerade jetzt? Die Frage stellt sich. Niemand weiß, wie sich die USA nach der Präsidentenwahl entwickeln wird, in Deutschland wird der Wahlkampf zur Bundestagswahl im Herbst 2017 allmählich erkennbarer. Deutschland hat im Jahr 2016 den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) inne und stellte an die Spitze seiner Agenda "fortgesetztes Krisen- und Konfliktmanagement" beim Thema Ukraine und weiteren ungelösten Konflikten. Aber Steinmeier, dem gelegentlich Ambitionen auf das Amt des Bundespräsidenten nachgesagt werden, zieht selbst den Radius weit. Im FAZ-Beitrag nennt er eine einzige Person namentlich. Es ist Willy Brandt, der Übervater der bundesdeutschen Sozialdemokratie, Kanzler von 1969 bis 1974, der "mitten in den kältesten Tagen des Kalten Krieges" die ersten Schritte der Entspannungspolitik gewagt habe.

Willy Brandt - bestes Vorbild für einen, der auf Entspannungspolitik setzteBild: picture alliance/F. Rust

Diese politischen Gehversuche hatten einen Vorläufer. Im Auswärtigen Amt gab es seit 1965 einen "Beauftragten der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle". Diesen Tätigkeitsbereich gibt es bis heute, derzeit nimmt ihn Botschafterin Patricia Flor wahr.

Ab Montag kommen alle deutschen Botschafter zu ihrer jährlichen Konferenz im Auswärtigen Amt zusammen. Am Donnerstag treffen sich die Außenminister der OSZE-Staaten in Potsdam, um über Fragen der europäischen Sicherheitspolitik zu sprechen. Kurz danach sieht Steinmeier beim sogenannten Gymnich-Treffen die Außenminister der EU-Staaten zum informellen Plaudern. Da passt es, vorher ein solches Großthema anzugehen. "Gerade im Angesicht von Krisen und Spannungen brauchen wir Signale der Entspannung und Kooperation", stand ihm am Freitag der SPD-Außenexperte Rolf Mützenich bei. Steinmeier endete da in seinem Beitrag literarischer. Und pathetischer. "Es ist an der Zeit, das Unmögliche zu versuchen."