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Vergiften wir unsere Bienen?

Judith Hartl
29. Juni 2017

Neonicotinoide sind Schädlingsbekämpfungsmittel, die sehr effizient sind. Doch ihnen haftet ein Makel an: Sie sollen Bienen töten. Wissenschaftliche Studien belegen das, haben aber - wie auch die neueste - Schwächen.

Biene vor Sonnenblume
Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul

Neonicotinoide sind richtige Kraftpakete. Denn diese Gruppe von Insektiziden macht lästigen Blatt- und Schildläusen den Garaus, tötet verlässlich Kartoffelkäfer, Termiten, schädliche Motten und Schmetterlinge. Und weil viele von ihnen auch Viren übertragen, können Neonicotinoide auch die Verbreitung gefährlicher Pflanzenkrankheiten verhindern.  

Neonicotinoide schützen unsere Nutzpflanzen - also Gemüse, Getreide, Obstbäume, Baumwolle, und und und. Es ist das weltweit meist verkaufte Agrogift, effizient wie nur wenige andere Schädlingsbekämpfungsmittel.

Aber es ist ebenso umstritten. Denn Neonicotinoide haben einen großen Nachteil: Sie schaden auch Bienen erheblich, sagen Forscher. So haben Studien gezeigt, dass höhere Konzentrationen auf Honigbienen, Hummeln und Wildbienen tödlich wirken. Schon geringe Dosen stören die Larvenaufzucht, die Orientierung der Bienen und ihr Gedächtnis. "Die Honigbienen finden nicht mehr zum Bienenstock zurück, fliegen große Umwege, können sich die Lage der Futterplätze nicht richtig merken oder geben Informationen fehlerhaft weiter", hat Randolf Menzel herausgefunden, Leiter des neurobiologischen Instituts der Freien Universität Berlin.

Das passiert, weil die Chemikalie auf das Gehirn von Insekten wirkt. Sie stört die Weiterleitung von Nervenreizen. Die Bienen verhalten sich so desorientiert wie Alzheimer-Patienten.

Die Hersteller dieser Insektizide - allen voran Bayer CropScience und Syngenta -  dementieren jedoch die Gefährlichkeit der Chemikalien für Bienen und andere Bestäuberinsekten. Ihrer Ansicht nach gibt es bislang keine hinreichenden Beweise. Außerdem würden die meisten Studien im Labor gemacht und nicht unter realistischen Bedingungen - also draußen in der Natur, kritisiert Christian Maus, vom Bayer Bee Care Center. Dabei würden oft "Konzentrationen verfüttert, die jenseits von Gut und Böse sind".

Erste Feldstudie

Nun aber wurden die Ergebnisse einer Freilandstudie veröffentlicht, die zum ersten Mal in mehreren EU-Ländern durchgeführt wurde: in Deutschland, Großbritannien und Ungarn. Diese Studie wurde von Bayer CropScience und Syngenta beauftragt, mitentwickelt und finanziert. Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss: Ja, Neonicotinoide können Bienen schaden. Auch wenn es in den Details Unterschiede gibt und die Daten so oder so interpretiert werden können.

Viel Spekulation, unterschiedliche Interpretation

Ben Woodcock vom "Centre for Ecology & Hydrology" in Großbritannien ist Leiter der Studie. Leider steht er ausgerechnet jetzt, zur Veröffentlichung, nicht für Interviews zur Verfügung und kann deswegen die Ergebnisse nicht erläutern und einordnen. Zum Beispiel, dass sein Team herausgefunden hat, dass die Neonicotinoide Clothianidin und Thiamethoxam die Überwinterungsfähigkeit der Bienen in Ungarn und Großbritannien stark abschwächt, in Deutschland aber nicht. Warum das so, ist wissen die Forscher nicht, sie vermuten nur.

So spekuliert einer von Woodcocks Kollegen, Richard Pywell, im DW-Interview, dass der Gesundheitszustand der ungarischen und britischen Bienen wegen regionaler Krankheiten eventuell schlechter sei als der der deutschen Bienen. 

Bayer-Mann Maus dagegen kritisiert den Versuchsaufbau. Die Bienenvölker, mit denen gearbeitet wurde, seien in den Ländern unterschiedlich groß gewesen, "das wurde nach unserer Einschätzung der Daten nicht ganz ordentlich gemacht." Im Gespräch mit der DW bekräftigt Maus, dass seiner Meinung nach kein deutlicher Effekt auf die Bienen nachgewiesen werden konnte, auch wenn es sich in der Publikation so lese. Das fände er "bedauerlich im Hinblick auf die Ausgewogenheit." Letzten Endes zeige die Studie aber, "wie hochgradig komplex die ganze Sache ist", sagt Maus, er ziehe daraus "wertvolle Hinweise für künftige Feldstudien".

Weitere Untersuchungen nötig

Und die wird es wahrscheinlich geben. Für Bayer CropSience und Syngenta geht es um viel Geld und die Zukunft ihrer leistungsstärksten Insektizide. Denn auch wenn die wissenschaftliche Beweislage nicht eindeutig ist, hat die Europäische Kommission 2013 beschlossen, die Anwendung von drei als besonders gefährlich eingestuften Neonicotinoiden stark einzuschränken. Sie dürfen nur noch in Ausnahme- oder Notfällen eingesetzt werden, etwa bei extremen Wetterlagen oder wenn Pflanzen massiv unter einem Schädlingsbefall leiden. Mittlerweile droht die EU sogar mit einem Totalverbot für Äcker und Felder. Bayer CropScience und Syngenta haben dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg geklagt. Ein Urteil, sagt Bayer CropScience-Sprecher Utz Klages, werde im Laufe des zweiten Halbjahres erwartet. 

Hummeln und Wildbienen leiden

Ein weiteres Ergebnis der Studie ist weitaus deutlicher, an diesem Teil waren Bayer CropScience und Syngenta nicht beteiligt. So sollen bei den Versuchen Wildbienen und Hummeln, die neben den Honigbienen die wichtigsten Bestäuber für Obst und Gemüse sind, durch Neonicotinoide stark geschwächt worden sein. Und zwar in allen drei untersuchten Ländern - in Deutschland, Großbritannien und Ungarn. Sowohl bei den Hummeln als auch bei der untersuchten Roten Mauerbiene sank der Reproduktionserfolg mit zunehmender Giftdosis ab. Gemessen haben das die Wissenschaftler anhand der sinkenden Zahl der Königinnen und der produzierten Eier. 

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