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PolitikAfrika

Neuer Streit über Genozid-Abkommen

Daniel Pelz
12. November 2022

Keine neuen Verhandlungen mit Namibia, das hatte die Bundesregierung im September noch mitgeteilt. Doch nun soll es weitere Gespräche geben, weil der Druck immer weiter wächst.

Menschen laufen auf der Straße mit Plakaten während Protesten gegen das Genozid-Abkommen mit Deutschland
Proteste gegen Genozid Abkommen mit Deutschland (im September 2021): Pochen auf NachverhandlungenBild: Sakeus Iikela/DW

Was Namibias Vizepräsident Nangolo Mbumba vor zwei Wochen öffentlich machte, dürfte die Bundesregierung wenig gefreut haben. Seine Regierung habe schon im Juli Gesprächsbedarf über die Gemeinsame Erklärung angemeldet, so Mbumba. Und dabei geht es nicht um Details: "Die Summe von 1,1 Milliarden Euro, die Deutschland anbietet, ist nicht genug und sollte verbessert werden", sagte er. Auch der geplante Zeitraum von 30 Jahren ist seiner Regierung viel zu lang. 

Für den Hamburger Kolonialhistoriker Jürgen Zimmerer ist der Fall klar. Mbumbas Aussagen seien ein Zeichen, "dass der Druck und die Kritik in Namibia zu stark geworden sind", sagt er zur DW. Das sogenannte "Versöhnungsabkommen" war schon umstritten, als es beide Regierungen im Mai 2021 vorstellten. Viele Vertreter der Herero und Nama lehnten es ab, weil Deutschland darin moralische, aber keine juristische Verantwortung für den Völkermord übernimmt.

Kritik an Wiederaufbauhilfe

Auch die geplante Wiederaufbauhilfe halten viele in Namibia für viel zu gering. Schließlich zerstörten die deutschen Kolonialherren auch die Lebensgrundlagen beider Volksgruppen. Angesichts dessen forderte der Vizegouverneur der namibischen Zentralbank vor wenigen Tagen über 70 Milliarden. 

Wohnviertel in Okakarara (2021) Leben in Armut, weil die Kolonialherren die Lebensgrundlagen zerstörten?Bild: Adrian Kriesch/DW

Auch die Bundesregierung spürt den Druck. "Derzeit laufen konstruktive Gespräche mit der namibischen Regierung zu offenen Fragen der Umsetzung dieser Gemeinsamen Erklärung. Diese Gespräche werden auf Wunsch beider Seiten vertraulich geführt," teilte ein Sprecher des Auswärtigen Amts auf DW-Anfrage mit. 

Dabei geht es aber um Nach- und nicht um Neuverhandlungen, wie Staatsministerin Anna Lührmann auf eine Frage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen mitteilte. Was in dem sogenannten "Addendum" stehen soll, ist unbekannt. Aber die Gespräche sollen offenbar schnell gehen. Nach DW-Informationen könnte eine namibische Delegation bald nach Berlin fliegen. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es aber nicht. 

Namibias Regierung 'in die Ecke gedrängt'?

Reine Nachverhandlungen gehen einigen Herero und Nama-Vertretern nicht weit genug. "Die namibische Regierung ist in die Ecke gedrängt worden. Und jetzt gehen sie zu Deutschland und sagen 'Bitte Deutschland, erhöht doch die Summe und verkürzt die Auszahlungszeit, damit wir uns die Unterstützung unserer Leute erkaufen können'" ätzt der Paramount Chief der Herero, Mutjinde Katjiua, im DW-Interview.

Er vertritt Teile der Herero und Nama, die das geplante Abkommen strikt ablehnen. Und das will er notfalls per Klage zu Fall bringen. "Wir werden die Regierung vor Gericht bringen, weil sie uns von den Verhandlungen ausgeschlossen hat", so Katjiua. 

Staatsministerin Lührmann: Zu Nachverhandlungen bereitBild: Political-Moments/IMAGO

Bereits im September hatte ein namibischer Anwalt im Auftrag Katjiuas und einer namibischen Oppositionspartei an den Generalstaatsanwalt geschrieben. Er argumentiert, dass Namibias Regierung die UN-Konvention zum Schutz indigener Völker verletzt hat, indem sie die Herero und Nama von den Verhandlungen ausgeschlossen habe. Die Gemeinsame Erklärung sei daher ungültig. Der Generalstaatsanwalt wies den Vorwurf brüsk zurück. 

Klage gegen Abkommen?

Nun erwägen die Initiatoren des Schreibens eine Klage vor Namibias Oberstem Gericht. Doch ein mögliches Verfahren könnte lange dauern - und den Abschluss der Gemeinsamen Erklärung weiter verzögern. Schließlich müssten beide Seiten das Urteil abwarten, um auf rechtlich sicherem Boden zu stehen.

"Ein Addendum zu einer rechtswidrig zustande gekommenen Vereinbarung ist keine Option. Wir brauchen Neuverhandlungen, in denen die rechtlichen Mindeststandards eingehalten werden", sagt die deutsche Völkerrechtlerin Karina Theurer zur DW. Sie berät den namibischen Anwalt, der die mögliche Klage vorbereitet. 

Frauen in traditioneller Tracht in Windhoek (2019) Teile der Herero und Nama dürften das Abkommen nicht akzeptierenBild: HILDEGARD TITUS/AFP

Eine Einigung mit Namibia dürfte noch aus anderen Gründen schwierig werden. Die Bundesregierung hat auch bei der geplanten Entschädigungssumm keine großen Spielräume. "Die Finanzlage ist durch den Ukraine-Krieg deutlich enger geworden", sagt der Hamburger Kolonialhistoriker Zimmerer.

Die deutsche Seite fürchte offenbar, dass sich zu große Zugeständnisse an anderer Seite rächen könnten. "Schwierig ist, dass die Gespräche von Deutschland aus betrachtet ein Präzedenzfall sind, der sehr besorgt gesehen wird. Auch hinsichtlich Reparationsforderungen aus dem Zweiten Weltkrieg, zum Beispiel von Polen, die seit einigen Wochen neu auf dem Tisch liegen", so Zimmerer. 

Doch egal, worauf sich beide Seiten am Ende möglicherweise einigen - Herero-Oberhaupt Katjiua macht klar, dass er bei seinen Forderungen bleibt. Komplette Neuverhandlungen, direkt mit der deutschen Seite: "Die Gemeinsame Erklärung ist für uns Herero und Nama gerade zu selbstmörderisch. Wir werden sie nicht akzeptieren."

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