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Neue Wege nach Ithaka - Gastland Griechenland auf der Buchmesse

10. Oktober 2001
Bild: AP

Man denke an die vielen vom griechisch-antiken Baustil beeinflussten Gebäude, zum Beispiel das Brandenburger Tor in Berlin, an die berühmt gewordenen kunsthistorischen Studien eines Winckelmann oder an den radikalen Tragödienphilosophen Friedrich Nietzsche, der uns Griechenlands dunkle Seite erschloss.

Die deutsche Griechenlandmanie löste eine geistige Revolution aus, von der bis heute einiges in der deutschen Lyriksprache spürbar ist. So findet man über Heiner Müller zurück zu Hölderlin, der seine Sprache an Übersetzungen griechischer Hymnen entscheidend formte. Das Griechenlandbild nährt sich auch heute vor allem von der deutschen Klassik und der Antike sowie allerlei Klischees - vom griechischen Wein bis zum Sirtaki.

Ein Blick zurück

Die meisten der auf der Buchmesse präsentierten Autoren aus Griechenland sind in Deutschland bislang unbekannt. Den größeren deutschen Verlage war der Schwerpunkt Griechenland Anlass, Neuerscheinungen im Herbstprogramm aufzunehmen. Bücher von 30 Autoren wurden übersetzt.

Für die Unkenntnis der neueren griechische Literatur gibt es mehrere Gründe, die in den vielen Entwicklungsbrüchen der griechischen Geschichte zu suchen sind.

Nach der Gründung des griechischen Staates 1830 ging es zunächst um die nationale Einigung eines auch sprachlich zersplitterten Volkes - ein Prozess, der 150 Jahre dauerte. Noch nach den Balkankriegen 1922 strömten mehr als eine Million griechischer Flüchtlinge aus dem ehemaligen Territorium unter Türkenherrschaft ins Land. Dann schnürten im 20. Jahrhundert zwei Militärdiktaturen lange die Kreativität der Griechen ein; es herrschten Terror, Zensur und Propaganda.

Eine neue Nationalsprache

Es gab im jungen Nationalstaat Griechenland keine einheitliche Sprache, sondern verschiedene Dialekte, je nach Herkunft osmanisch, venezianisch, slawisch oder albanisch gefärbt. Gegen die zuerst eingeführte, "gereinigte Hochsprache" Katharévoussa setzte sich die "Volksprache" Dimotikí durch, die für den griechischen Freiheitskampf steht und um historische Formen des Griechischen bereichert wurde.

Ein besonderes Merkmal der griechischen Literatur ist die bedeutende Rolle der Lyrik. Bekannt wurden die Dichter der 30er-Jahre-Generation Georgios Seferis (1900-1975) und Odysseas Elytis (1911-1996) durch den Nobelpreis für Literatur. In Griechenland wird bis heute so viel Lyrik wie Prosa verlegt.

Unbekannte Meister der Prosa

Unter der Diktatur geschrieben, kommt Aris Alexandrous Roman "Die Kiste" jetzt mit Verspätung in Deutschland an. Der Roman des 1979 verstorbenen Autors ist eines der Hauptwerke der neueren Literatur und kann als "eine kafkaeske Parabel über die Zerstörung der Persönlichkeit durch die Willkür der politischen Macht" gelesen werden.

In die Zeit der Kriege zwischen Osmanen und Griechen führt Rhea Galanakis Roman "Das Leben des Ismael Ferik Pascha". Die Autorin, Jahrgang 1947, zählt zu den führenden Stimmen Griechenlands und beschäftigt sich mit gespaltener Kulturidentität im Spiegel von Orient und Okzident.

In den letzten Jahren gewannen Autorinnen mehr an Gewicht. Die Schriftstellerin Soti Triantafillou interessiert die "Erweiterung des Begriffs von Heimat" und sie schreibt in "Der unterirdische Himmel" von griechischen Einwanderern in den USA.

Für das neue Genre der Unterhaltungsliteratur der 90er Jahre steht der früh verstorbene Autor Kostas Kontodimos. Sein "Sorbas Remake" erlaubt einen satirischen Zugang zum heutigen Griechenland.

Mit Homer in die Gegenwart

Die Mittelmeer-Nation Griechenland tritt bei der Buchmesse unter dem Motto "Neue Wege nach Ithaka" an. Dahinter steht die Idee der Reise in die "Welt des Denkens und der Fantasie", erläutert Pantelis M. Pantelouris, Leiter des griechischen Buchmessenbüros:

"Es ist, als ob der Leser – durch die Erlebnisse und die Empfindungen der Helden – aufs offene Meer hinausfährt und schließlich, wie ein neuer Odysseus, in die ruhigen Gewässer Ithakas gelangt, um dort an Land zu gehen. Wir wollen damit nicht nur an das antike Erbe Griechenlands anknüpfen ... Suche, Irrfahrt und Rückkehr sind Worte, die auf die Universalität verweisen und auf die Fähigkeit, sich neuen Herausforderungen zu stellen."

Auf einer Fläche von 1.000 Quadratmetern stellen bis zum 14. Oktober 46 griechische Verlage auf der Frankfurter Buchmesse aus. 56 Autoren werden präsent sein. Im Zentrum der Griechenlandhalle steht ein nachgebildetes Amphitheaters, in dem Lesungen und Diskussionen geplant sind. Die "Reise" schließt 25 thematische Ausstellungen ein, führt in die bildende Kunst und vom antiken Drama zum zeitgenössischen Comic. Höhepunkte sind ein Galakonzert von Agnes Baltsa in der Alten Oper Frankfurt und die Ausstellung "Griechenland – Im Spiegel der Freiheit" in der Schirn-Kunsthalle.

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