Neues Kulturparadies?
29. Mai 2007Größer, teurer, exklusiver: Zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten scheint ein regelrechter Wettbewerb um kulturelle Prestigeobjekte entbrannt zu sein. Das wohl bekannteste Projekt entsteht auf der Insel Saadiyat, die der Hauptstadt Abu Dhabi vorgelagert ist: Dort sollen in einigen Jahren unter anderem der "Louvre Abu Dhabi", ein Ableger des Pariser Kulturtempels, und eine Filiale des "Guggenheim Museums" Kulturtouristen an den Persischen Golf locken.
Dagegen brachte sich das Nachbaremirat Dubai schon vor drei Jahren als Austragungsort eines internationalen Filmfestivals ins Gespräch. Dieses Jahr ist mit der Kunstmesse "Gulf Art Fair" ein weiteres Projekt dazu gekommen. Das Emirat will sich in den kommenden Jahren als Umschlagsplatz für den Kunsthandel zwischen Ost und West etablieren. Und Michael Schindhelm, früher Theaterdirektor in Basel und bis vor kurzem Generaldirektor der Berliner Opernstiftung, ist mit der Planung einer Kulturzone in den "Lagoons" beauftragt worden: ein ehrgeiziges Bauprojekt, das im Moment nur aus einigen Kilometern Küste besteht.
Wieder belebte Traditionen
Die Machthaber am Golf verfügen über schier unerschöpfliche Geldmittel - und sie haben die Kultur und die Medien als Image fördernde Mittel entdeckt. So finanziert der Emir von Qatar, Scheich Hamad Bin Khalifa Al-Thani, den arabischen und englischen Fernsehsender Al-Jazeera. Außerdem hat er einen internationalen Literaturpreis in Höhe von drei Million Dollar gestiftet. Auch Sultan Qabus, Herrscher von Oman, hat vergangenes Jahr einen Kunst- und Literaturpreis in Höhe von über einer Million Dollar ausgeschrieben.
Das Emirat Sharjah galt noch bis vor kurzem als kulturelles Zentrum des Landes. Einige Museen, Theaterfestivals, die "Sharjah Biennale", eine Nationalbibliothek, Privatuniversitäten und eine Buchmesse sind die Aushängeschilder. Im Gegensatz zu Abu Dhabi besitzt Sharjah nur wenig Erdöl. Als Handelszentrum kann es mit dem benachbarten Dubai nicht mithalten.
Der regierende Scheich Sultan Ibn Muhamed al-Qasimi entschloss sich daher, die Tradition, die sein Emirat noch vor dem Erdölboom pflegte, fortzusetzen. Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts entstanden in Sharjah die ersten Schulen, und die erste Zeitung wurde gegründet, damals noch von den reichen Perlenhändlern finanziert.
"Kein Vorwissen in Sachen Kunst"
Doch trotz der jüngsten bombastischen Auswüchse der Kulturpolitik ist das Land insgesamt immer noch arm an kultureller Infrastruktur. Von der Förderung der Kultur kommt bei den Einheimischen nicht viel an. Der Künstler Mohammed Ahmad Ibrahim, der auf der diesjährigen "Sharjah Biennale" mit einer Installation vertreten ist, weist auf die absurde Situation hin, dass es beispielsweise in den Emiraten zwar eine Biennale von Weltrang gibt, aber an den Schulen kein Kunstunterricht erteilt wird: "Die Emirate haben in der Regel sehr wenig Vorwissen in Sachen Kunst. Erst Kunstereignisse wie die Biennale führen die Menschen an Kunst heran. Alle großen Projekte kommen von oben, und man kann nur hoffen, dass sie die Verantwortlichen zum Nachdenken bringen und dazu bewegen, bald eine wirkliche Infrastruktur zu schaffen."
Auch für die Gründung einer Filmakademie, die Masud Amrallah und andere Filmemacher aus den Vereinigten Arabischen Emiraten schon seit langem fordern, gibt es keine staatliche Unterstützung. "Diese Generation von Filmemachern bezahlt alles aus eigener Tasche", sagt Amrallah. "Wenn sie irgendwann resigniert aufgibt, dann wird es keine Filme mehr aus den Emiraten geben. Ich weiß nicht, ob nächstes Jahr überhaupt ein Film entstehen wird."
Kulturpolitik nur für reiche Touristen?
Die Förderung der einheimischen und der arabischen Kultur und Kunst ist somit nur ein Nebeneffekt der Kulturpolitik in den Vereinigten Arabischen Emiraten und nicht ihr erklärtes Ziel. Doch spricht das allein schon gegen die Förderung von Mega-Projekten, die wiederum neue Touristen in die Emirate ziehen wird? "Eine Wahlmöglichkeit zu haben ist auf jeden Fall besser, als keine zu haben", meint Filmemacher Amrallah. "In Abu Dhabi kann ich bald wählen, ob ich mir Gemälde anschauen möchte oder nicht. Ich bin für jedes Kulturprojekt. Denn es bringt die Dinge in Bewegung."