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Politik

Neuer Elysée-Vertrag soll EU erneuern

Andreas Noll | Ralf Bosen
22. Januar 2019

Gesten der Freundschaft gibt es viele zwischen Deutschland und Frankreich. Nun kommt eine weitere hinzu: Mit der Neufassung des Elysée-Vertrags soll die Freundschaft vertieft und eine EU-Reform vorbereitet werden.

Frankreich Merkel bei Macron
Merkel und Macron: Bei der Reform des Elysée-Vertrages hat vor allem Paris Druck gemachtBild: picture alliance/dpa/POOL EPA/C. P. Tesson

Die Ankündigung kam zum Jubiläum des Elysée-Vertrags: Staatspräsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel handelten im vergangenen Jahr einen neuen deutsch-französischen Freundschaftsvertrag aus. An diesem Dienstag haben sie in Aachen das 16-seitige Dokument unterzeichnet. Der "Aachener Vertrag" soll die Freundschaft vertiefen, die "Beziehungen auf eine neue Stufe heben", wie es offiziell heißt, und Verbesserungen für die Bürger bringen.

Die Idee dazu ist nicht neu. Vor allem die französische Seite hatte immer wieder vorgeschlagen, den Vertrag zu erneuern, obwohl er im Laufe der Zeit schon durch Zusatzvereinbarungen ergänzt worden war. Vor genau 56 Jahren, am 22. Januar 1963, unterzeichneten Frankreichs Staatspräsident Charles de Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer den historischen Elysée-Vertrag und stießen damit die Aussöhnung zwischen den beiden einstigen "Erbfeinden" an.

Aus Feinden wurden Partner

Mit dem deutsch-französischen Freundschaftsvertrag vereinbarten die Regierungen in Bonn und Paris verbindliche Konsultationen, eine enge politische Kooperation und einen breit angelegten Jugendaustausch. Mehr als 8,4 Millionen junge Deutsche und Franzosen haben seitdem an Austauschprogrammen im Nachbarland teilgenommen.

Historischer Termin in Paris: Adenauer und de Gaulle unterzeichnen am 22. Januar 1963 den Elysée-VertragBild: picture-alliance/dpa

Da der Elysee-Vertrag lediglich einen Kooperationsprozess beschreibt, geht es nicht darum, den Kern des Vertrages zu ändern, sondern um ein politisches Signal: Berlin und Paris wollen eine weitere Etappe der deutsch-französischen Kooperation in Angriff nehmen und damit eine Reform der EU vorbereiten. Zugleich gilt die intensivierte Partnerschaft als Kampfansage gegen den zunehmenden Populismus und Nationalismus in Europa.

Was ändert der neue Elysée-Vertrag?

In einer gemeinsamen Erklärung thematisierten Merkel und Macron bereits Initiativen auf unterschiedlichen Politikfeldern. So enthält der "Aachener Vertrag" im Kern den Ausbau von Austauschprogrammen für Bürger beider Länder, eine vertiefte Zusammenarbeit in der Europa-, Außen- und Sicherheitspolitik sowie eine stärkere wirtschaftliche Integration, die eine abgestimmte Umwelt- und Klimapolitik umfasst. Nicht eigens erwähnt wird die Flüchtlingspolitik. Damit bleiben die Regierungen beider Länder in dem Rahmen, den der ursprüngliche Elysée-Vertrag vorgibt.

Der ursprüngliche Elysée-Vertrag mit den Unterschriften von Adenauer und de GaulleBild: picture-alliance/Auswärtiges Amt

In einer gemeinsamen Resolution des Deutschen Bundestages und der französischen Nationalversammlung hatten die beiden Parlamente bereits eine engere Zusammenarbeit der Völker gefordert und listeten konkrete Beispiele auf, die nun umgesetzt werden sollen. Sie reichen von gemeinsamen Berufsschulzentren bis zu einem deutsch-französischen Zentrum für Künstliche Intelligenz. Außerdem soll mit einem Deutsch-Französischen Parlamentsabkommen der Austausch zwischen den Parlamenten beider Länder intensiviert werden. Ein weiteres Ziel des Vertrages ist es, EU-Richtlinien in beiden Ländern einheitlich umzusetzen.

Schwerpunkt Sprachen

Stehende Ovationen gab es Ende Januar im Bundestag für den Ehrengast zum Elysée-Jubiläum: Eine gute Viertelstunde hatte François de Rugy, der Präsident der französischen Nationalversammlung, gesprochen, dann erhoben sich die Abgeordneten von ihren Sitzen. Der 44 Jahre alte Franzose hatte seine gesamte Rede auf Deutsch gehalten. Derartige Signale gibt es häufiger - vorrangig aber nur auf politischer Ebene.

56 Jahre nach dem Abschluss des Elysée-Vertrages ist die Zahl der Politiker in Führungspositionen gestiegen, die sich in der Sprache des Nachbarn verständigen können. Vor allem Staatspräsident Macron umgibt sich mit zahlreichen Deutschland-Kennern.

Stehende Ovationen im Bundestag: Parlamentspräsident François de Rugy hatte seine Rede auf Deutsch gehaltenBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Ganz anders dagegen die Entwicklung in den Gesellschaften: Die Zahl der Deutschlernenden in Frankreich stagniert auf einem niedrigen Niveau. Während zu Zeiten de Gaulles gut die Hälfte der französischen Schüler Deutsch lernte, sind es heute nur noch knapp 15 Prozent. Auch in Deutschland sinkt die Zahl der Französisch-Lernenden. Verantwortlich für den Rückgang ist neben der Dominanz des Englischen auch der Boom von Spanisch an deutschen und französischen Schulen. Im neuen Elysée-Vertrag spielt die Sprachförderung deshalb eine wichtige Rolle.

Schwerpunkt Wirtschaft

Deutschland ist für Frankreich der wichtigste wirtschaftliche Handelspartner. Die Volkswirtschaften wollen nun noch enger zusammenrücken. Der Aachener Vertrag soll einen deutsch-französischen Wirtschaftsraum schaffen und für einen Abbau bürokratischer Hürden sorgen.

"Nicht nur mit einem gemeinsamen Binnenmarkt, sondern mit gemeinsamen Regelungen im Wirtschaftsrecht, im Insolvenz- und Gesellschaftsrecht, mit einer gleichen Bemessungsgrundlage der Körperschaftssteuer und damit dem Bekenntnis: Wir sind gemeinsam besser als jeder für sich", so der Vorsitzende der Deutsch-Französischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Andreas Jung, im Interview mit der DW.

Der Wunsch nach Angleichung ist nicht neu - schon Präsident Nicolas Sarkozy und Kanzlerin Angela Merkel vereinbarten 2011 eine einheitliche Körperschaftssteuer in beiden Ländern. Die Umsetzung ließ aber auf sich warten, weil viele Tücken im Detail steckten.

Schwerpunkt Sicherheit und Rüstung

Der neue Elysée-Vertrag nimmt auch die deutsch-französische Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen und im Kampf gegen den Terror in den Blick. Beide Länder haben hier bereits einen weiten Weg zurückgelegt. Seit 1989 gibt es mit der Deutsch-Französischen Brigade eine gemeinsame Militäreinheit. Doch seit einigen Jahren ist es ruhiger geworden um die Truppe - im militärischen Alltag spielt sie keine große Rolle.

Nie wieder Krieg: Beim 60. Jahrestag des D-Day in Caen 2004 umarmten sich Kanzler Schröder und Präsident Chirac Bild: picture-alliance/dpa

Weil mit den interventionsfreudigen Franzosen und den militärisch sehr zurückhaltenden Deutschen zwei Philosophien aufeinanderprallen, ist es in der Verteidigungspolitik seit jeher schwierig, von Visionen zu konkreten Projekten zu kommen. Das soll sich bessern: Deutschland und Frankreich versichern sich unter anderem Beistand "im Fall eines bewaffneten Angriffs" auf eines der beiden Länder, auch mit militärischen Mitteln.

Schwerpunkt digitale Zukunft

Der Wohlstand im 21. Jahrhundert hängt eng mit der digitalen Revolution zusammen. Insofern wollen die Partnerländer Impulse für eine "Digitalunion" setzen. Bislang dominieren US-amerikanische Giganten wie Apple, Google oder Amazon diesen Markt. Deutschland und Frankreich könnten, wie von den Abgeordneten gefordert, mit einem "deutsch-französischen Zentrum für Künstliche Intelligenz" versuchen, europäischen Unternehmen mit Steuergeldern direkt oder indirekt unter die Arme zu greifen.

In der Vergangenheit ist das allerdings schon einmal schief gegangen. Als Google nach der Jahrtausendwende zu seinem globalen Siegeszug ansetzte, initiierten Bundeskanzler Gerhard Schröder und Staatspräsident Jacques Chirac den Bau einer deutsch-französische Suchmaschine. Bereits ein Jahr nach der Ankündigung zog sich Deutschland aus dem Projekt Quaero wieder zurück.

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