Neuer Anlauf für Atomgespräche mit Iran
6. Dezember 2010In Genf haben am Montag (06.12.2010) die zweitägigen Gespräche zwischen Iran und der sogenannten Sechser-Gruppe über das iranische Atomprogramm begonnen. Vertreter des Iran verhandeln dabei mit Vertretern der fünf Vetomächte des UN-Sicherheitsrates und Deutschlands unter Leitung der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton.
Niedrige Erwartungen
Das vom Erdölexport abhängige Land hofft, dass Sanktionen von UN, EU und USA nicht weiter verschärft werden. Die Erfolgsaussichten der ersten Verhandlungsrunde seit mehr als einem Jahr gelten jedoch als eher gering. "Erwarten Sie nicht zu viel", sagte ein Verhandlungsführer aus der Sechser-Gruppe kurz vor Beginn der Gespräche zu Journalisten. Der Iran gab sich unnachgiebig. "Alles hängt vom Verhalten der anderen Seite ab", sagte der iranische Chefunterhändler Said Dschalili bei seiner Ankunft in Genf auf
Viele Länder verdächtigen Teheran, unter dem Deckmantel der zivilen Nutzung der Atomenergie an Nuklearwaffen zu arbeiten. Der Iran beharrt dagegen auf seinem Recht, die Atomkraft nutzen zu können und ist der Ansicht, dass dies in Genf nicht Verhandlungsgegenstand sein könne.
Westerwelle appelliert an Teheran
Bundesaußenminister Guido Westerwelle rief den Iran dazu auf, die Chance konstruktiv zu nutzen und endlich die notwendige Transparenz bei seinem Atomprogramm herzustellen. Eine nukleare Bewaffnung des Iran, "die unabsehbare Folgen für die regionale und internationale Stabilität hätte", bleibe inakzeptabel, sagte Westerwelle am Sonntag. Zur zivilen Nutzung der Atomenergie sei der Iran "selbstverständlich" berechtigt.
Beobachter gehen daher davon aus, dass es bei dem Genfer Treffen noch keinen Durchbruch geben wird. Diplomaten sagten, es handele sich um "Gespräche über Gespräche". Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat wiederholt betont, dass sein Land nicht auf die eigene Uran-Anreicherung verzichten wolle. Zuletzt beschuldigte der Iran die USA, Großbritannien und Israel, für die Tötung eines Atomphysikers in Teheran verantwortlich zu sein.
Worüber wird eigentlich gesprochen?
Kenner der Materie erwarten allerdings, dass in Genf ein Uran-Tauschgeschäft wieder auf den Tisch kommt, das die Internationale Atomenergie-Agentur (IAEA) ausgearbeitet hat. Dieser Vorschlag sieht eine höhere Anreicherung iranischen Urans im Ausland vor, damit das Land das angereicherte Material in einem medizinischen Forschungsreaktor verwenden kann.
Im Mai hatte der Iran überraschend ein entsprechendes Abkommen mit Brasilien und der Türkei unterschrieben. Es sieht vor, dass der Iran sein niedrig angereichertes Uran in der Türkei zwischenlagert, das dann in Russland auf 20 Prozent angereichert wird. In Frankreich soll dieses Uran anschließend zu Brennstäben verarbeitet werden, die später im medizinischen Reaktor in Teheran zum Einsatz kommen sollen.
Iran meldet Durchbruch bei Urananreicherung
Die Genfer Gespräche werden überschattet von der jüngsten Verlautbarung der iranischen Führung. Diese verkündete am Sonntag, dass iranische Wissenschaftler erstmals konzentriertes Uran, den so genannten Yellowcake, aus eigener Produktion an eine Anlage zur Herstellung von Kernbrennstoff in Isfahan geliefert hätten. Das konzentrierte Uran ist ein Grundstoff der Urananreicherung.
Mit dem Beginn der heimischen Produktion sei der Iran nun autark, sagte der Leiter des nationalen Atomprogramms, Ali Akbar Salehi. Von der Förderung über die Anreicherung bis zur Herstellung der Brennstäbe beherrsche sein Land nun den kompletten Produktionszyklus für Atombrennstoff.
Sorgen bei den USA
Nach westlichen Berichten sind 2009 die iranischen Uran-Vorräte zur Neige gegangen. In den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts hatte das Land Yellowcake aus Südafrika importiert und noch vor Beginn der UN-Sanktionen weitere Lieferungen aus China erhalten.
Die USA reagierten mit Besorgnis auf die Mitteilung. Die Ankündigung aus Teheran sei "keine Überraschung", sagte Mike Hammer, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA. Sie gebe jedoch neuen Anlass zur Sorge zu einem Zeitpunkt, da der Iran Antworten auf die drängenden Fragen der internationalen Gemeinschaft geben sollte.
Autor: Reinhard Kleber (rtr, dapd, dpa, afp)
Redaktion: Nicole Scherschun