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Politik

Neues BKA-Gesetz: Effektive Terrorabwehr?

Richard A. Fuchs
1. Februar 2017

Nach dem Berliner Anschlag strebt das Kabinett Änderungen im Gesetz für das Bundeskriminalamt an. "Gefährder" sollen mit Fußfesseln überwacht werden, Abhöraktionen bekommen neue Regeln.Ist die Novelle verfassungskonform?

Bad Vilbel Überwachungszentrale elektronische Fußfessel
Auch bei Gefährdern können die Behörden jetzt den Einsatz von elektronischen Fußfesseln anordnen. Bild: picture-alliance/dpa/S. Prautsch

Die Überwachung von sogenannten islamistischen "Gefährdern" soll nicht mehr an Landesgrenzen oder Informationslücken scheitern. Mit diesem Ziel hat das Bundeskabinett an diesem Mittwoch eine Änderung der Befugnisse des Bundeskriminalamtes (BKA) auf den Weggebracht. Dazu soll gehören, dass Behörden künftig schneller Personen mit konkreten Anschlagsplänen überwachen können, beispielsweise durch das Anlegen einer elektronischen Fußfessel. Damit soll ein Untertauchen von "Gefährdern" wie im Fall des Berliner Attentäters Anis Amri verhindert werden, sagte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) in Berlin bei der Vorstellung der BKA-Gesetzesnovelle.

"Fußfesseln sind kein Allheilmittel, aber sie sind ein wichtiges Instrument um die Überwachung von gefährlichen Personen zu erleichtern." Der Tunesier Amri hatte am 19.Dezember bei dem Anschlag auf den Berliner Breitscheidplatz zwölf Menschen getötet. Er war den Behörden als ausreisepflichtiger "Gefährder" bekannt, konnte aber nicht abgeschoben werden und tauchte unter. Der Innenminister und SPD-Justizminister Heiko Maas hatten sich in der Folge auf ein Bündel von Gegenmaßnahmen verständigt.

Schnellerer Zugriff auf "Gefährder" und ihre Akten

Er hält die BKA-Reform für einen Quantensprung in der Terrorabwehr: Innenminister Thomas de Maizière. Bild: picture alliance/dpa/S. Stache

Darunter fällt der Startschuss für eine umfassende Reform der polizeilichen Informationsnetzwerke in Deutschland. "Ein Polizist in einem Bundesland muss wissen, dass ein Kollege in einem anderen Bundesland gegen die gleiche Person ermittelt. Und beide müssen wissen, welche Daten über diese Person beim Bundeskriminalamt bekannt sind", erläuterte der Innenminister die Nachjustierung im BKA-Gesetz. Gleichzeitig bleibe der jetzt geplante Neuaufbau einer einheitlichen Informationsinfrastruktur mit gutem Datenschutz vereinbar. "Wir schaffen ein modernes Zugriffsmanagement, was die Zweckbindung der Daten sichert und damit auch den vom Bundesverfassungsgericht geforderten Grundsatz umsetzt", so de Maizière

Im April vergangenen Jahres hatte das Bundesverfassungsgericht die Befugnisse des Bundeskriminalamtes zur Terrorabwehr für teilweise verfassungswidrig erklärt. Die Richter hatten damals kritisiert, dass die bisherigen Abhöraktionen zu tief in den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung eingegriffen hätten. Dazu gehört, dass das BKA seit 2009 zur Strafvereitelung Verdächtige in Wohnungen abhören oder filmen konnte und deren Computer via Trojanern ausspionieren durfte. Die Verfassungsrichter sahen diese heimlichen Überwachungen als unverhältnismäßig an.

Um keine zweite Schlappe vor dem Bundesverfassungsgericht zu erleiden, sollen künftige BKA-Abhöraktionen den betroffenen Personenkreis enger fassen. Konkret bedeutet das: Das BKA muss beweisen, dass die Person, in deren Wohnung abgehört oder gefilmt wird, auch wirklich tatverdächtig ist. Die Überwachung von Wohnungen von Kontakt- oder Mittelspersonen soll es künftig nicht mehr geben.

Jaschke: "Der Begriff des 'Gefährders' ist nicht definierbar"

Terrorismusforscher Hans-Gerd Jaschke aus Berlin Bild: picture-alliance/dpa/A. Meyer

Doch wer ist ein "Gefährder" - und wer nicht? Bislang lautet die Antwort des Innenministers, dass es sich dabei um Personen handle, denen die zuständigen Landesbehörden terroristische Anschläge zutrauen. Auch de Maizière musste am Mittwoch allerdings einräumen, dass es bisher keine einheitlichen Maßstäbe und Kriterien gebe, nach denen die 16 Bundesländer vorgingen. "Ich hoffe, wir kommen zu einheitlichen Regeln", so der Innenminister. Zudem räumte er ein, dass In- und Ausländer unterschiedlich schnell mit der Überwachung durch elektronische Fußfesseln rechnen müssten. "Das wollen wir ändern, in dem wir jetzt die Vorschriften einander angleichen", so der Minister.

Doch ist eine solche Angleichung überhaupt möglich? Terrorismusforscher Hans-Gerd Jaschke, Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, ist skeptisch. "Der Begriff des 'Gefährders' ist nicht genau definierbar", sagte Jaschke im Interview mit der DW. Selbst wenn die Behörden versuchten, gemeinsame Standards aufzustellen, bliebe eine hohe rechtliche Unsicherheit erhalten, wann eine Person als ein solcher "Gefährder" einzustufen sei. Zudem sei unklar, wer eine solche Einstufung der Behörden kontrollieren und gegebenenfalls korrigieren könne. Das Problematische dabei sei, dass der Staat immer häufiger bereits Willensbekundungen und Absichtserklärungen mit Strafen sanktioniere, ohne nachprüfbar zu wissen, ob Folgen tatsächlich eintreten. "Damit begibt sich die Bundesregierung auf sehr dünnes Eis", so Jaschke.

Großrazzia in Hessen am Mittwoch: 16 Terrorverdächtigte wurden festgenommen. Bild: picture-alliance/dpa/B. Roessler


Mehrzahl der "Gefährder" durch Gesetz nicht erfasst

Zudem ist die Mehrzahl der möglichen "Gefährder" durch die Neuregelung des Gesetzes gar nicht erfasst. Die Überwachung und Verfolgung obliegt in den meisten Fällen den zuständigen Landesbehörden. "Deswegen hoffe ich, dass sich die Bundesländer nun an dieser Vorschrift im Bundeskriminalamtsgesetz orientieren", so De Maizière. Er appellierte an die Bundesländer, schnell gleichartige Landesgesetze auf den Weg zu bringen. Er strich die Dringlichkeit hervor. Die Lage sei objektiv schwieriger geworden. "Die Zahl der 'Gefährder' steigt, die Zahl der Ermittlungsverfahren ist dramatisch angestiegen, zugleich sind aber auch die Sicherheitsbehörden entschlossen, früher zuzugreifen."

Wie zum Beleg wurden am Mittwoch bei einer Razzia gegen die Islamistenszene in Hessen 16 Personen festgenommen, die einen islamistischen Anschlag geplant haben sollen. Ein 36-jähriger Tunesier gilt als Hauptverdächtiger. Er soll auch am Attentat auf das Bardo-Museum in Tunis beteiligt gewesen sein. Auch in Berlin waren am Dienstagabend bereits drei Terrorverdächtige in der "Fussilet"-Moschee in Berlin-Moabit festgesetzt worden. Für den Innenminister ein Beweis: "Das zeigt, dass die deutschen Sicherheitsbehörden wachsam sind und entschlossen zugreifen, wenn es geboten und notwendig ist."

Terrorismusforscher Hans-Gerd Jaschke ist weniger beeindruckt: "Die Fussilet-Moschee wird seit Monaten lückenlos observiert. Wer ganz konkret einen Anschlag plant, der hält sich zum Zeitpunkt der Razzia nicht mehr dort auf". Jaschke vermutet hinter Großrazzien eine "Schaufensterpolitik" durch die Behörden.

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