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Neue Versprechen im Kampf gegen Hunger

Bernd Riegert (Rom)19. November 2014

In Rom trifft sich die Welt, um über Hunger, Fehlernährung und Fettleibigkeit zu beraten. 40 Prozent der Weltbevölkerung sind falsch ernährt. Das soll sich ändern. Nur wann und wie ist umstritten.

Symbolbild Sierra Leone Hunger (Foto: DW)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Bilanz, die die Gastgeberin der zweiten Internationalen Ernährungskonferenz (ICN2) in Rom ziehen wird, fällt ernüchternd aus. Die UN-Behörde für Nahrung und Landwirtschaft (FAO) sieht seit der ersten und bisher einzigen internationalen Konferenz zur Ernährungslage der Welt im Jahr 1992 nur marginale Fortschritte. Damals wie heute gehen täglich 800 Millionen Menschen hungrig ins Bett, bekommen dauerhaft zu wenige Kalorien. Allerdings ist die Weltbevölkerung seit 1992 von 5,5 Milliarden auf sieben Milliarden Menschen angewachsen. Der Anteil der hungernden Menschen an der gesamten Bevölkerung ist also gesunken. Zu den Hungernden kommen noch weitere 1,2 Millionen Menschen hinzu, so die FAO, die unter Mangelernährung leiden. Sie erhalten zwar genügend Kalorien, um satt zu werden, aber ihr Speiseplan ist so einseitig, dass wichtige Vitamine oder Mineralien fehlen und Krankheiten wie Blindheit oder Blutarmut die Folgen sind.

"Ungleiche Fortschritte in der Welt"

Betroffen von Fehlernährung seien vor allem Frauen und Kinder unter fünf Jahren, schreiben die Experten der FAO in den Berichten zum Gipfeltreffen, das von Mittwoch bis Freitag dauern wird. Anna Lartey ist die zuständige FAO-Direktorin für Ernährung. Ihrer Ansicht nach hat es in den letzten 22 Jahren seit der ersten Welternährungskonferenz messbare Fortschritte besonders in China gegeben. Noch immer sei die Zahl der unterernährten und fehlernährten Kinder in Afrika südlich der Sahara, aber auch in Ländern wie Indien, Pakistan oder Indonesien viel zu hoch. "Der Fortschritt, der erreicht wurde, ist sehr ungleich verteilt. Wir haben immer noch Regionen mit sehr hoher Unter- und Fehlernährung. Wir müssen jetzt sicherstellen, dass Fortschritte wirklich auf breiter Front erzielt werden", sagte Anna Lartey vor Beginn der Konferenz in Rom. Nahrungsmittel sind auf der Welt ausreichend vorhanden, um theoretisch die gesamte Weltbevölkerung zu ernähren. Darin sind sich die Experten einig. Der Anbau dort, wo der Bedarf besteht, und die Verteilung sind die immer noch ungelösten Probleme.

Zugang zu Wasser und Gesundheitswesen mitentscheidend

Die Nichtregierungsorganisation "Aktion gegen Hunger" (ACF International) weist in einer Stellungnahme zur bevorstehenden Konferenz eindringlich daraufhin, dass neben den Lebensmitteln auch ein funktionierendes Gesundheitswesen, der Zugang zu sauberem Wasser und zu sanitären Einrichtungen entscheidend für die Ernährungslage ist. Das Problem der Fehlernährung werde zum Beispiel in Indien dadurch verschärft, dass 70 Prozent der indischen Landbevölkerung ihre Notdurft im freien Feld verrichten. Dadurch sei die Zahl der Infektionskrankheiten und Magen- und Darmkrankheiten sehr hoch. Mit ähnlichen Problemen hätten aber auch viele andere Entwicklungsländer zu kämpfen, so ACF international.

Zugang zu Wasser: Ein indischer Wanderarbeiter wäscht sich an einer Kloake in MumbaiBild: AP

Staaten wollen Erklärung verabschieden

"Die Erkenntnisse darüber, was zu tun wäre, sind ja da. Wir dürfen deshalb keine Zeit verlieren. Wir müssen alle an Bord holen, um Bewegung zu erzeugen. Das ist der Zweck der Internationalen Ernährungskonferenz", sagt Anne Lartey von der Welternährungs-Organisation der Vereinten Nationen (FAO). Über 150 Staaten und internationalen Organisationen werden bei der Weltkonferenz in Rom vertreten sein. In einer "Erklärung von Rom" werden sie sich feierlich dazu verpflichten, den Hunger und die Fehlernährung weltweit abzustellen. Diese Erklärung und der dazu gehörende Aktionsplan sind allerdings völkerrechtlich nicht bindend.

Deutschland wird von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) in Rom vertreten. "Die internationale Gemeinschaft sollte sich vertraglich verpflichten, den Aufbau einer tragfähigen und auf ausgewogene Ernährung ausgerichteten landwirtschaftlichen Struktur vor allem in den Mangelländern zu unterstützen", sagte Schmidt in einem Interview mit der Tageszeitung "Die Welt". Natürlich brauchen die betroffenen Länder und die Vereinten Nationen auch finanzielle Unterstützung bei der Bekämpfung von Fehlernährung. Deutschland wolle einen dreistelligen Millionenbetrag bereitstellen, kündigte Schmidt an.

Taten sind gefragt

Doch das Geld ist es nicht allein, mahnt die Nichtregierungsorganisation ACF. Es müsse bei vielen Regierungen auch erst noch der politische Wille und die Fähigkeit entwickelt werden, die Fehlernährung im eigenen Land tatsächlich anzugehen. Auch die Folgen des Klimawandels müssten einkalkuliert werden. Die Ernten und somit die Nahrungsmittelerzeugung könnten in den nächsten Jahren mit zunehmenden extremen Wetterlagen beeinträchtigt werden. "Die Konferenz sollte nicht mit einem unverbindlichen Katalog von Absichtserklärungen enden, sondern einen klaren Aktionsplan verabschieden" fordert Wolfgang Jamann vor Beginn der Tagung. Jamann ist Generalsekretär der "Stiftung Welthungerhilfe", einer deutschen Nichtregierungsorganisation. Nötig seien auch klare Regeln zu Rechenschaft und Verantwortung.

Kinder sind der Schlüssel

Die UN-Behörden FAO für Ernährung und WHO für Gesundheit wollen bei der dreitägigen Konferenz besonderes Augenmerk auf die Kinder legen. In den ersten 1000 Tagen nach der Zeugung, also während der Schwangerschaft und den ersten zwei Lebensjahren, entscheide sich das Schicksal der Kinder. Würden sie in dieser Zeit nicht ausreichend ernährt, trügen sie ihr ganzes Leben an den Folgen. Unterernährte Kinder würden oft fehlernährte Eltern, die wiederum fehlernährte Kinder hätten. Die FAO schätzt, dass über 40 Prozent aller Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren auf Fehl- und Mangelernährung zurückzuführen seien, so Anne Lartey, Ernährungsdirektorin bei der UN-Behörde: "Wir kämpfen immer noch mit Wachstumsstörungen. Wir kämpfen immer noch mit Unterernährung bei Kindern, was vielfach immer noch die Todesursache bei Kindern ist. Deshalb können wir auch Fortschritt nicht wirklich feiern."

Papst besucht die Konferenz

Um den Vertretern der Regierungen ins Gewissen zu reden, hat sich Papst Franziskus bei der Konferenz angekündigt. Das Oberhaupt der katholischen Kirche will am Donnerstag zu den Delegierten sprechen. Die Nichtregierungsorganisation ACF regt an, die Jahre 2016 bis 2025 zu einer weltweiten "Dekade für gute Ernährung" zu erklären. Die Vereinten Nationen wollen die Beseitigung des Hungers im kommenden Jahr in die neuen Millenniumsziele für Entwicklungspolitik aufnehmen. 2015 sollen diese Ziele, die erstmals im Jahr 2000 festgelegt wurden, fortgeschrieben werden.

Fettleibigkeit ist auch Konferenzthema

Die Bekämpfung der Unterernährung und Fehlernährung bei insgesamt zwei Milliarden Menschen weltweit ist zwar der hauptsächliche Fokus der zweiten Welternährungskonferenz in Rom. Die FAO weist aber darauf hin, dass auch die Überernährung, also eine zu große Kalorienzufuhr ein globales Problem geworden ist. 1,3 Milliarden Menschen sind übergewichtig. 500 Millionen davon gelten als übermäßig fettleibig. Nicht nur wohlhabende Länder haben zu fette Menschen. Manche Länder wie zum Bespiel Mexiko sind gleichzeitig von Unterernährung und Fettleibigkeit betroffen, müssten also nach Ansicht der FAO an zwei Fronten gleichzeitig kämpfen.

Zu viel Zucker und Fett, nicht nur in MexikoBild: STR/AFP/Getty Images
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