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Planet über dem Limit

Irene Banos Ruiz tk
27. Oktober 2016

Wenn es so weitergeht wie bisher, brauchen wir bis 2030 zwei Planeten - damit wir unseren Bedarf an Nahrung, Wasser und Energie decken können. Zeit für einen Weckruf?

Indonesien Ost-Kalimantan, Regenwald-Abholzung
Bild: WWF

Er ist da: Der jüngste "globale Gesundheitscheck" der Umweltorganisation WWF (World Wide Fund of Nature). In Zusammenarbeit mit dem Global Footprint Network und der Zoological Society in London untersucht der WWF in einer Studie - dem Living Planet Report - alle zwei Jahre den ökologischen Fußabdruck der Weltbevölkerung.

Die Ergebnisse sind entmutigend: Weltweit schrumpft die biologische Vielfalt dramatisch. Gleichzeitig verbraucht die Menschheit jedes Jahr 60 Prozent mehr Ressourcen als die Erde zur Verfügung stellen kann. Die Folge: Wir zerstören lebenswichtige Ökosysteme. 

"Die nächsten 50 Jahre werden deutlich ruppiger als die vergangenen 50 Jahre. In vielen Regionen kippen die Ökosysteme schon weg", sagt WWF-Referent Jörg-Andreas Krüger im DW-Interview. Die Folgen seien bereits in Europa spürbar: "Wir haben erste semi-aride Bereiche also Halbwüsten, die in Spanien entstehen, in Regionen in denen unsere Lebensmittel produziert werden", so Krüger.

Soweit der Status Quo. Aber es kommt noch schlimmer. Den Wissenschaftlern zufolge ist die Erde bereits in eine neue Ära eingetreten: Das Anthropozän oder "Menschen-Zeitalter". Der Mensch ist somit der wichtigste Einflussfaktor für die Umweltprozesse auf der Erde geworden. Bald wird über den Zeitraum von nur einem Menschenleben das "Klima und die Ozeane kippen, und komplette Ökosysteme verschwinden", so der Bericht. 

"Geschockt hat mich zum einen die Zahl des Waldverlustes, wir haben 239 Millionen Hektar Tropenwald verloren seit 1990. Das sind irrsinnige Verluste", sagt Krüger. Hinzu kämen weltweit rund 80 Prozent Verlust bei den Süßwasserfischen. 

Die Botschaft ist niederschmetternd. Aber anstatt zu verzweifeln, fordern die Forscher die Politik zum Handeln auf. Ein Paradigmenwechsel muss her - und zwar sofort. Die Menschheit müsse sich den Herausforderungen endlich stellen: Etwa die wachsenden Weltbevölkerung in Schach halten, Umweltschutz verschärfen und sich gegen verheerende Klimaveränderungen wappnen, so die Empfehlungen des WWF.

Weniger Fleisch essen - ein simpler Schritt, den Planet zu schonenBild: WWF

 

Aber jetzt bitte keine Panik! Denn der Bericht gibt auch Anlass zum Optimismus. "Hoffen lässt mich, dass wir überall kleine Ansätze sehen wie es besser gemacht werden kann. Wir sehen auch einzelne Länder und  Wirtschaftssektoren, die sich entwickeln", so  der WWF-Experte Krüger. Denn die Rezepte, Ideen und Instrumente gebe es bereits, "um ganz vieles jetzt schon anzugehen." 

Biologische Vielfalt an erster Stelle

Der "Living Planet Index" der WWF-Studie gibt Aufschluss darüber wie es um die biologische Vielfalt auf der Welt steht. Der Index umfasst Daten von fast 4000 Wirbeltierarten der vergangenen drei Jahrzehnte. Demnach ist zwischen 1970 und 2012 der Wirbeltierbestand um über die Hälfte (58 Prozent) geschrumpft. Der jährliche Rückgang liegt derzeit bei zwei Prozent.

Dass die Tierbestände schrumpfen, liege hauptsächlich an menschlichen Aktivitäten und dem damit verbundenen Ressourcenverbrauch. Die Menschheit bleibt damit die größte Bedrohung für die Tier- und Pflanzenwelt, deren Lebensräume sie zerstört. Raubbau, Abholzung und Bergbau sind dabei sind die Hauptursachen, aber auch kommerzielle Landwirtschaft, Transport und Verkehr haben verheerende Auswirkungen.

Bei der Übernutzung von Arten bleibe, so der WWF-Bericht, die Wilderei und Fischerei eine direkte Bedrohung für die verbleibenden Tierbestände. Hinzu kommen die Umweltverschmutzung, invasive Arten und Krankheiten und der Klimawandel, die das Überleben von Arten zusätzlich bedrohten.

Ökosysteme: Ohne sie geht es nicht

Zerstörte Ökosysteme wirkten sich nicht nur auf die Tier- und Pflanzenwelt aus, sondern auch auf den Menschen. Auch wir brauchen intakte Ökosysteme, die uns mit Nahrung, Frischwasser, saubere Luft und Energie versorgen.

Doch längst verbrauchen wir Menschen die natürlichen Ressourcen in einem Tempo, das nicht länger nachhaltig ist. Seit 1966, so der Bericht, habe sich der ökologische Fußabdruck der Menschheit verdoppelt. Einhergehend mit dem Bevölkerungswachstum sei der Ressourcenverbrauch so stark gestiegen, dass die Natur sich nicht mehr erholen könne. Der WWF nennt das "die große Beschleunigung." 

Die Folgen sind vielerorts bereits greifbar geworden. Ein Beispiel: Konflikte, begünstigt durch Ressourcenmangel, oder etwa Nahrungs- und Wasserknappheit.

Eine Erde ist nicht genug

Bereits im Jahr 2012 verbrauchte die Weltbevölkerung die Ressourcen einer 1,6 mal so große Erde, um ihre Konsumgewohnheiten zu befriedigen. "Dass die Menschheit die Erde in einen lebensbedrohlichen Burnout treibt", sei nur kurzfristig haltbar, so die Warnung des WWF.

Kohlenstoffdioxid (CO2) bleibt die Hauptursache für den "ökologischen Fußabdruck" und entsteht beim Verbrennen von Kohle, Öl und Gas. Die fossilen Brennstoffe sind bisher der Motor für die Weltwirtschaft, sozusagen die Lebenselixier der wirtschaftlichen Entwicklung.

Neben der CO2-Bilanz analysierte der WWF fünf weitere Konsumbereiche: Anbauflächen für Textilfasern und Nahrung, Weideflächen und Fischfanggebiete, Wälder und Bauflächen, etwa für Straßen und Siedlungsgegenden.

"Pro Kopf ist der ökologische Fußabdruck in vielen Ländern sechsmal höher als die vorhandene Ressourcen, nämlich 1,7 globale Hektar pro Kopf", so die Autoren.

"Wir in Deutschland brauchen pro Kopf 5,3 Hektar Lebensraum, um unseren Bedarf zu decken", sagt WWF-Naturschutzvorstand Christoph Heinrich. Deutschland exportiere seinen Ressourcenbedarf in den Rest der Welt und sei damit eines der Länder, die übergriffig werden.

Wie geht es weiter?

Immer mehr Menschen sehen ein, dass es so nicht weiter gehen kann. Der erste Schritt laut WWF: Überprüfe deine täglichen Gewohnheiten. Darüber hinaus sei es an uns, auch die Ursachen der Umweltbelastung zu kennen.

"Nachhaltigkeit und ein vernünftiger Umgang mit Ressourcen muss zu den obersten Handlungsmaximen der Menschheit aber auch jeder einzelnen Regierung und damit auch der Bundesregierung gehören",  sagt Umweltschützer Heinrich. Und das müsse man spüren. "Es muss sich niederschlagen in jedem Regierungshandeln aber auch im Handeln von jedem von uns."

Um die nachhaltigen Entwicklungsziele der UN bis 2030 zu erreichen, müsse man die verschiedenen Anstrengungen kombinieren: Die der Bürger, der Wirtschaft und der Regierungen. Ein nachhaltiges System könne nur durch einen "Paradigmenwechsel" funktionieren. Dafür brauche es radikale sowie schrittweise Veränderungen in den Bereichen Erhaltung des Naturkapitals, gerechte Ressourcenverteilung, nachhaltige Finanzströme, vernünftiger Konsum und eine Neuausrichtung von Energie- und Nahrungsmittelsystemen.

Wenn die Menschheit einem globale Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit eine Chance geben wolle, müsse sie auf erneuerbare Energien setzen: Da gebe es keinen Weg drum herum, so der WWF.

 

 

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