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Neuer Schwung für Freihandelsabkommen mit Indien?

Andreas Hoenig | Anne-Sophie Galli dpa
20. Juli 2023

Handel, Klimaschutz und Fachkräfte: Wirtschaftsminister Habeck wirbt in Delhi für den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen und das Freihandelsabkommen mit der EU.

Indiens Regierungschef Narendra Modi (hier bei der Eröffnung der India Energy Week in Bengaluru im Februar 2023)
Indiens Regierungschef Narendra Modi (hier bei der Eröffnung der India Energy Week in Bengaluru im Februar 2023) setzt ebenfalls auf DiversifizierungBild: MANJUNATH KIRAN/AFP

Zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren ist mit Robert Habeck (Grüne) ein Bundeswirtschaftsminister zu Besuch in Indien. Dahinter steht: Indien wird nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa immer wichtiger.

Auf Habecks Programm stehen politische Gespräche und Firmenbesuche in Neu Delhi und Mumbai sowie in Goa ein G20-Energieministertreffen. Zu den Topthemen der Staatsvisite gehört auch das geplante Freihandelsabkommen zwischen Indien und der EU. Die Gespräche über ein Freihandelsabkommen zwischen Indien und der EU laufen bereits seit 2007. Sie sind allerdings seit 2013 ins Stocken geraten.

"Ich hoffe, mein Besuch kann dazu beitragen, die Verhandlungen auf ein höheres Niveau zu befördern", erklärte Habeck in einem Interview mit der DW in Dehli. Angesichts der veränderten geopolitischen Lage wolle Deutschland seine wirtschaftliche Abhängigkeit von China verringern und Lieferwege breiter aufstellen. 

"Ein Freihandelsabkommen zwischen Indien und der EU würde gute Rahmenbedingungen für Handel und Investitionen auch in Deutschland schaffen", so Habeck. Zwischen Deutschland und Indien sei die Zusammenarbeit bereits sehr gut. Habeck: "Wir können sie weiter ausbauen."    

"Wir haben unsere Lektionen gelernt": Wirtschaftsminister Robert Habeck im DW-Interview in Neu Dehli Bild: DW

Signal Richtung Peking

Indien hat China als bevölkerungsreichstes Land abgelöst. Mit rund 1,4 Milliarden Einwohnern ist es auch die größte Demokratie der Welt und hat wachsenden politischen und wirtschaftlichen Einfluss - gerade im Indopazifik, also dem Raum rund um den Indischen Ozean sowie Teile des Pazifiks.

Das Handelsvolumen zwischen Deutschland und Indien ist zuletzt deutlich gestiegen, im vergangenen Jahr lag es bei rund 30 Milliarden Euro. Indien lag damit auf Rang 24 der wichtigsten deutschen Handelspartner. Zum Vergleich: Größter Handelspartner war China, mit einem Handelsvolumen von rund 299 Milliarden Euro.

Die Reise Habecks ist ein Signal in Richtung China - dort war er noch nicht. Die neue China-Strategie der Bundesregierung sieht im Kern vor: "De-Risking". Einseitige Abhängigkeiten von China etwa bei Rohstoffen sollen verhindert werden, Firmen sollen Lieferwege breiter aufstellen. Hier kommt auch Indien ins Spiel. Auf einer Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft in Singapur im vergangenen November machte die Formel "China plus X" die Runde - oder: "China plus 1".

Außenministern Baerbock traf im Dezember 2022 ihren Amtskollegen Subrahmanyam Jaishankar in IndienBild: Carsten Koall/dpa/picture alliance

Freihandel mit Indien

Zum letzten Mal war nach Ministeriumsangaben 2012 ein deutscher Wirtschaftsminister in Indien, damals der FDP-Politiker Philipp Rösler. Habecks Ziel ist es, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu vertiefen. Mit Interesse verfolgt würden außerdem Bestrebungen,

Indiens "grüne" Wasserstoffproduktion auch für den Export aufzubauen. Auf der Basis erneuerbarer Energien hergestellter "grüner" Wasserstoff soll zum Beispiel die Schlüsseltechnologie sein, um Produktionsprozesse etwa in der Stahlindustrie klimafreundlich umzustellen. Deutschland wird viel Wasserstoff importieren müssen.

Indiens Wirtschaft wächst dieses Jahr nach Prognosen des Internationalen Weltwährungsfonds (IWF) um 5,9 Prozent - mehr als andere große Volkswirtschaften. Prognosen etwa von Goldman Sachs zufolge soll das Land bis zum Jahr 2075 die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft werden - nach China und vor den USA. Mehr als ein Viertel der indischen Bevölkerung ist unter 25 Jahre alt.

Das Land hofft, von Lieferkettenverlagerungen profitieren zu können. Um Neuansiedlungen zu unterstützen, werden großzügige Subventionen gewährt - das Programm "Production Linked Incentives" ist die indische Antwort auf das milliardenschwere US-Subventionsprogramm "Inflation Reduction Act". Erste Erfolge sind bereits sichtbar. So stieg die Produktion von Elektronikartikeln deutlich.

Im Februar 2023 besuchte Bundeskanzler Olaf Scholz Indien - hier bei der Begrüßung durch Premier Narendra ModiBild: REUTERS

Was exportiert Indien nach Deutschland?

Textilien, Tee und Gewürze sind laut Anne Krieckhaus von der Deutsch-Indischen Handelskammer Exportklassiker aus Indien. Aus Indien stammten auch verschiedene Teile, die in deutschen Autos verbaut würden.

Außerdem kämen aus dem Land, das als "Apotheke der Welt" bekannt ist, ein Großteil der Masern-Mumps-Röteln-Impfungen sowie Arzneimittel beziehungsweise Bestandteile davon. Deutsche Unternehmen bezögen zudem laut Geschäftsführer Dirk Matter von der Handelskammer IT-Dienstleistungen aus Indien. Nach Angaben der bundeseigenen Außenwirtschaftsgesellschaft Germany Trade & Invest liefert Indien auch Maschinen und Elektronik.

Investitionsstandort Indien

"Indien bietet für deutsche Unternehmen eine einzigartige Kombination aus Marktgröße, Marktpotenzial und Talentpool", sagt Kirsten Schoder-Steinmüller, Vizepräsidentin der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Die Produktion deutscher Unternehmen in Indien werde in den nächsten Jahren sowohl für den lokalen Markt wie für den Export in andere Länder und Regionen an Bedeutung gewinnen. Deutsche Unternehmen seien in Indien vor allem in der Automobil-, Maschinenbau- und Chemiebranche aktiv.

Auch die deutsche Entwicklungsministerin Svenja Schulze war bereits in Indien, im Juni 2023Bild: Anne-Sophie Galli/dpa

Aber auch erneuerbare Energien und "grüner" Wasserstoff sowie Logistik und Infrastruktur würden zu immer attraktiveren Geschäftsfeldern. Wolfgang Niedermark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie, sagte, Indien habe einen hohen Stellenwert bei den Anstrengungen der deutschen Industrie, sich in Lieferketten breiter aufzustellen und weniger abhängig zu machen.

Nach einer Umfrage der Deutsch-Indischen Handelskammer unter deutschen Firmen, die in Indien aktiv sind, wurden als wichtigste Standortfaktoren genannt: politische Stabilität, Verfügbarkeit exzellenter Fachkräfte und relativ niedrige Lohnkosten. Deutschland sei der siebtgrößte ausländische Direktinvestor in Indien.

Deutsche Unternehmen investieren beispielsweise im indischen "Silicon Valley" Bengaluru: Continental eröffnete dort im vergangenen Jahr für mehr als 100 Millionen Euro ein neues technisches Center, SAP und Siemens Healthineers bauen dort derzeit je einen Campus.

Immer noch hohe Zölle

Die Regierung von Premierminister Narendra Modi wirbt mit Bürokratieabbau und Investitionsanreizen, um den Produktionsstandort zu stärken. Deutsche Wirtschaftsverbände sehen aber noch viel zu tun: "Strukturelle Probleme wie Korruption, überbordende Bürokratie und Mängel in der Infrastruktur, als auch politische Themen wie wachsender Nationalismus und das schwache Bekenntnis zu internationalen Normen sind die größten Herausforderungen für deutsche Unternehmen in Indien", so Niedermark.

Zudem erhebe Indien in mehreren Sektoren weiterhin hohe Zölle auf Waren aus Europa. Deswegen wäre ein Freihandelsabkommen mit weitreichendem Zoll-Abbau von großer Bedeutung.    

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