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Politik

"Neue Vorwürfe schaden Duterte nicht"

22. Februar 2017

Präsident Rodrigo Duterte war früher womöglich persönlich für Auftragsmorde verantwortlich. Doch nicht einmal das werde ihm gefährlich werden, fürchtet die aus Manila stammende DW-Reporterin Janelle Dumalaon.

Präsident Rodrigo Duterte zeigt mit dem Finger (Foto: Reuter/E. Acayan)
Bild: Reuter/E. Acayan

DW: Rodrigo Duterte steht international schon lange in der Kritik. Auf den Philippinen selbst hatte er aber immer sehr hohe Zustimmungswerte. Ist das immer noch so? Oder bröckelt seine Popularität?

Ich würde nicht sagen, dass es überhaupt keine Opposition gibt, aber er genießt tatsächlich noch immer sehr viel Zustimmung. Es gibt zwar jetzt neue Vorwürfe gegen ihn, aber es würde mich sehr überraschen, wenn das seiner Popularität schaden würde. Man darf auch nicht vergessen, dass er gerade wegen seiner radikalen Positionen gegenüber Kriminalität und Drogen gewählt wurde. Jetzt macht er genau das, was er versprochen hat, und die Leute unterstützen ihn dafür.

Bekommt man eigentlich als Normalbürger außerhalb der Nachrichten viel mit von Dutertes Drogenkrieg? Ist das etwas, das sich vor allem in den Armenvierteln abspielt? Oder hat sich die gesamte Atmosphäre im Land verändert?

Es ist tatsächlich so, dass der Drogenkrieg sich hauptsächlich in den Armenvierteln abspielt. Aber man bekommt das schon mit. Mir persönlich ist noch nichts passiert. In meinem Stadtteil ist es eher ruhig. Aber manche Freunde haben mir erzählt, dass sie schon Leichen auf dem Weg zur Arbeit gesehen haben. Und jeden Tag kann ich bei Facebook Posts sehen von Menschen, die jemanden kennen - einen Freund, ein Familienmitglied –, der vom Drogenkrieg betroffen ist. Keiner muss weit suchen, um jemanden zu finden, der selbst betroffen ist. Das ist schon sehr präsent.

Janelle Dumalaon: "Getötete Unschuldige werden als 'Kollateralschaden' betrachtet"

Vor allem reicht ja ein vager Verdacht, dass man etwas mit Drogen zu tun haben könnte, aus, um ins Visier der Sicherheitsbehörden zu geraten. Herrscht auf den Philippinen ein Klima der Angst?

Es ist schon eine paradoxe Situation. Ganz viele würden sagen, sie fühlen sich tatsächlich sicherer, weil sie sehen, dass etwas gegen die Kriminalität unternommen wird. Das heißt auch, dass sie sich überhaupt nicht vorstellen können, sie könnten vielleicht auch einmal selbst Opfer dieser Operationen sein. Das sind zwei Gedanken, die man sich auf den Philippinen nicht gleichzeitig macht. Und dass es Beweise dafür gibt, dass im Drogenkrieg nicht nur Dealer betroffen sind, sondern auch Unschuldige – sogar Kinder –, das wird als Kollateralschaden gesehen. Und das in einem katholischen Land, in dem Abtreibungen illegal sind, staatliche Tötungen aber akzeptiert werden. Es ist paradox.

Natürlich gibt es Leute, die das Ganze erschreckend finden. Doch die sind nicht laut genug. Bei vielen anderen werden die Opfer fast gar nicht mehr als Mitmenschen angesehen, nach dem Motto: "Das sind keine Menschen wie wir." Deshalb fühlen viele sich nicht so betroffen, und sie können sich auch nicht vorstellen, dass ihnen selbst mal etwas Ähnliches passieren könnte.

Der Ex-Polizist Arturo Lascanas hat ausgesagt, dass Duterte in seiner Zeit als Bürgermeister von Davao Morde durch Killerkommandos persönlich angeordnet hat. Kann ihm das noch einmal gefährlich werden?

Ich kann es mir nicht wirklich vorstellen. Wenn ich außerhalb der Philippinen bin, fragen mich immer wieder Leute: "Wie kann er an der Macht bleiben? Müsste man ihn nicht des Amtes entheben?" Auf den Philippinen ist davon nicht wirklich die Rede. Viele Philippiner wollen nicht, dass er geht. Aus ihrer Sicht hat er als Bürgermeister mit harter Hand seine Heimatstadt Davao zu einer "Musterstadt" gemacht, und sie glauben, dass das auch im ganzen Land geht. Und wenn der Preis dafür ist, dass ein paar tausend Menschen dafür sterben müssen, dann scheinen ganz viele bereit zu sein, den zu zahlen, damit es im Land endlich vorangeht. 

Der früherer Polizist Arturo Lascanas macht Duterte für frühere Morde in Davao, auch an einem Journalisten, verantwortlich Bild: Getty Images/AFP/T. Aljibe

Das heißt, für dieses Ziel lässt man Duterte alles durchgehen? Selbst ein Kapitalverbrechen?

Er kann damit durchkommen, auch weil sich keine richtige Opposition formieren kann. Dutertes schärfste Kritikerin Leila de Lima hatte im Parlament einen Untersuchungsausschuss ins Leben gerufen, um Ermittlungen gegen Duterte voranzutreiben. Aber sie hat es nicht geschafft, auch weil es nur wenig Unterstützung von anderen staatlichen Organen, aus dem Parlament oder der Justiz gab. Übrigens auch nicht von vielen zivilgesellschaftlichen Elementen.

Ich habe mich tatsächlich gefragt: Wo ist denn die Zivilgesellschaft? Wo ist die Kirche? Wo sind die gewählten Abgeordneten? Warum können sie nichts unternehmen, damit Duterte zur Rechenschaft gezogen wird? Ich komme immer wieder zu dem Schluss, dass es politisch nicht machbar ist, weil er so populär ist. Und das ist eine Realität, die nur schwer zu akzeptieren ist.

Was heißt das für die Zukunft der Demokratie im Land?

Das ist natürlich eine gefährliche Entwicklung. Und ich bin sehr pessimistisch. Wir hatten schon einmal eine Diktatur mit vielen Opfern. Und auch damals ist Marcos nicht im Gefängnis gelandet.  Unser Rechtssystem ist da nicht effektiv. Wenn die philippinische Gesellschaft den Marcos-Clan nicht zur Rechenschaft ziehen konnte, warum sollte das dann anders sein mit Duterte?

Die Journalistin Janelle Dumalaon stammt aus Manila und arbeitet als freie Reporterin für die Wirtschaftsredaktion der Deutschen Welle. Das Interview führte Thomas Latschan

 

Thomas Latschan Langjähriger Autor und Redakteur für Themen internationaler Politik
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