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Politik

Neuer Streit um Christoph Kolumbus

Gabriel González Zorrilla
14. November 2018

Die Stadt Los Angeles ließ nach jahrelangen Protesten von Ureinwohnern eine Statue des Seefahrers Christoph Kolumbus entfernen. Die Folge: Spaniens Völkermord in Lateinamerika erhitzt wieder die Gemüter.

USA Statue von Christoph Kolumbus in Los Angeles
Bild: Getty Images/AFP/F.J. Brown

Die Idee, dass man vermeintlich heroische Ereignisse der Geschichte auch aus einer anderen Perspektive betrachten kann - nämlich aus der des Unterlegenen - ist nicht neu. Gerade an Christoph Kolumbus, dem Entdecker Amerikas, scheiden sich seit vielen Jahren die Geister, besonders in der spanischsprachigen Welt zu beiden Seiten des Atlantiks und in den USA. Auslöser der neuesten Aufregung ist die Entscheidung des Stadtrats von Los Angeles, eine Statue des Seefahrers aus einem Park zu entfernen. Über 100 Schaulustige und Nachfahren von Ureinwohnern bejubelten die Abräumaktion und dokumentieren sie mit ihren Smartphones. Kolumbus sei zu sehr mit Sklaverei und Brutalität verbunden, um ihn mit einem Denkmal zu ehren, so der Stadtrat.

Heftige Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten und halten auch Tage später noch an. Am Dienstag twitterte der bolivianische Präsident Evo Morales Glückwünsche an den Stadtrat von Los Angeles: "Ich stimme mit ihm überein, dass die sogenannte Entdeckung ein Völkermord und Ausbeutung der natürlichen Ressourcen war."

Belehrungen aus Madrid

Spanien konterte erwartungsgemäß verschnupft auf die Demontage eines seiner größten Nationalhelden. In der Tageszeitung El País brachte einen Aufmacherartikel mit historischen Belehrungen. Die Gründung der Stadt Los Angeles und ihr Name hätten einen spanischen Ursprung. Die Stadt sei 1781 von einem Andalusier gegründet worden, ganze 275 Jahre nach dem Tod des Entdeckers. In der Folge fährt El País eine Armada von Professorenmeinungen vorrangig aus Spanien auf, die das Bild eines völkermordenden und brutalen Kolumbus relativieren sollen.

Seefahrer Christoph Kolumbus: in Amerika in der Kritik, in Spanien NationalheldBild: picture alliance/akg-images

Im Rahmen der Festlichkeiten rund um den 12. Oktober, dem Tag der Entdeckung Amerikas im Jahre 1492, meldete sich in Spanien der Weihbischof von Valladolid, Luis Javier Argüello, zu Wort. Dieses Ereignis habe nichts mit einem unterstellten Völkermord zu tun. Für Argüello war es vielmehr "ein gegenseitiges Kennenlernen" und "ein Zusammentreffen der Kulturen". Die Auftraggeberin dieser Entdeckungsfahrt, die spanische Königin Isabella, habe ausnahmslos integre und wohltätige Motive im Sinn gehabt, als sie Kolumbus gen Osten schickte.

In weiten Teilen Lateinamerikas sieht man das nicht so. Selbst in Spanien ließen Äußerungen wie diese einige Augenbrauen runzeln. Aber der spanische Klerus versucht schon seit über 60 Jahren im Vatikan die Heiligsprechung von Königin Isabella, mit dem Beinamen "die Katholische", durchzusetzen. Die Beauftragung eines Völkermords macht sich da nicht gut im Lebenslauf.

Statuen als Instrumente der Deutungshoheit

"Überall dort, wo Statuen aufgestellt werden oder nationale Feiertage bestimmt werden, geht es darum, die Deutungshoheit über die Interpretation von Fakten auszuüben", sagt Eleonora Rohland, die an der Universität Bielefeld Geschichte lehrt, der DW.

Hernán Cortés eroberte das Aktekenreich. In Spanien setzte man ihm dafür ein umstrittenes Denkmal - sein linker Fuß ruht auf dem Kopf eines AztekenBild: instagram/carlomasan

Ein gutes Beispiel hierfür ist der Umgang mit dem Konquistador Hernán Cortés, dem Eroberer des Aztekenreiches. In Mexiko ist er, obgleich er den Grundstein für das moderne Mexiko gelegt hat, höchst umstritten. In seinem Geburtsort, im Örtchen Medellín im Süden Spaniens, steht hingegen eine pompöse Statue von Cortés. Sein linker Fuß ruht auf dem abgeschlagenen Kopf eines Azteken. 2010 beschmierten Aktivisten die Statue mit roter Farbe, als Ausdruck des Blutbades, das Cortés unter den Ureinwohnern Mexikos angerichtet hat.

Universitätsprofessorin Eleonora Rohland bewertet die aktuelle kritische Debatte über nationale Vorbilder eher positiv, da viele gesellschaftliche Gruppen jetzt Möglichkeiten fänden, ihre politische, soziale, kulturelle und wirtschaftliche Ausgrenzung anzuprangern. "Es sollte uns nicht wundern, wenn sie sagen: 'Moment mal, das ist eure Version der Geschichte, aber nicht unsere'", so die Historikerin.