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EU-Spitzenbesuch

Bernd Riegert, Brüssel9. April 2008

Gibt es neue Bewegung in den flauen Beziehungen zwischen der Türkei und der EU? Kommissionspräsident Barroso reist zu mehrtägigen Gesprächen nach Ankara, hat aber Forderungen an den Gastgeber im Gepäck.

Porträt Erdogan (Quelle: AP)
Barroso wird im Vorfeld seines Türkei-Besuches deutlich (Archivfoto)Bild: AP

Im Prinzip hält die EU an ihrem Grundsatzbeschluss fest, dass die Türkei trotz Kritik aus Frankreich und Deutschland vollwertiges Mitglied werden soll - irgendwann, in sieben Jahren vielleicht. Allerdings will EU-Kommissionspräsident Jose Barroso die türkischen Gesprächspartner nicht mit Samthandschuhen anfassen und forderte vor seiner Abreise in Brüssel schon einmal vorsorglich verstärkte Reformanstrengungen von den Türken. Sie müssten zeigen, warum sie in die Europäische Union wollten und was die EU davon habe, sagte Barroso.

Umstrittener Paragraf 301

Erdogans AK-Partei - gefangen zwischen EU und KemalistenBild: AP

Der Kommissionspräsident begrüßte, dass das türkische Parlament einen großen Stolperstein auf dem Weg zur Mitgliedschaft aus dem Weg räumen soll. Der umstrittene Paragraf 301 des Strafgesetzbuches, der die Herabwürdigung des Türkentums unter Strafe stellt, soll entschärft werden: "Wir haben die türkischen Gesetzgeber schon lange gebeten, den Artikel zu ändern. In seiner heutigen Fassung widerspricht er der Meinungsfreiheit. Ich habe den jüngsten Vorschlag noch nicht gesehen, aber er scheint in die richtige Richtung zu weisen"

Die Änderung des Artikels 301, mit dem Intellektuelle wie der Nobelpreisträger Orhan Pamuk verfolgt wurden, stößt auf Widerstand des säkularen Lagers in der Türkei.

"Europa macht sich Sorgen"

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan von der islamisch-konservativen AK-Partei hatte deshalb lange gezögert, sich an den Paragrafen 301 heranzuwagen. Die Regierungspartei und ihre führenden Vertreter stehen unter Druck, weil das Verfassungsgericht in Ankara ein Verbot der AKP prüft.

Olli Rehns bisherige Fortschrittsberichte zur Türkei fielen gemischt ausBild: AP

Unverhohlen forderte EU-Kommissionspräsident Barroso den türkischen Gerichtshof auf, ein Verbot der Partei des Staatspräsidenten und des Regierungschefs abzulehnen: "Ich muss die Sorgen ansprechen, die wir uns in Europa machen. Es ist ja nicht normal, dass die Partei, die von der Mehrheit der Türken gewählt wurde, und dass die Hauptakteure des Staates vor Gericht stehen." Barroso hoffe, dass das Gericht eine Entscheidung findet, die auf rechtstaatlichen Prinzipien und demokratischen Standards aus Europa basiert.

Die türkische Zeitung "Cumhüriyet" warf Barroso daraufhin vor, er wolle mit Drohungen Druck auf die unabhängige türkische Justiz ausüben. Barroso sagte zu, sich auch mit den Oppositionskräften im Parlament zu treffen.

EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn nannte das Gerichtverfahren einen Testfall für die türkische Demokratie. Auch Barroso warnte, ein Sieg der säkularen Kemalisten, die jeden Einfluss des Islam auf die Politik ablehnen, würde Folgen für die Beitrittsperspektive der Türkei haben: "Das ist ein sehr heikles Thema, und es kann natürlich großen Einfluß darauf haben, wie die Türkei von der Europäischen Union gesehen wird."

Neue Kapitel in Aussicht

Aus Sicht der EU geht es darum, ob sich nationalistisch eingestellte Teile der Justiz gegen die politischen Institutionen der Türkei durchsetzen können. Die Trennung von Staat und Religion wird zwar auch von der Europäischen Union als Beitrittskriterium gefordert. Der Säkularismus sollte aber nicht selbst zur Ersatz-Religion werden, sagte Barroso in Brüssel.

Wie es aus Kreisen der Kommission heißt, will der Präsident der EU-Verwaltung der Türkei anbieten, im Herbst weitere unstrittige Verhandlungskapitel zu eröffnen. Frankreich und Zypern hatten allerdings 2006 durchgesetzt, dass keines der Verhandlungskapitel abgeschlossen werden kann, solange die Zypernfrage nicht geklärt ist.

Die EU-Verhandlungsführer verlangen von der Türkei mehr Rechte für religiöse Minderheiten in der Türkei und eine Rücknahme von türkischen Staatsbürgern, die sich illegal in EU-Staaten aufhalten. Bislang habe es noch keine befriedigenden Antworten gegeben, teilte ein Sprecher des EU-Justizkommissars mit.

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