Europaparlament: Neue rechte Gruppe
13. Juni 2019Unter der Führung der rechtsradikalen italienischen Regierungspartei Lega hat sich im neu gewählten Europäischen Parlament eine neue Fraktion gebildet, der rechtsnationale und rechtspopulistische Parteien aus neun Ländern angehören. Im Pressesaal wollte der frisch gekürte Fraktionschef Marco Zanni von der Lega die EU-kritischen Ziele der neuen Gruppe erläutern. Am Anfang gab es jedoch Verständigungsschwierigkeiten, weil Zanni Italienisch sprach und zunächst kein Dolmetscher übersetzte. Die französische Chefin des Rassemblement National, Marine Le Pen, drehte aufgeregt an den Knöpfen, der deutsche Abgeordnete Jörg Meuthen von der AfD presste entnervt seinen Kopfhörer an die Ohren.
Als dann schließlich doch ein Dolmetscher gefunden war, sprach Zanni schnell und wortreich über die wolkigen Grundsätze der bunt gemischten Nationalisten-Truppe. Man wolle einen europäischen Superstaat verhindern, mehr nationale Souveränität beim Geldausgeben und keine Einmischung der EU in Angelegenheiten der Mitgliedsstaaten. Marco Zanni, der zunächst der populistischen "5-Sterne-Bewegung" in Italien angehörte und dann zur rechten Lega wechselte, sagte, die Fraktion wolle keine "internen Transfers mehr innerhalb der Europäischen Union". Zanni spiegelt damit die Ansicht seines Parteichefs, Italiens Innenminister Matteo Salvini wider, der im Budgetstreit mit der EU-Kommission verlangt, dass italienisches Geld nur noch für italienische Bürger ausgegeben wird. Die populistische Regierung in Rom will sich nicht den Regeln beugen, die für alle Länder mit der Gemeinschaftswährung Euro gelten.Die EU-Kommission kritisiert die viel zu hohe Verschuldung Italiens.
Mit oder ohne Euro?
Der Chef der "Finnen"-Partei, Jussi Halla-aho, sprach sich dafür aus, die Gemeinschaftswährung gleich ganz abzuschaffen und die aus 19 Staaten bestehende Euro-Zone aufzulösen. Soweit wollte der deutsche Vertreter Jörg Meuthen nicht gehen, auch wenn Deutschland vom Euro gar nicht so sehr profitiere, wie immer behauptet würde. "Wir wollen eine andere Euro-Zone", sagte Meuthen der DW. Er könne sich zum Bespiel die Einführung von parallelen Währungen vorstellen. Italiens Populisten denken darüber nach, neue Schuldscheine zur Begleichung von Rechnungen in Italien auszugeben, was nach den Regeln der Euro-Zone rechtswidrig wäre. Von solchen Überlegungen hält der österreichische Abgeordnete Harald Vilimsky von der FPÖ wiederum wenig. "Wir brauchen den Euro für unseren Wohlstand", meint Vilimsky. Dass man sich in zentralen Punkten der EU-Politik, wie beim Euro, nicht einig sei in der neuen Fraktion, fand Vilimsky nicht weiter bedenklich. "Das sind die anderen Fraktionen ja auch nicht", behauptete er.
Noch eine Minderheit
Die Französin Marine Le Pen, die nicht für das Europäische Parlament kandidiert hat und nur als Parteivorsitzende im Pressesaal auftrat, sprach vom europäischen Schachbrett der Politik, auf dem jetzt neue Figuren stünden: "Das ist eine ganz neue Situation. Der Ton wird ganz anders werden, nicht nur im Parlament, sondern auch im Rat." Dort sind die Regierungen der Mitgliedsstaaten vertreten. Wie sie zu dieser Einschätzung kommt, ist unklar. Die Rechtspopulisten haben in den Europawahlen nur leicht zugelegt. Im Rat sind sie durch den Zusammenbruch der national-konservativen Regierung aus Christdemokraten und FPÖ in Österreich eher geschwächt. Der Vertreter der "Finnen", Jussi Halla-aho, sah das Ganze dann etwas realistischer: "Wir sind noch die Minderheit, aber die Minderheit ist größer als zuvor. Die Bildung der Fraktion beweist, dass auch Nationalisten zusammenarbeiten können."
Neue Gruppe auf Platz 5
Bislang waren die Rechtspopulisten und Rechtsradikalen im Europäischen Parlament in drei Fraktionen aufgeteilt. Im neuen Parlament gibt es nur noch zwei rechte Gruppen. Mit 73 Sitzen ist die heute vorgestellte neue Fraktion der "Identität und Demokratie" die fünftgrößte im Parlament. Vor ihr liegen die Christdemokraten (179 Sitze), Sozialdemokraten (152), Liberale (110) und Grüne (76). Die EU-feindliche "Brexit-Party" des britischen EU-Abgeordneten Nigel Farage bildet mit den italienischen Populisten von "5-Sterne", der größten Regierungspartei in Italien, eine Fraktion. In einer weiteren Gruppe sind polnische Rechte und britische Konservative zusammengeschlossen.
Nach dem Brexit, im Moment für den 31. Oktober terminiert, werden sich die Gewichte noch einmal leicht verschieben. Dann würde die rechte Gruppe drei Nachrücker bekommen und auf 76 Sitze anwachsen. Die Grünen würden schrumpfen und nur noch auf 69 Abgeordnete kommen. Von ihrem von Lega-Chef Matteo Salvini ausgegebenen Wahlziel, die größte Gruppe im Parlament zu werden, sind die Rechten noch weit entfernt. Sie werben allerdings um die ungarische Partei "Fidesz" von Ministerpräsident Victor Orban. Der hatte sich mit der christdemokratischen Fraktion überworfen und lässt im Moment noch offen, wo er seine 13 Fidesz-Abgeordneten andocken will. Wenn Orban wechselte, würden die Christdemokraten (EPP) auf 166 Sitze zurückfallen, während "Identität und Demokratie" auf 89 anwachsen würde.
EU-Freunde müssen enger zusammenrücken
Mit den Verlusten für die Volksparteien und dem Anwachsen der kleineren Gruppen ist es im Europäischen Parlament jetzt erstmals nötig, Koalitionen aus mindestes drei Fraktionen zu bilden, um stabile Mehrheiten für die Gesetzgebung zu schaffen. Da Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten ausschließen, werden sie künftig stärker untereinander kooperieren müssen. Die Meinungsforschungsplattform "poll of polls" hat alle EU-skeptischen und alle EU-freundlichen Abgeordneten aus allen Lagern, ob rechts oder links, zusammengezählt und kommt auf folgendes Bild: Im neunten Europaparlament werden insgesamt 473 EU-Freunde, aber auch 251 EU-Gegner vertreten sein. Bei 27 Abgeordneten ließ sich die Haltung nicht klar ermitteln.