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Neues Kriegsverbrechertribunal im Kosovo

Bahri Cani 24. April 2014

Ein Sondertribunal soll die Verbrechen der Kosovarischen Befreiungsarmee untersuchen - das hat das kosovarische Parlament beschlossen. Unter anderem geht es um den Handel mit Organen von Gefangenen.

Beisetzung von UCK-Kämpfern im Jahr 2000 (Foto: dpa)
Beisetzung von UCK-Kämpfern im Jahr 2000Bild: picture-alliance/dpa

Das Tribunal soll mutmaßliche Verbrechen der Kosovarischen Befreiungsarmee (UCK) aus dem Kosovo-Krieg (1998 bis 1999) untersuchen. Der Sonderberichterstatter des Europarats, Dick Marty, wirft in seinem Bericht von 2010 einigen Kommandeuren dieser Armee vor, an dem Handel mit den Organen hunderter serbischer Gefangener beteiligt gewesen zu sein. Nach Angaben der kosovarischen Tageszeitung "Botasot" gibt es inzwischen eine Liste von Dutzenden Personen, die während des Kosovo-Kriegs am Organhandel beteiligt gewesen sein sollen: angeblich sogar der kosovarische Regierungschef Hashim Thaci selbst und einige seiner engen Mitarbeiter. Thaci sagte dagegen im Parlament, die UCK habe einen "sauberen und gerechten Krieg gegen den serbischen Besatzer" geführt und sei an keinem Kriegsverbrechen beteiligt gewesen.

Der kosovarisch-serbische Abgeordnete Petar Miletic betont, dass dieses neue Sondergericht nicht pauschal gegen die Kosovo-Albaner oder die UCK insgesamt gerichtet sei: "Seine Aufgabe wird es sein, die individuelle Verantwortung für die Kriegsverbrechen gegen Serben und andere Nicht-Albaner festzustellen und diese Personen zu verurteilen".

Fast alle Parteien waren gegen Tribunal

Die kosovarische Regierung wollte ursprünglich kein Kriegsverbrechertribunal - und auch fast alle politischen Parteien waren dagegen. Trotzdem hat das kosovarische Parlament mit mehr als der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit der Abgeordneten dafür gestimmt.

Das Kosovo erklärte 2008 seine Unabhängigkeit von SerbienBild: picture-alliance/dpa

Es habe "keine richtige Alternative" gegeben, so Premierminister Thaci. Denn wenn das Parlament nicht dafür gestimmt hätte, wäre ein solches Kriegsverbrechertribunal durch eine Entscheidung des UN-Sicherheitsrats gegründet worden. Das hatten die Vertreter der USA, Großbritanniens und Frankreichs in Pristina signalisiert. Selbst der US-amerikanische Vizepräsident Joe Biden hatte den Kosovaren in einem Brief "wärmstens empfohlen", der Gründung eines Sondergerichtes zuzustimmen. "All dies bedeutet, dass dem neuen Sondergericht unter unglaublich großem Druck seitens der internationalen Gemeinschaft zugestimmt wurde", erklärt der Menschenrechtler Bekim Blakaj, Leiter der Stiftung für Humanitäres Recht im Kosovo, im Gespräch mit der DW.

Passivität der kosovarischen Institutionen

Während des Krieges wurden im Kosovo mehr als 13.500 Menschen getötet - die Mehrheit davon waren Kosovo-Albaner. Bis heute werden mehr als 1700 Personen als "vermisst" geführt, davon etwa 500 Serben und Roma. In diesem Monat wurde in Serbien ein weiteres Massengrab mit albanischen Opfern entdeckt. Als das Parlament in Pristina dem Sondergericht zustimmte, begann in der Nähe der Stadt Raska in Südserbien die Beerdigung dieser Toten.

Auch 15 Jahre nach dem Kosovo-Krieg hätten die Institutionen in Pristina kein Interesse daran gezeigt, die Anschuldigungen wegen der mutmaßlichen Kriegsverbrechen der UCK während und nach dem Krieg zu untersuchen, kritisiert Menschenrechtler Blakaj. Seiner Meinung nach würden sich die kosovarischen Staatsanwälte und Richter nicht mit dem Thema beschäftigen wollen.

Flüchtlinge im Kosovo-Krieg (1999)Bild: picture-alliance/dpa

Kein ausreichender Zeugenschutz im Kosovo

Die Entscheidung für das Sondertribunal sei sehr schwer gefallen, "das Parlament hat jedoch Reife bewiesen, weil alle Kriegsverbrechen geklärt werden müssen", so der kosovarische Journalist Muharren Nitaj. Andererseits behauptet der Politik-Experte Dugagjin Gorani, ehemaliger Berater des Premierministers, dass diese Entscheidung unter internationalem Druck ein weiterer Beweis dafür sei, dass das Kosovo immer noch "kein souveränes Land ist".

Der Hauptsitz des neuen Kriegsverbrechertribunals wird im Kosovo sein. Doch voraussichtlich soll es auch einen zweiten Sitz in Den Haag geben. Der Grund: Im Kosovo gibt es keinen ausreichenden Zeugenschutz, obwohl vor Jahren ein Gesetz dazu verabschiedet wurde. "Es wurde niemals richtig umgesetzt. Medien, Anwälte und die Zivilgesellschaft haben sehr oft Druck auf mögliche Zeugen ausgeübt. Sie haben auch die Identität von geschützten Zeugen öffentlich gemacht", so der Menschenrechtler Bekim Blakaj. Diese Gefahr hat dazu geführt, dass sich viele Zeugen weigern, vor Gericht auszusagen. "Als Folge werden wir jetzt ein Sondergericht haben, das praktisch unter der Kontrolle der internationalen Gemeinschaft stehen wird", so Blakaj.

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