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PolitikNahost

Ahmed al-Dschaber: Erdöl-Lobbyist oder Umweltschützer?

17. Januar 2023

Der Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Ahmed al-Dschaber, Chef eines Ölkonzerns, soll die nächste UN-Klimakonferenz leiten. Wegen seiner Ämter steht er in der Kritik. Doch es gibt auch Zustimmung.

Sultan al-Dschaber an einem Laptop
Sultan Ahmed al-Dschaber soll die nächste Klimakonferenz leitenBild: AFP

Die Personalie ist umstritten: Ende des Jahres soll Sultan Ahmed al-Dschaber der 28. UN-Konferenz zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (kurz: COP 28) vorstehen. So haben es deren Ausrichter, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), vorgesehen.

Der 49-Jährige steht vor allem aufgrund seiner Ämter in der Kritik: Al-Dschaber ist nicht nur Minister für Industrie und Hochtechnologie der Emirate, sondern auch Geschäftsführer und Konzernchef des staatlichen Energieunternehmens Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC).

Lassen sich diese Ämter mit dem wichtigsten Anliegen der UN-Konferenz, dem Klimaschutz, vereinen?

Kritik von Klima-Aktivisten

Tasneem Essop, Exekutivdirektorin von Climate Action Network International (CAN), einem Dachverband von 1500 energiepolitischen Nichtregierungsorganisationen, bezweifelt das. Al-Dschaber müsse öffentlich versichern, dass er von seiner Rolle als CEO der Abu Dhabi National Oil Company zurücktreten werde, schrieb die Energie-Aktivistin auf Twitter. Die Begründung: Al-Dschaber stehe in einem Interessenskonflikt. Er leite als ADNOC-Chef und Minister einen Industriezweig, der selbst für die Krise verantwortlich sei.

Tatsächlich spielt das von ihm geleitete Öl-Unternehmen ADNOC in der globalen Energieproduktion eine bedeutende Rolle. Gemessen an der Produktion ist der Konzern einer 2020 veröffentlichte Studie des US-amerikanischen Climate Accountability Institute zufolge die zwölftgrößte Ölgesellschaft weltweit. Zugleich gehört er dem Institut zufolge zu den 20 größten Verursachern von Treibhausgasen.

Engagement für Klimaschutz

Doch es gibt auch andere Stimmen, die al-Dschaber als engagierten Politiker und Unternehmer bei der Förderung erneuerbarer Energien beschreiben. Tatsächlich fungiert er schon seit Jahren als Sonderbeauftragter der VAE für den Klimawandel. In dieser Eigenschaft hat er an den letzten zehn UN-Klimarunden, den so genannten Conferences of Parties (COP), teilgenommen. Im Jahr 2006 war er außerdem Mitbegründer von Masdar, dem staatlichen Unternehmen für erneuerbare Energien der Emirate. Dessen Vorsitz hat er immer noch inne.

Hauptsitz des staatlichen Energie- und Ölunternehmens ADNOC in Abu DhabiBild: Z Jan/PantherMedia/IMAGO

Auch wirkte er federführend an anderen Initiativen zur Förderung grüner Energie mit. So etwa geht das 2021 gegebene Versprechen der Emirate, bis zum Jahr 2050 kohlenstoffneutral zu sein, wesentlich auf ihn zurück. Für dieses Ziel haben sich die VAE eine ehrgeizige Frist gesetzt: Sie wollen es zehn Jahre früher erreichen als ihre Nachbarländer Saudi-Arabien und Kuwait.

Ist al-Dschaber vor diesem Hintergrund eher Umweltschützer oder Erdöl-Lobbyist? Möglicherweise beides zugleich, meinen manche Experten. Mit der Entscheidung für Sultan Ahmed Al-Jaber wollten die VAE "die Rettung der fossilen Brennstoffindustrie mit konkreten Schritten zur Förderung nachhaltigerer Industrien und Praktiken in Einklang zu bringen", sagt dazu etwa Cinzia Bianco, Expertin für die Golfregion und Gastwissenschaftlerin beim European Council on Foreign Relations (ECFR), im Gespräch mit der DW.

Zweifache Zielsetzung

Bislang hat sich Al-Dschaber weder zu Rücktrittsforderungen bezüglich seiner Tätigkeit als ADNOC-Chef noch zu Zweifeln verschiedener NOGs an seiner Eignung als Präsident der COP28 geäußert. Die weitere Förderung von Erdöl auf der einen Seite und die Reduzierung und Erfassung von Emissionen und der Ausbau erneuerbarer Energien wie Solar- und Windenergie auf der anderen Seite standen für ihn aber auch bisher schon nicht im Widerspruch zueinander. Davon profitiert auch Deutschland, das kürzlich mit den VAE eine Vereinbarung über Gasimporte geschlossen hat.

Ahmed al-Dschaber auf der Internationalen Erdöl-Messe in Abu Dhabi, November 2019Bild: ADNOC/Xinhua News Agency/picture alliance

Gegenüber der offiziellen emiratischen Tageszeitung "The National" hatte al-Dschaber vor der letzten COP27 im November 2022 in Ägypten erklärt, man müsse das derzeitige System der Energieversorgung beibehalten, solange die Welt noch darauf angewiesen sei. Zugleich, fügte er hinzu, gelte es jedoch, die Emissionen zu senken und auch die Investitionen in neue Energien zu erhöhen.

Innovative Klimaschutzmaßnahmen wie der rasche Ausbau erneuerbarer Energien hätten das Potenzial, eine dauerhafte Energiesicherheit zu gewährleisten", so al-Dschaber seinerzeit in dem Interview. "Aber noch sind wir nicht so weit."

"Schwung" für die Energiewende?

Mit solchen Äußerungen erntet al-Dschaber neben Kritik auch Zustimmung. Ein derartiger Ansatz sei eine "dringend erforderliche politische Anpassung", sagt etwa Jessica Obeid vom Londoner Energie-Beratungsunternehmen Azure Strategy.

"Seine Ämter stehen für die vielfältigen Elemente, die in dieser Ära der Energiewende eine Rolle spielen", so Obeid im DW-Interview. Sie meint: "Ein angemessener Übergang (zu einer umweltschonenden Energieförderung, Anm. d. Red.) wird alle Sektoren einbeziehen müssen, einschließlich der Öl- und Gasindustrie." Allerdings müssten auch in dieser Industrie kohlenstoffarme Technologien entwickelt und eingesetzt werden.

Eine Tendenz sei aber klar erkennbar, so die Expertin: "Die Energiewende in den VAE gewinnt an Schwung."

Masdar City, Entwicklungszentrum für erneuerbare Energien in Abu DhabiBild: Karim Sahib/AFP

Abhängigkeit vom Öl verringern

Tatsächlich versuchen die VAE bereits seit längerem, ihre Abhängigkeit von den Öleinnahmen zu verringern. "Heute werden über 70 Prozent unserer Wirtschaft außerhalb des Öl- und Gassektors erwirtschaftet", erklärte Al-Sultan in seiner ersten Rede seit seiner Ernennung zum COP28-Präsidenten auf dem Global Energy Forum des Atlantic Council in Abu Dhabi am vergangenen Samstag (14.01.2023)

Um auf diesem Weg fortzufahren, gebe es zahlreiche Möglichkeiten, sagte al-Dschaber. Dazu zählt er unter anderem den Ausbau der erneuerbaren Energien und des Wasserstoffs, aber auch die Kernenergie. Es komme aber immer auch darauf an, die Energiesicherheit für die Weltwirtschaft zu gewährleisten.

Auch für Expertin Cinzia Bianco wäre jede Kritik an der Kombination aus traditionellen und erneuerbaren Energien in den VAE ein "Zeichen von Heuchelei". Dies gelte ganz besonders angesichts der kürzlich mit den Emiraten geschlossenen oder erneuerten Energieabkommen europäischer Länder infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine und der daraus resultierenden Energiekrise.

Derzeit sei es wegen der politischen Gesamtlage schwierig, der Klimakrise angemessen entgegenzutreten, so Bianco. "Aber die VAE könnten ein guter Gesprächspartner sein, der anderen, noch zögernden energieproduzierenden Ländern vielleicht einen Weg aufzeigen könnte, wie man finanziell oder anderweitig trotzdem in andere Formen des Klimaschutzes investieren könnte."

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

Jennifer Holleis Redakteurin und Analystin mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika.
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