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Politik

Neues Image für die UN?

24. Oktober 2016

Michael Møller, Generaldirektor des Büros der Vereinten Nationen in Genf, will das nach Skandalen angeschlagene Image der UN verbessern - keine leichte Aufgabe.

Menschenrechtsrat (Foto: UN Photo/J.M. Ferré)
Bild: UN Photo/J.M. Ferré

Im Palais de Nations in Genf, dem zweitgrößten Sitz der Vereinten Nationen nach New York, folgt eine Touristengruppe der Reiseführerin durch das weitläufige Gebäude. Die Herbstsitzung desMenschenrechtsrats ist in vollem Gang. Von der verglasten Zuschauertribüne aus schauen die Besucher in den Saal hinunter. Eine junge Brasilianerin ist ergriffen von dem, was sie sieht: "Man spürt, dass wir Teil von etwas Größerem sind, dass die UN uns und die ganze Welt beschützt", sagt sie. 

Doch nicht alle Besucher sind begeistert. Ein ukrainischer Tourist hat Delegierte dabei beobachtet, wie sie während der Menschenrechtsdebatte auf ihren Laptops Spiele spielen und Automodelle vergleichen. "Und ich dachte, hier wären Leute, die darüber nachdenken, wie man die Welt verbessern kann", sagt er enttäuscht.

Negative Wahrnehmung der UN

Den Generaldirektor des Büros der Vereinten Nationen in Genf, Michael Møller, überraschen solche Reaktionen nicht. Er macht sich wenig Illusionen über den Ruf seiner Organisation, denn er weiß, dass viele Menschen sich enttäuscht abwenden, weil die UN ihre Hoffnungen nicht erfüllen. Der Krieg in Syrien eskaliert im Wochenrhythmus, die Aufnahme von Flüchtlingen wird immer schwieriger und die UN erscheinen angesichts dieser Krisen machtlos.

Für ein neues UN-Image zuständig: Michael MøllerBild: picture-alliance/AP Photo/S. Di Nolfi

"Die Wahrnehmung der Vereinten Nationen ist im Großen und Ganzen eher negativ auf der Welt, vor allem was den Sicherheitsrat betrifft", sagt Møller. "Die Menschen sehen vor allem die Kriege, die wir nicht beenden und die Epidemien, bei denen wir nicht schnell genug agieren."

Doch bei aller berechtigten Kritik dürfe man nicht vergessen, dass die Vereinten Nationen in vielen Bereichen fantastische Arbeit leisteten, findet Møller. Seine Mission in Genf ist deshalb das Projekt "Wahrnehmungswandel".

Neues Image und Erfolge 

Møller möchte in Zukunft die Aufmerksamkeit auf das lenken, was die UN bereits geschaffen haben, wie etwa Kindersterblichkeit und Armut weltweit zu halbieren. "Ohne die UN, dieses Netzwerk, das die Welt sich innerhalb der letzten 70 Jahre selbst aufgebaut hat, wäre das alles nicht geschehen", sagt er. 

Die alten UN-Leitlinien, wie Förderung des Weltfriedens, Achtung der Menschenrechte und Recht auf Entwicklung, gelten seit der Gründung der UN im Jahre 1945. Doch spricht man in Genf heute lieber von "Frieden, Recht und Wohlbefinden".

Mit dem aufgefrischten UN-Image geht Møller jetzt an die Öffentlichkeit. So lädt er etwa die Genfer Bevölkerung zum UN Speed-Dating auf ein Glas Wein ins Kulturzentrum ein, ein anderes Mal öffnet er die Tore für einen Volkslauf durch den ansonsten nicht öffentlichen UN-Park.

Über die sozialen Medien sucht er den Kontakt zu jungen Menschen und erklärt, was die Idee hinter den Vereinten Nationen ist: "Ein neutraler Ort, an dem verschiedene Menschen, die oftmals komplett unterschiedlicher Meinung sind, sich teilweise sogar hassen, zusammenkommen und gemeinsam diskutieren", so Møller.

UN bleiben hinter Potential zurück  

Das Projekt "Wahrnehmungswandel" kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Verhandlungsort immer weniger genutzt wird. Weltweit stehen Multilateralismus und internationales Recht derzeit nicht hoch im Kurs. Auf dem Rücken der Zivilbevölkerung werden zahlreiche Konflikte militärisch und in aller Brutalität ausgetragen, auch wenn Kriegsparteien zwischendurch immer einmal wieder Verhandlungsbereitschaft simulieren. Von solchem Doppelspiel kann der ehemalige UN-Beamte Hans von Sponeck ein Lied singen.

32 Jahre lang hat er für die Vereinten Nationen gearbeitet und war zuletzt als Untergeneralsekretär für das Öl-für-Nahrung-Programm im Irak zuständig. Im Jahr 2000 trat er zurück, aus Protest gegen die zahlreichen Luftangriffe der Amerikaner und Briten und die harschen Wirtschaftssanktionen gegen den Irak, die vor allem die Bevölkerung trafen. 

Die Unfähigkeit zur gemeinsamen Lösung von Konflikten und die Tendenz der Großmächte, die UN für die eigenen Belange zu instrumentalisieren, gibt es weiterhin, sagt von Sponeck. "Was in den letzten Jahren immer wieder deutlich wurde ist, dass die Vertreter im Sicherheitsrat nicht in der Lage sind, ihren nationalen Mantel abzuwerfen und ihren multilateralen Hut aufzuziehen." Versuche, den Sicherheitsrat zu reformieren, sind bisher immer am Widerstand der privilegierten fünf ständigen Mitglieder und ihrem Vetorecht gescheitert.

Bewirken Gespräche unter Vermittlung der UN überhaupt etwas?Bild: UN Photo/Violaine Martin

Aber es ist nicht ausschließlich der Sicherheitsrat schuld, wenn die Vereinten Nationen hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben. Ein starker UN-Chef könnte einiges bewegen, da sind sich alle einig. Was die Leistungsbilanz des noch amtierenden Generalsekretärs angeht, nimmt Hans von Sponeck kein Blatt vor den Mund:

"Ban Ki Moon ist ein bisschen wie ein Tischtennisball auf den Wellen der Politik. Er wurde hin- und her geschubst, und das wird jedem Generalsekretär so gehen, nur muss ein Generalsekretär dann versuchen, in seinen Tischtennisball einen Motor einzubauen, durch den er dann wenigstens die Richtung anpeilen kann, die aus seiner Sicht angesteuert werden sollte."

UN-Skandale

Ban Ki Moon, als Kompromisskandidat gewählt, hat sich in seiner zehnjährigen Amtszeit mit niemandem offiziell angelegt, auch nicht mit seiner eigenen Abteilung zur Friedenssicherung. Und das hatte dramatische Folgen.

Tritt bald ab: Ban Ki-MoonBild: Ruters/V. Kessler

Im Oktober 2010 brach in dem vom Erdbeben zerstörten Haiti eine Cholera-Epidemie aus. Wissenschaftliche Untersuchungen deuteten sehr früh darauf hin, dass die Cholera von einem Kontingent nepalesischer Blauhelm-Soldaten eingeschleppt worden war. Aus dem Lager dieser UN-Friedenstruppe waren verseuchte Fäkalien in den Wasserkreislauf geraten.

Seitdem starben in Haiti mehr als 10.000 Menschen an Cholera, einer Krankheit, die es in dem armen Land vorher nicht gab. Mit jeder neuen Naturkatastrophe drohen jetzt Neuinfizierungen. So wie derzeit mit den Folgen von Hurrikan "Matthew". Doch die Vereinten Nationen unter Ban Ki Moon haben die Verantwortung für den Ausbruch jahrelang bestritten.

Ähnlich verhielt es sich mit den dokumentierten Fällen von sexuellem Missbrauch an Kindern durch Soldaten französischer UN Friedenstruppen in der Zentralafrikanischen Republik, die offiziell vertuscht und kleingeredet wurden. Gemessen an den Maßstäben für Nationalstaaten, etwa der Rechenschaftspflicht für Menschenrechtsverletzungen und der Entschädigung für erlittenes Unrecht, erweckt das den Eindruck einer Doppelmoral.

Reform oder Bedeutungsverlust

Doch Ban Ki Moon weist diesen Vorwurf auf Nachfrage der Deutschen Welle zurück: "Ich stimme mit den Vorwürfen, dass die UN eine Doppelmoral angewendet haben, nicht überein." Er räumt jedoch ein, dass es in seiner Amtszeit zwei Dinge gegeben habe, die er bedauere: die Vorfälle in Haiti und die in der Zentralafrikanischen Republik. Zu Haiti sagt er: "Wir hätten viel mehr machen müssen, unabhängig davon, was die rechtliche Immunität betrifft, oder wer [die Epidemie] verursacht hat". 

Doch Bans Amtszeit ist bald Geschichte und schon jetzt richten sich große Erwartungen für einen Neuanfang an seinen Nachfolger. Antonio Guterres genießt einen guten Ruf innerhalb der UN. Man schreibt ihm den nötigen Mut zu, sich auch kritisch zu Ländern zu äußern, auf deren finanzielle Hilfe die UN angewiesen ist, so Hans von Sponeck.

Der neue UN-Generalsekretär muss seinen Handlungsspielraum für weitreichende Reformen nutzen und die Organisation endlich ins 21.Jahrhundert bringen, sagt Michael Møller. "Entweder wir ändern uns und bringen den Reformprozess selber voran, oder wir werden bedeutungslos."

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