Papst Leo XIV: Seine größten Herausforderungen
11. Mai 2025
Überraschend schnell wählte das Konklave Kardinal Robert Prevost (69) zum 267. Papst, einen gebürtigen US-Amerikaner, auch Peruaner nach vielen Jahren im Norden des Landes. Ein mehrsprachiger Weltbürger.
Bislang richtet sich der Blick auf die erste kurze Ansprache Leos nach dem Konklave. Erstmals wendete sich dabei ein Papst nicht nur in Italienisch, sondern in einer weiteren modernen Sprache an die Menge: Er sprach einige Sätze in Spanisch für seine "liebe Diözese Chiclayo in Peru".
"Friede"
Zehn Mal gebrauchte Papst Leo XIV. das Wort "Friede", kein anderes Substantiv fiel öfter. Meist klang es biblisch eingebettet. Doch spätestens als er davon sprach, dass dieser Friede des auferstandenen Christus "ein unbewaffneter Friede und ein entwaffnender, demütiger, beharrlicher Friede" sei, drängten sich die Bezüge zur Gegenwart auf. "Das Böse wird nicht siegen! Wir sind alle in Gottes Händen." Dem folgte das Bild der Brücke, des Brückenbaus.
Kurz war diese erste Rede Leos - und doch machte sie einiges deutlich. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx (71), der an der Papstwahl teilgenommen hatte, erwähnte die Sprachwahl des Papstes. Er halte es, so Marx, für eine "bewusste Entscheidung" Leos, dort nicht Englisch gesprochen zu haben "und noch einmal einen besonderen Bezug zu den Vereinigten Staaten herzustellen". Marx weiter: "Mir sagen die US-amerikanischen Bischöfe, eigentlich empfinden wir ihn hier als Lateinamerikaner."
Das ist der vielleicht größte Coup diese Papstwahl: Das Oberhaupt von über 1,4 Milliarden Mitgliedern der römisch-katholischen Kirche ist plötzlich US-Amerikaner. Damit steht dem Präsidenten der USA, der sich für den mächtigsten Mann zumindest dieser Welt hält, ein vielleicht noch mächtigerer Mann mit weltweiter Vernetzung entgegen.
Wie wird das Verhältnis von Präsident Donald Trump und Papst Leo sein? Auch dazu hatte Marx eine Bewertung. Die Äußerungen des bisherigen Kardinals Prevosts "waren ja nicht alle so, dass der Präsident sich jedesmal gefreut hat". Als Papst werde er "jetzt sicher nicht provozieren wollen". Es komme drauf an, was der Präsident macht. Leo werde jedenfalls frei sein. "Er ist sicher nicht ein Mann, der jetzt sagt: Ich komme aus den Vereinigten Staaten und werde deshalb nicht auch frei und klar Position beziehen."
Er widersprach Trump und Vance
Und das tat der jetzige Papst schon als Kardinal. Im Gegensatz zu den meisten der US-Bischöfe und Kardinäle stellte er sich bei seinen wenigen Beiträgen auf dem Netzwerk X (früher Twitter) öffentlich gegen Trump und dessen Vize JD Vance.
Mehrfach verteidigte Prevost die Haltungen von Papst Franziskus und der katholischen Kirche in der Migrationspolitik und beim Kampf gegen den Klimawandel, der Verantwortung für die Schöpfung. Und er empfahl Trump, der solche Einwände gern in die Ecke der "radikalen Linken" stellt, ausdrücklich, das 2015 veröffentlichte Papstwort "Laudato Si" zur ökologischen Verantwortung zu lesen.
Noch vor wenigen Wochen attestierte er Vizepräsident Vance, der einen anderen Umgang mit Flüchtlingen und Abschottung will: "JD Vance liegt falsch". Das ist deshalb immerhin interessant, weil Vance, der vor einigen Jahren katholisch wurde, der Kirche erklären wollte, wie man Nächstenliebe zu verstehen habe.
Richtungsweisende Messe
Der 18. Mai wird spannend werden. Recht spät terminiert der Vatikan die Messfeier zur offiziellen Amtseinführung von Papst Leo. Weit über 200.000 Gläubige werden erwartet - und dutzende staatliche Repräsentanten und Spitzenpolitiker aus aller Welt. In Rom heißt es, es stehe fest, dass Donald Trump anreise, definitiv. Und dann wird Leo gewiss der Papst aus Lateinamerika sein, der seinem US-Landsmann gegenübertritt. Eins darf man vermuten: Leo (69) wird länger regieren als Trump (78).
Die Tweets Prevosts machen auch klar, dass es in großen politischen Fragen - Migration, Kampf gegen den Klimawandel, globale soziale Verantwortung - keinen Kurswechsel geben wird. Aber mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine - Stichwort "Friede" - erwarten Diplomaten eine klarere Linie des Vatikan als zu Zeiten von Papst Franziskus. Über viele Monate irritierten dessen Äußerungen, mit denen die Verantwortung für Tod und Leid in der Ukraine und die Rollen von Täter und Opfer nicht klar benannt wurden.
Personalfragen
Eine Personal-Entscheidung des neuen Papstes kam nicht überraschend, ist aber doch wichtig. Mit dem Tod eines jeden Papstes enden die Amtszeiten von fast allen wichtigen Funktionen in der Kurie, dem vatikanischen Apparat. Papst Leo bestätigte sie vorerst alle in ihren Ämtern, auch die vom Vorgänger noch spät ernannten Ordensfrauen an der Spitze zweier Ministerien (Dikasterien).
Das gilt auch für die Nummer 2 des Vatikan, Kardinalstaatssekretär, den Italiener Pietro Parolin (70), und den vatikanischen "Außenminister", den Briten Paul Richard Gallagher (71).
Anders als sein Vorgänger ist Leo, der seit 2023 eine der wichtigsten Ämter in der Kurie innehatte, bereits mit allen Personen und Gesichtern (und wohl auch Schwachpunkten) vertraut. Das Bild des "Brückenbauens" aus seiner ersten Rede bezieht Leo vor allem auf die Einheit der Kirche.
"Kirche, die Dialog schafft"
Ein Aspekt wird Leo wichtiger sein und hängt auch mit seiner Namenswahl zusammen. Die kundige Vatikan-Reporterin Ines San Martin zitierte den chilenischen Kardinal Fernando Chomali: Leo habe ihm beim Essen der Kardinäle nach der Papstwahl gesagt, "er sei sehr besorgt über die kulturellen Veränderungen, die wir durchleben, wirklich eine kopernikanische Revolution - künstliche Intelligenz, Robotik, menschliche Beziehungen". Und so, wie Papst Leo XIII. (1878-1903) inmitten der industriellen Revolution "einen wichtigen Dialog zwischen der Kirche und der modernen Welt in Gang setzte", solle die Kirche im heutigen Moment der "Ratlosigkeit" eine wichtige Rolle spielen. "Es findet eine Revolution statt, und sie muss ernsthaft angegangen werden", berichtet Chomali.
Gespannt warten viele auf die ersten Reisepläne von Papst Leo XIV. Nun, da erneut ein Vertreter aus Lateinamerika die Kirche führt, wird er sicher bald nach Afrika, Asien oder Osteuropa schauen müssen. Wenn man am Abend nach der Entscheidung philippinische Ordensfrauen oder junge afrikanische Priester auf dem Petersplatz fragte, ob sie bei aller Freude auch ein wenig traurig seien, war das doch zu spüren, gerade bei den Philippinas. Aus ihrem Land kamen zwei ernstzunehmende Kandidaten.
Ende Mai in die Türkei?
Vielleicht wird die erste Reise gleich bei der Amtseinführung klar. Denn erneut kommt, wie bei der Beisetzung von Papst Franziskus, das Ehrenoberhaupt der Orthodoxie, Patriarch Bartholomaios (85), nach Rom. Und in seiner Ankündigung der Vatikan-Reise bekräftigte der ökumenisch gesinnte 85-Jährige seine Hoffnung oder Erwartung, dass er Leo in der Türkei wiedersehe. Ende Mai steht in Nicäa (Iznik) südöstlich von Istanbul der 1700. Jahrestag des Beginns des Konzils von Nizäa an. Ein Jubiläum, das vielen Menschen im Westen gar nichts sagt, das aber für die Ökumene höchste Relevanz hat.
Missbrauch
Bei einem Thema stellten sich seit Donnerstag diverse Akteure vor den neuen Papst. Ende März hatte die aus den USA kommende und international tätige Organisation "Survivors Network of Those Abused by Priests" (SNAP) gegen Prevost und fünf andere Kardinäle wegen Vertuschung Anzeige beim Vatikan gestellt. Nach der Wahl bekräftigte sie ihre Kritik.
Der weltweit tätige vatikanische Kinderschutz-Experte Hans Zollner vermutete am Freitag hinter den Vorwürfen die reaktionär-katholische Gemeinschaft "Sodalicium de vida cristiana". Gegen diese Gruppe seien Papst Franziskus und, während seiner Zeit in Peru, Prevost entschieden vorgegangen. Anfang 2025 wurde sie von Franziskus verboten, auch wegen vieler Missbrauch-Fälle.
Die globale Betroffenenorganisation "Ending Clergy Abuse Global" (ECA) forderte Leo auf, die Aufarbeitung von Missbrauch fortzusetzen und Betroffene einzubeziehen. Das aktuelle Beispiel bekräftige die Forderungen nach Transparenz, unabhängiger Untersuchung und Einbeziehung der Überlebenden. "Papst Leo XIV. steht nun vor einer kritischen Entscheidung: ein kaputtes System zu erhalten oder die Kirche in eine Zukunft zu führen, die auf Rechenschaftspflicht und von Überlebenden getragenen Reformen basiert." Diese Herausforderung bleibt lange.